Sonderkündigungsrecht bei Strompreiserhöhung: Auch OLG Düsseldorf hält Klausel für nichtig

(c) BBH
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Vertragsklauseln von Stromlieferanten, die das Sonderkündigungsrecht der Kunden nach Preiserhöhungen einschränken, sind unzulässig. Zu diesem Schluss kommt nach dem Landgericht (LG) Düsseldorf (Urt. v. 22.10.2015, Az. 14d O 4/15) (wir berichteten) jetzt auch die Berufungsinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Urt. v. 5.7.2016, Az. I-20 U 11/16). Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist – und der Bundesgerichtshof (BGH) in der Revisionsinstanz die Sache womöglich deutlich differenzierter sehen wird.

In der streitigen Klausel geht es um die Möglichkeit des Stromversorgers, die Preise anheben zu können, wenn für ihn die hoheitlichen Belastungen durch Steuern und Abgaben steigen. In diesem Fall sollte es kein Sonderkündigungsrecht geben. Nach Auffassung der Gerichte greift dies aber in die Rechte ein, die den Kunden gesetzlich nach § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG zustehen. Das OLG Düsseldorf betont, dass jede Änderung der Preise – unabhängig vom Grund – ein Sonderkündigungsrecht des Kunden auslöse. Dies folge aus der Vorschrift des § 41 Abs. 3 EnWG, die nicht zwischen durch Neueinführung bzw. Erhöhung „hoheitlicher Belastungen“ verursachten und sonstigen Preisänderungen differenziere.

Zum gleichen Ergebnis kommt das OLG Düsseldorf auch auf anderem Wege, nämlich über die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV). Dort habe der Gesetzgeber die hoheitlichen Belastungen ausdrücklich als Kalkulationsbestandteile der Allgemeinen Preise angesehen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 StromGVV) und bei Änderung dieser Preise das Kündigungsrecht des Kunden bekräftigt (§§ 5a Abs. 2 i. V. m. 5 Abs. 3 StromGVV). Aus der Begründung zur StromGVV sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber hier Unterschiede zu Sonderkundenverträgen vorgesehen habe.

Die Entscheidung ist im konkreten Fall gut vertretbar, da die streitgegenständliche Klausel viele Angriffspunkte liefert. Die Leitsätze und inhaltlichen Ausführungen des OLG verleiten aber zu dem Missverständnis, dass jede Preisänderung – auch solche aufgrund einer vereinbarten separaten Wälzungsklausel für Steuern und Umlagen  – ein Sonderkündigungsrecht des Kunden auslöst. Dies ist nicht der Fall, da in solchen Konstellationen der Vertrag gar nicht einseitig geändert wird. Denn dazu müsste die Änderung auf einem Willensentschluss des Lieferanten beruhen, was aber bei der unveränderten vertraglich fixierten Weitergabe von Steuern und Umlagen in der jeweiligen Höhe gerade nicht der Fall ist.

Auch die Argumentation anhand der Regelungen der StromGVV überzeugt nicht. Das OLG Düsseldorf verkennt, dass die StromGVV einen Spezialfall der Kundenbelieferung, nämlich die Grundversorgung regelt und zur Vereinheitlichung von Grundversorgungstarifen detailliertere Vorgaben zu Vertragsinhalten als die allgemeine Norm (§ 41 EnWG) macht. Der vom Gericht vorgenommene Umkehrschluss, dass die Regelungen der StromGVV für alle Haushaltskundenverträge gelten sollen, geht fehl. Bei Sonderverträgen können die Vertragsparteien – anders als Grundversorgungsverträgen – grundsätzlich autonom die Vertragsinhalte festlegen. Dabei sind zwar Normen wie der § 41 EnWG zu beachten. Im Fall eines separierten Preissystems wird ein Sonderkündigungsrecht des Kunden mangels Preisänderung aber gerade nicht auslöst.

Auf separierte Preissysteme wird sich das Urteil wohl nicht auswirken. Das OLG Düsseldorf hat sich als Berufungsinstanz leider nicht ausreichend differenziert mit der eigentlichen Problematik auseinandergesetzt. Es sollte daher die Revisionsentscheidung des BGH abgewartet werden (vorausgesetzt der beklagte Stromlieferant legt wie angekündigt Revision ein). Wir gehen davon aus, dass sich der BGH– wie bereits in anderen Verfahren zu Preisanpassungsrechten – differenzierter mit den im Raume stehenden Rechtsfragen auseinandersetzen wird.

Leider ist nicht auszuschließen, dass Kunden mit vorgefertigtem Widerspruchsschreiben der Verbraucherzentralen auch auf solche Unternehmen zukommen, deren Verträge vom Mechanismus her gar nicht mit den vorliegenden vergleichbar sind. Um unberechtigte Rückforderungsansprüche abzuwenden und Irritationen bei den  Kunden zu vermeiden, ist dann Information nötig. Unabhängig davon, dass das Urteil noch keine Rechtskraft erlangt hat, sollte bei Verwendung separierter Preissysteme deutlich gemacht werden, dass es sich um eine andere, eigenständige vertragliche Konstellation handelt. Gleichwohl sollten ablehnende Reaktionen immer sorgfältig geprüft und ausreichend nachvollziehbar formuliert werden, da dem Kunden der Weg zur Schlichtungsstelle offen steht.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis

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