Mieterstrom und die neue Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung im Solarpaket I: Neue Chancen für dezentrale Liefermodelle

Im August 2023 hat die Bundesregierung das Solarpaket I beschlossen, das nunmehr im Bundestag verhandelt wird und zum 1.1.2024 in Kraft treten soll. Mit dem Gesetz sollen der Bau und Betrieb von Solaranlagen vereinfacht und der Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt beschleunigt werden. Ein zentrales Element des Gesetzes sind die Verbesserungen beim Mieterstrom sowie die Einführung der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ als neues Modell für eine dezentrale Stromlieferung aus Solaranlagen. Daraus ergeben sich neue Chancen für dezentrale Liefermodelle für Energieversorgungsunternehmen (EVU), aber auch im Gebäudesektor.

Vereinfachungen beim Mieterstrom

Während die Mieterstromförderung nach derzeitiger Rechtslage nur für Solaranlagen auf Wohngebäuden zulässig ist, soll dies zukünftig auch auf gewerblichen Gebäuden und Nebenanlagen (wie Garagen) möglich sein. Auch der Ort, an dem Mieterstrom verbraucht wird, ist nicht mehr auf Wohngebäude beschränkt. Voraussetzung ist aber weiterhin, dass der Strom direkt im Gebäude bzw. Nebengebäude ohne Durchleitung durch ein Verteilernetz verbraucht wird. Neu ist im Übrigen, dass Anlagenbetreiber und Letztverbraucher nicht einem Unternehmen angehören dürfen (Anlagenbetreiber muss eine Eigenerklärung abgeben).

Mit der Erstreckung von Mieterstrom auf Gewerbegebäude werden umfangreiche neue Flächenpotentiale für Mieterstromanlagen erschlossen. Gerade Gewerbegebäude verfügen vielfach über größere noch ungenutzte Dachflächen. Zudem ist der Stromverbrauch erheblich und liegt vielfach zeitgleich zum Solarstromangebot. Insgesamt ist zu begrüßen, dass die Abgrenzungsschwierigkeiten für Wohngebäude von anderen Gebäuden nunmehr entfallen. Laut Gesetzesbegründung wird durch die Erweiterung auf Nicht-Wohngebäude ein jährlicher weiterer Zubau in Höhe von 11 MW erwartet. Dies erscheint jedoch sehr zurückhaltend kalkuliert; tatsächlich dürfte das Potential deutlich höher liegen. Außerdem wurde durch das Solarpaket die maximale Laufzeit der Mieterstromverträge geändert: Sie wurde von einem auf zwei Jahre angepasst und damit den gesetzlichen Vorgaben des Verbraucherschutzrechts angeglichen.

Einführung der sog. Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Ein vollständig neues Liefermodell soll mit der „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ (§ 42b Abs. 1 EnWG-E) eingeführt werden. Das Modell steht unabhängig neben dem Mieterstrommodell und soll eine bürokratiearme Lieferung von Solarstrom innerhalb eines Gebäudes ermöglichen. Der Betreiber der Solaranlage soll bei der Lieferung von Solarstrom an z.B. Wohn-, Gewerbemieter oder Wohnungseigentümer weitestgehend von Lieferantenpflichten ausgenommen sein. Insbesondere besteht für den Betreiber der Photovoltaik-Anlage keine Pflicht zur Reststromlieferung. Die Voraussetzungen der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sind im Wesentlichen:

  • Der gelieferte Strom wird in einer Gebäudestromanlage (Solaranlage) erzeugt, die in, an oder auf demselben Gebäude installiert ist, in dem der Letztverbraucher ihn nutzt;
  • der Strom wird ohne Durchleitung durch ein Netz im Umfang eines vereinbarten Aufteilungsschlüssels genutzt;
  • die Strombezugsmengen des Letztverbrauchers werden viertelstündlich gemessen und
  • ein Gebäudestromnutzungsvertrag mit dem nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vorgeschriebenen Inhalt wurde zwischen Anlagenbetreiber und Letztverbraucher abgeschlossen.

Die Umsetzung soll insgesamt einfach und bürokratiearm sein. Allein aufgrund der viertelstündlichen Messung und der Zuordnung der Mengen zu den einzelnen Kunden stellen sich aber durchaus komplexe Fragen der Umsetzung.

Mieterstrom oder Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung?

Im Gegensatz zum Mieterstromlieferanten (§ 42a EnWG) muss der Stromlieferant bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung keine Vollversorgung anbieten. Dadurch entfällt die Pflicht, einen Vertrag über den Bezug von Reststrom für die Mieter abzuschließen und abzurechnen. Darüber hinaus müssen im Falle der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung zahlreiche Vorgaben des EnWG als Stromlieferant nicht erfüllt werden. Aufgrund der genannten Befreiungen ist bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung – in Abgrenzung zum eigenständig fortbestehenden Mieterstrommodell – jedoch auch keine zusätzliche Förderung vorgesehen. Die Überschusseinspeisung in das Netz wird dennoch wie gewohnt nach dem Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) vergütet.

Insgesamt dürfte das Mieterstrommodell eher für EVU geeignet sein, während die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sich an kleinere Akteure, etwa im Gebäudebereich, richtet. Ob das Modell ohne dienstleistende Unterstützung eines energiewirtschaftlichen Akteurs möglich ist, erscheint auf den ersten Blick aber fraglich.

Fazit

Mit dem Solarpaket I werden wichtige Verbesserungen für die dezentrale Stromversorgung im Gebäudebereich angestoßen. Es sorgt für einen Abbau an Bürokratie, öffnet weitere Dachflächenpotentiale und ermöglicht mehr Teilhabe durch breitere Mieterstrommöglichkeiten und die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung. Mit dem Gesetz eröffnen sich damit auch neue Geschäftsfelder für die dezentrale Lieferung aus Solaranlagen. Ob und inwieweit die gesetzlichen Änderungen praxistauglich sind, wird sich noch erweisen müssen. Dabei bleibt auch abzuwarten, ob an dem aktuellen Gesetzentwurf im Bundestagsverfahren noch Änderungen vorgenommen werden.

Ansprechpartner*innen BBH: Ulf Jacobshagen/Dr. Wieland Lehnert/Sarah Resch
Ansprechpartner*innen BBHC: Felix Hoppe/Christopher Hahne/Frederik Seehaus

PS: Haben Sie Interesse an diesem Thema? Dann besuchen Sie doch gern unser Webinar hier „Mieterstrom und Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung im Solarpaket I: Neue Chancen für dezentrale Liefermodelle“ am 13.10.2023 und am 20.10.2023 um 10 Uhr.

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