Solarpaket I: Das Kabinett legt noch eine Schippe drauf

Nach dem Referentenentwurf zum Solarpaket I hat das Bundeskabinett die Köpfe zusammengesteckt und noch mehr Änderungen des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes (EEG) beschlossen. Zahlreiche neue Vorschläge betreffen die sog. besonderen Solaranlagen, wie die Agri-PV. Hier hat der Gesetzgeber mit dem EEG 2023 schon viel auf den Weg gebracht, ein bisschen Sand im Getriebe war aber noch zu entfernen.

Weitere Verbesserungen für besondere Solaranlagen

Bei den Anlagen mit einer lichten Höhe von mindestens 2,10 m entstehen gegenüber den klassischen Freiflächenanlagen aufgrund der Aufständerung höhere Kosten, weshalb diese Anlagen in Ausschreibungen gegenüber den „klassischen“ Freiflächenanlagen das Nachsehen haben. Diese Gefahr hatte der Gesetzgeber gesehen und für einen Teil dieser Anlagen einen Technologie-Bonus vorgesehen. Allerdings ist es bei einer festen Zusatzvergütung schwierig, die Entwicklung der Kosten „nachzufahren“. Zudem war die Höhe des Bonus eher spartanisch.

Diese Problematik soll nun wie folgt gelöst werden: Die Ausschreibungen des sog. ersten Segments sollen zweistufig durchgeführt werden. In der ersten Stufe treten zunächst nur die besonderen Solaranlagen – also Agri-, Moor-, Floating und Parkplatz-PV – miteinander in Wettbewerb. Bei Agri-PV muss die lichte Höhe allerdings mindestens 2,10 m betragen, um hier dabei sein zu dürfen. Das Volumen in dieser ersten Stufe beträgt im Jahr 2024 500 MW und soll bis zum Jahr 2029 auf 3.000 MW ansteigen. Um den Aspekt „Mehrkosten“ abzubilden, wird der Höchstwert im Jahr 2024 mit 9,5 ct/kWh deutlich angehoben. In den Folgejahren wird der Höchstwert anhand der Ausschreibungsergebnisse der Vorjahre bestimmt, darf aber nicht über 9,5 ct/kWh liegen. Das Zuschlagsverfahren entspricht dem üblichen Prozedere, aber mit einer Besonderheit: Die Parkplatz-PV wird bevorzugt bezuschlagt. Ist die erste Stufe abgeschlossen, wird der Kreis der teilnahmeberechtigten Anlagen in der zweiten Stufe geöffnet und alle noch nicht bezuschlagten Anlagen treten miteinander in Wettbewerb – also auch die Anlagen, die in der ersten Stufe nicht dabei waren.

Zudem wird nun auch für die besonderen Solaranlagen, deren anzulegender Wert gesetzlich festgelegt wird, ein Technologie-Bonus gewährt. Auch dies ist positiv zu beurteilen. Die Zusatzvergütung beträgt 2,5 ct/kWh im Jahr 2024. In den Jahren danach beträgt der Zuschlag – vereinfacht gesagt – die Differenz zwischen dem Höchstwert für die erwähnte erste Stufe der Ausschreibungen und dem anzulegenden Wert für die „klassischen“ Freiflächensolaranlagen. Aber auch hier muss die lichte Höhe bei Agri-PV mindestens 2,10 m betragen.

Darüber hinaus soll eine neue Facette der Agri-PV in das EEG eingeführt werden, die sog. extensive Agri-PV. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Fläche zwar nach wie vor landwirtschaftlich bewirtschaftet wird, allerdings weniger Dünger und Herbizide eingesetzt und bei Acker- oder Dauerkulturflächen Blühstreifen sowie im Falle einer Nutzung als Dauergrünland Altgrasstreifen angelegt werden. Eine Verordnungsermächtigung ermöglicht eine „Feinjustierung“. Der hierfür gewährte Extensivierungs-Bonus soll 0,3 ct/kWh betragen. Gewährt wird die Zusatzvergütung aber nur für die Agri-PV-Anlagen im Sinne des EEG, die aufgrund der Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) u.a. die Anforderungen der sog. DIN SPEC 91434 einhalten müssen. Nach dem Leitbild der DIN SPEC darf aber keine Extensivierung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung erfolgen. Liegt hier ein Webfehler vor? Vielleicht sollten die Abgeordneten nach ihrem Urlaub hier noch einmal genau hinschauen.

Neues Segment Biodiversitätssolaranlagen

Mit der geplanten finanziellen Förderung für sog. Biodiversitäts-PV wird die Flächenkulisse für Freiflächenanlagen erweitert. Biodiversitätssolaranlagen sollen dabei Anlagen sein, die auf Flächen und in einer Art und Weise errichtet und betrieben werden, die in besonderem Maße den Erhalt und den Ausbau der Biodiversität fördern. Die für die Umsetzung des neuen Fördertatbestand erforderliche Verordnung soll spätestens am 31.3.2024 erlassen werden und kann auch einen Biodiversitäts-Bonus vorsehen.

Opt-Out-Mechanismus bei benachteiligten Gebieten und Erweiterung auf „kleine“ Anlagen

Strom aus Freiflächenanlagen wird finanziell u.a. nur gefördert, wenn sich die Anlagen auf einem benachteiligten Gebiet befinden. Bislang funktionierte das aber nur, wenn das jeweilige Bundesland grünes Licht gab. Dieser Mechanismus soll nun umgestellt werden: Der Gesetzgeber stellt die Ampel auf Grün und die Länder müssen die Ampel auf Rot stellen, wenn sie die Flächenkulisse „sperren“ wollen. Allerdings soll dies nur möglich sein, wenn ein bestimmter Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche in dem jeweiligen Bundesland bereits mit Freiflächensolaranlagen belegt ist oder die Flächen in Landschaftsschutzgebieten oder Naturparken liegen.

Interessant ist auch, dass diese Flächenkulisse bisher nur für Anlagen vorgesehen war, die an einer Ausschreibung teilnehmen müssen. Nach dem Entwurf sollen die benachteiligten Gebiete nun auch für Freiflächenanlagen geöffnet werden, deren anzulegender Wert gesetzlich bestimmt wird.

Leichter zum Netzverknüpfungspunkt bzw. Verbraucher des Stroms

Um den Netzanschluss zu erleichtern, soll Erneuerbare-Energien-Anlagenbetreibern zukünftig gegenüber Grundstückseigentümern bzw. Nutzungsberechtigten ein gesetzlicher Anspruch zur Nutzung des Grundstücks gegen ein Entgelt zustehen. Dieses Recht soll nach dem Kabinettsentwurf nun über die eigentliche Netzanschlussleitung hinaus auf Steuer- sowie Kommunikationsleitungen erweitert werden und zudem sog. Direktleitungen erfassen. Darüber hinaus sind Verkehrswege in den Anwendungsbereich der Regelung aufgenommen worden.

Errichtung und Rückbau von Windenergieanlagen vereinfachen

Für die Errichtung von Windenergieanlagen und die Überschwenkung sieht der Entwurf eine Duldungspflicht der Grundstückseigentümer*innen bzw. Nutzungsberechtigten vor. Das ist gegenüber dem Referentenentwurf nichts Neues. Allerdings wird diese Duldungspflicht nun auch auf den Rückbau erweitert und das Entgelt ist bestimmt worden: Es soll 28 Euro pro Monat und in Anspruch genommenen Hektar betragen, wobei eine Überschwenkung unentgeltlich zu dulden ist.

Keine weiteren (wesentlichen) Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf

Wie bereits in unserem vorhergehenden Beitrag zum Solarpaket I berichtet, soll die Möglichkeit der eigenen Partizipation an der Energiewende durch die Steckersolargeräte (auch „Balkon-PV“) vorangetrieben werden. Zukünftig müssen diese Anlagen – so der Plan – im Marktstammdatenregister lediglich mit einem Mindestmaß an Informationen eingetragen werden. Einzelheiten bezüglich der Steckersolargeräte sind in unserem gesonderten Blogbeitrag zu finden.

Zudem wird das „Vereinfachte Netzanschlussverfahren“ auf Anlagen bis 30 kW installierter Leistung ausgeweitet. Somit können Anlagen auf Grundstücken mit bestehendem Netzanschluss angeschlossen werden, wenn der Netzbetreiber einen Monat nach Eingang des Anschlussbegehrens nicht reagiert hat. Gleiches gilt, wenn der Netzbetreiber nicht binnen 8 Wochen mitteilt, dass der Netzverknüpfungspunkt nicht geeignet ist.

Nach wie vor soll als neue Veräußerungsform die sog. „unentgeltliche Abnahme“ eingeführt werden. Diese ist insbesondere für Betreiber von Anlagen mit mehr als 100 kW interessant, die der Direktvermarktungspflicht unterliegen und nur einen geringen Teil des erzeugten Stroms ins öffentliche Netz einspeisen. In diesen Fällen kann bisher der Vermarktungsaufwand außer Verhältnis zu den Erträgen stehen.

Mit Einführung des Gesetzes sollen Betreiber von Anlagen mit einer installierten Leistung bis 25 kW keine Steuerungseinrichtungen mehr verbauen müssen. Zudem sollen Vereinfachungen im Bereich der Anlagenverklammerungen kommen.

Mit dem Solarpaket I sollen auch die Rahmenbedingungen für das Repowering von Solaranlagen verbessert werden, das insbesondere bei älteren Modulen mit geringem Wirkungsgrad sinnvoll sein kann. Bei einer Leistungssteigerung durch das Ersetzen mit effizienteren Modulen kann nach den derzeitigen Planungen auch für den „überschießenden“ Teil eine finanzielle Förderung beansprucht und damit insoweit ein „neuer“ Förderanspruch über 20 Jahre gesichert werden.

Wann gelten die Neuerungen und wie geht es weiter?

Überraschend ist die Änderung des Inkrafttretens des Gesetzes. Statt wie zunächst vorgesehen soll das Gesetz nicht mehr rückwirkend zum 1.1.2023 in Kraft treten, sondern erst im nächsten Jahr seine Wirkung entfalten. Zunächst muss der Entwurf aber das weitere Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Mal schauen, ob hier noch eine Schippe drauf gelegt wird.

Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Andreas Große/Dr. Wieland Lehnert/Christoph Lamy

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