L-Gas in Deutschland: Stürmische See voraus

(c) BBH
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Der L-Gas-Markt in Deutschland ist in Bewegung: Einerseits spielt L-Gas bei der Versorgungssicherheit eine große Rolle (wir berichteten), andererseits nehmen beim L-Gas Preispeaks zu und die Speicherstände ab. Im Oktober musste der Fernleitungsnetzbetreiber Open-Grid-Europe (OGE) im L-Gas-Gebiet die erste Krisenstufe ausrufen (wir berichteten). Und kürzlich setzten sich die Marktgebietsverantwortlichen sowie der Verband der Fernleitungsnetzbetreiber Gas für eine Beibehaltung des Konvertierungsentgelts ein. Das dürfte Netzbetreiber, Vertrieb/Handel und Kunden nicht unberührt lassen.

Hintergrund der zwei Gasqualitäten

In Deutschland gibt es zwei Gasqualitäten: Ein Viertel des Gesamtmarktes wird mit L-Gas (low calorific gas) versorgt, der Rest mit H-Gas (high calorific gas). Die L-Gas-Vorkommen schrumpfen. Sowohl die deutsche Erdgasförderung als auch die niederländische Erdgasproduktion sind rückläufig. Im Rahmen der sog. Marktraumumstellung ist bis 2030 die Gasversorgung in große Teilen Nord-/Westdeutschlands umzustellen (Karte). Das betrifft ca. 6 Mio. Gasgeräte. Weiterhin sind zahlreiche Gasnetze anzupassen und teilweise neue Leitungen notwendig (wir berichteten).

Aus Vertriebssicht bedeuten die beiden Gasqualitäten eine gewisse Markttrennung: Beschafft man H-Gas für einen Kunden im L-Gas-Bereich, sorgen zwar die Marktgebietsverantwortlichen (MGV) für den Mengenausgleich zwischen den beiden Gasqualitäten, der Vertrieb zahlt jedoch ein Konvertierungsentgelt. Die Details regelt die BNetzA-Festlegung Konni Gas aus dem Jahr 2012 (wir berichteten). Aus Handelssicht gilt dabei folgende Überlegung: Nur solange die Kosten für den Ankauf von L-Gas am TTF plus Transport nach Deutschland niedriger sind als der H-Gaspreis in Deutschland plus Konvertierungsentgelt, ist es günstiger qualitätsspezifisch L-Gas zu beschaffen.

Um die Trennung in L- und H-Gasmarkt langfristig aufzuheben, sieht Konni Gas vor, das Konvertierungsentgelt abzuschmelzen und grundsätzlich zum 30.9.2016 ganz abzuschaffen. Die Kosten der Marktgebietsverantwortlichen sollen stattdessen über eine Konvertierungsumlage gedeckt werden. Die MGV haben sich nunmehr jedoch dafür ausgesprochen, das Konvertierungsentgelt beizubehalten.

Zukunft des Konvertierungsentgelts?

Die MGV begründen ihre Einschätzung mit veränderten Rahmenbedingungen im L-Gas-Markt: In der Niederlande werde wegen Erdbeben weniger gefördert, die aktuelle Prognose zur zukünftigen deutschen Förderung bleibe hinter der Prognose aus 2011 zurück, Speicher im L-Gas seien niedrig gefüllt, die Konvertierungskonten weisen Fehlbeträge aus und die Marktraumumstellung führe erst ab 2020 zu einer Entspannung. Langfristige Lieferverträge über L-Gas sollten weiterhin wirtschaftlich angereizt werden, da das L-Gas nach etwaiger Kündigung der Verträge nicht zwangsläufig auch für die Regelenergiebeschaffung der MGV zur Verfügung steht. Damit trage das Konvertierungsentgelt auch wesentlich zur Versorgungssicherheit im L-Gas bei. Für die kommenden Halbjahre stellen sich damit folgende Optionen:

  • Halbjahr ab April 2016: Gaspool ist für diesen Zeitraum mit 0,441 Euro/MWh bereits an der zulässigen Obergrenze. NCG liegt aktuell mit 0,30 Euro/MWh dagegen unter der von Konni Gas vorgegebenen Höchstgrenze. NCG kann nach Anzeige bei der BNetzA das Konvertierungsentgelt damit noch auf bis zu 0,453 Euro/MWh erhöhen (§ 9 Ziff. 3 Bilanzkreisvertrag). Die konkrete Höhe für das nächste Halbjahr wird spätestens Mitte Februar 2016 veröffentlicht.
  • Halbjahr ab Oktober 2016: Die Beibehaltung des Konvertierungsentgelts in diesem Zeitraum ist ohne Änderung der Festlegung möglich. Gaspool und NCG müssen die Verlängerung der Beschlusskammer 7 dafür anzeigen. Widerspricht diese nicht, haben die MGV ein halbes Jahr mehr Zeit, das Konvertierungsentgelt auf Null abzusenken (§ 10 Ziff. 2 Bilanzkreisvertrag). Während der halbjährlichen Verlängerung darf nach Konni Gas die vorherige Obergrenze des Konvertierungsentgelts grundsätzlich nicht überschritten werden.
  • Zeitraum ab 1.4.2017: Um das Konvertierungsentgelt darüber hinaus beizubehalten, muss die Konni Gas durch ein formelles Festlegungsverfahren geändert werden. Soll die Konni Gas 2.0 rechtzeitig vor dem 1.4.2017 in Kraft treten, wäre mit einer baldigen Verfahrenseinleitung zu rechnen. In welcher Höhe und für welchen Zeitraum ein Konvertierungsentgelt weitergeführt werden kann, kann dann vollkommen neu geregelt werden.

Auswirkungen für Vertriebe und (Industrie-)Kunden

Wird am Konvertierungsentgelt festgehalten, bleibt es auch bei der Trennung des Markts in einen L- und H-Gas-Markt. Langfristige L-Gas-Beschaffungsverträge können zusammen mit dem Konvertierungsentgelt den L-Gas-Markt auch für neue Lieferanten beschränken. Zudem sind längst – und in Erwartung eines abgeschmolzenen Konvertierungsentgelts – Verträge über das Jahr 2016 hinaus abgeschlossen. Der Handel/Vertrieb sollte sich daher frühzeitig in den jetzt angelaufenen Prozess einbringen und seine Argumente platzieren. Die erste Gelegenheit dazu dürfte ein Anhörungstermin der BNetzA bieten. Dieser dürfte bereits im Frühjahr (März/April) anstehen.

Für (Industrie-)Kunden könnte es sich zu einem Standort-Nachteil entwickeln, an ein L-Gasnetz angeschlossen zu sein. Je nach Umstellungszeitpunkt des Netzgebiets können bessere Bezugskonditionen ggf. erst deutlich später ausgehandelt werden als in Nachbarnetzgebieten. Je nach Höhe des Konvertierungsentgelts und Entwicklung der Preise in einem kleiner werdenden L-Gas-Markt sind empfindliche Unterschiede nicht ausgeschlossen.

Auswirkungen für Netzbetreiber

Für Netzbetreiber könnten weitere Förderreduzierungen in den Niederlanden zu einer Veränderung der Umstellungszeitpunkte führen. Ein aktualisiertes Umstellungskonzept wird Ende Februar vorgestellt. Zudem könnte es Druck von (Industrie-)Kunden geben, die eine frühzeitigere Umstellung wünschen. Die Information über und Einbindung in den Umstellungsprozess, bspw. gebündelt über die ARGE Erdgasumstellung, sollte erwogen werden.

Die aktuelle Diskussion zeigt auch, wie wichtig das Thema Versorgungssicherheit ist. Ein Engpass kann insbesondere im L-Gas nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Netzbetreiber sollten sich individuell auf eventuelle Krisen vorbereiten und sich dabei auf haftungsrechtlich sichere Füße stellen.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Dr. Erik Ahnis

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