Ladeinfrastruktur: Ausbau wird gefördert, aber die Abrechnung behindert
Die Förderprogramme von Bund und Ländern zeigen Wirkung: Die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte in Deutschland hat innerhalb des letzten Jahres um 25 Prozent zugenommen und liegt derzeit bei 13.500. Ein positiver Förderbescheid sichert dem Betreiber eine erste Anschubfinanzierung. Aber dann stellt sich für den Betreiber die Frage, mit welchen Abrechnungsmodellen er die (restlichen) Investitionskosten und die laufenden Kosten für den Betrieb der Ladesäulen decken kann.
Dabei geht es für ihn regelmäßig nur nachrangig um die Weitergabe von Stromkosten, die allerdings je nach Ladeleistung sehr unterschiedlich sein können. Wichtiger für die Kalkulation sind die laufenden Kosten der Unterhaltung sowie die – auch im Falle einer Förderung verbleibenden – Kosten für Ladesäule, Netzanbindung und Anbindung an ein Backend. Das ist der Grund, warum der häufig bemühte Vergleich zwischen den vermeintlich teuren Ladestromtarifen und dem günstigeren Haushaltsstrom („Abzockerdiskussion“) nicht funktioniert.
Dazu kommt, dass sich die Interessen von Betreiber und Nutzer bezüglich Ladezeit und Ladeleistung nicht unbedingt decken. Der (sehr) langsam ladenden Nutzer eines Plug-in Hybrids möchte natürlich nur die wenigen geladenen Kilowattstunden bezahlen. Für den Betreiber eines Ladepunkts ist es dagegen attraktiver, mit einer zeitbasierten Abrechnung Ladezyklen kurz zu halten, damit die teure Infrastruktur oft genutzt werden kann. Am besten wäre es also, Ladezeit und geladenem Strom kombiniert abzurechnen, was bei realistischer Kalkulation aber den Preis einer Kilowattstunde beim langsamen Laden (wegen des Zeitfaktors) sehr teuer machen würde.
Kein Verbot bestimmter Abrechnungsmodelle durch die PAngV
Derzeit verhindern die strengen – in Europa einzigartigen – Anforderungen, die das Eichrecht u.a. an die Übertragung von Messwerten der Ladesäule in ein Abrechnungsbackend stellt, eine Abrechnung nach geladenen kWh. Das gilt nach der ebenso fragwürdigen wie unumstößlichen Auffassung der zuständigen Ministerien und Mess- und Eichämter auch für die Abrechnung nach Ladezeit.
Deshalb und mit Blick auf hohe Abrechnungskosten wird Ladestrom daher oft – allerdings mit zurückgehender Tendenz – verschenkt, was den Blick auf die eigentlich hohen Kosten der Infrastruktur zusätzlich vernebelt. Wird abgerechnet, bleibt aber nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder man verstößt gegen das Eichrecht oder wählt die Krücke einer Abrechnung von Flatrates oder sog. Session Fees (Pauschale pro Ladevorgang). Auch wenn erste eichrechtskonforme Ladelösungen am Markt verfügbar sind, ist noch nicht absehbar, wann es zu einer flächendeckenden Umrüstung der Ladeinfrastruktur kommt.
Für die Nutzer ist der entstandene Tarifdschungel nicht schön, aber immerhin können sie denjenigen Tarif auswählen, der am besten zu ihrem Ladeverhalten passt. Die Kosten der unterschiedlichen Tarife lassen sich durchaus auf das jeweilige Nutzungsverhalten runterbrechen und damit auch vergleichen.
Das BMWi hält offenbar nur eine Abrechnung geladener kWh für „gerecht“ und setzt daher mit seiner Forderung nach einer kWh-basierten Abrechnung einen neuen Bremsklotz für die Finanzierung von Ladesäulen und damit den allseits gewünschten Rollout.
Zur Begründung führt das Ministerium § 3 der Preisangabenverordnung (PAngV) an, der allerdings keineswegs zu einer kWh-basierten Abrechnung von Ladevorgängen verpflichtet. Nicht etwa bestimmte Preise oder Tarifmodelle werden vorgeschrieben, sondern nur die Art und Weise von Preisangaben geregelt. Konkret schreibt § 3 PAngV die Angabe eines kWh-Mengenpreises vor, wenn Strom verbrauchsbasiert abgerechnet wird. Daraus umgekehrt die Verpflichtung abzuleiten, Strom oder Ladevorgänge müssten so abgerechnet werden, überzeugt nicht. Wie gesagt, die Kosten des Ladestroms sind nur eine (beim öffentlichen Laden in der Regel untergeordnete) Kostenkomponente. Preiswahrheit bzw. -klarheit verpflichten daher nicht zu einer verbrauchsabhängigen Abrechnung.
Um nicht gleich sämtliche Flatrate-Tarife (auch im sonstigen Energiebereich) für unzulässig erklären zu müssen, führt das Ministerium § 40 Abs. 3 EnWG an, dem man angeblich entnehmen könne, ein Monat sei die kleinste zulässige Abrechnungszeiteinheit und damit Laufzeit einer Flatrate. Auch das ist wenig überzeugend. Die Norm ist zunächst gar nicht anwendbar (die Ladesäule, nicht der Nutzer ist Letztverbraucher i.S.d. EnWG). Zudem soll dem Kunden (gegen Erstattung der Mehrkosten) eine monatliche Abrechnung angeboten werden. Eine (zulässige!) kalendertägliche Flatrate müsste also auf Wunsch des Kunden monatlich abgerechnet werden.
Geladene kWh abzurechnen kann durchaus eine sinnvolle Preiskomponente sein. Mit Blick auf europäische Vorgaben und die Praxis der Nachbarländer sollte man aber den deutschen Rechtsrahmen zum Eichrecht kritisch hinterfragen. Jedenfalls sind verlässliche Übergangsfristen für die eichrechtskonforme Umrüstung bereits vorhandener Ladeinfrastruktur dringend erforderlich.
Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Roman Ringwald/Jan-Hendrik vom Wege
PS: Sie interessieren sich für dieses Thema? Dann schauen Sie doch mal hier.