Urteil des Europäischen Gerichts: KWKG ist keine Beihilfe
Am 24.01.2024 hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden, dass es sich weder bei der KWK-Förderung noch der Begrenzung der KWKG-Umlage um eine staatliche Beihilfe handelt, die der Genehmigung der EU-Kommission bedarf. Damit ist das Urteil von großer Bedeutung für Betreiber von KWK-Anlagen, Netzen und Speichern sowie auch für Netzbetreiber.
Hintergrund und Inhalt des Urteils
Seit Jahren besteht Uneinigkeit zwischen Berlin und Brüssel hinsichtlich der Frage, ob es sich bei der KWK-Förderung und den Privilegierungen im KWKG-Belastungsausgleich um staatliche Beihilfen handelt, deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt geprüft und festgestellt werden muss. Während die Bundesregierung seit jeher die Beihilfeeigenschaft verneint hat, war die EU-Kommission immer der Auffassung, dass es sich um genehmigungsbedürftige staatliche Beihilfen handelt.
Gegenstand des Urteils vom 24.01.2024 sind verschiedene Änderungen des KWKG, die die Bundesregierung der EU-Kommission jeweils (vorsorglich) notifiziert hatte. Mit Beschluss vom 03.06.2021 hatte die EU-Kommission entschieden, dass es sich bei der KWK-Förderung und der Begrenzung der KWKG-Umlage für Wasserstoffhersteller um genehmigungsbedürftige staatliche Beihilfen handelt, diese jedoch bis zum 31.12.2026 für vereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt. Gegen diesen Beschluss hat die Bundesregierung vor dem EuG geklagt und in Form der Nichtigerklärung des angefochtenen Kommissionsbeschlusses durch das EuG vollumfänglich Recht bekommen. Damit gesellt sich das Urteil des EuG zu dem ebenfalls die Beihilfeeigenschaft verneinenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 28.3.2019 zum EEG 2012.
Das EuG hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der KWKG-Umlage nicht um einen obligatorischen Beitrag und damit nicht um staatliche Mittel handele, denn die Netzbetreiber seien nur berechtigt und nicht verpflichtet, die KWKG-Umlage gegenüber ihren Kunden in Ansatz zu bringen. Aus diesem Grund könne auch die im KWKG verpflichtend vorgesehene Gewährung der Förderung durch die Netzbetreiber keine staatliche Beihilfe darstellen, weil diese nicht aus staatlichen, sondern aus eigenen Mitteln der Netzbetreiber stamme.
„Mit anderen Worten fließen die Gelder von privaten Stellen an private Stellen und behalten auf ihrem gesamten Weg einen privatrechtlichen Charakter.“
Erste Ableitungen für die Förderung nach dem KWKG
Im Bereich der Förderung nach dem KWKG bedeutet das Urteil, sofern es rechtskräftig wird, zunächst einmal eine Verlängerung des Zeithorizonts des KWKG bis zum 31.12.2029. Für einen Einstieg in die Förderung muss die (Wieder-)Aufnahme des Dauerbetriebs von KWK-Anlagen bzw. die Inbetriebnahme von Netzen und Speichern bis dahin erfolgen. Dies ist im KWKG zwar bereits vorgesehen, steht aber für den Zeitraum ab 01.01.2027 bislang noch unter dem Vorbehalt der beihilferechtlichen Genehmigung. So stellte sich zuletzt immer häufiger die Frage der rechtzeitigen Realisierbarkeit bis Ende 2026. Dies gilt gleichermaßen für die Förderung von Wärme- und Kältenetzen nach KWKG, die angesichts ihrer Haushaltsunabhängigkeit nun auch über den 31.12.2026 hinaus wieder eine Alternative zur Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) darstellen kann.
Sofern es rechtskräftig wird, bedeutet das Urteil auch grünes Licht für den ab 2025 vorgesehenen PtH-Bonus. Anlagenbetreiber, die ihre KWK-Anlage im nächsten Jahr (wieder) in Dauerbetrieb nehmen und den PtH-Bonus in Anspruch nehmen wollen, müssen bereits zum 31.07.2024 eine entsprechende Prognosemeldung abgeben.
Relevanz für die Abwicklung der Netzumlagen
Im Hinblick auf die Finanzierung der KWK-Förderung durch die KWKG-Umlage beschränkt sich die Entscheidung des EuG an sich auf die Begrenzung der KWKG-Umlage für Wasserstoffhersteller nach § 27 KWKG 2020. Die Argumentation des Gerichts dürfte allerdings auch auf alle anderen – nunmehr im EnFG verorteten – Privilegierungstatbestände übertragbar sein und erstreckt sich damit über die KWKG-Umlageprivilegien hinaus auch auf diejenigen hinsichtlich der Offshore-Netz-Umlage.
Ausblick
Das Urteil des EuG ist noch nicht rechtskräftig und die EU-Kommission kann innerhalb von zwei Monaten Rechtsmittel beim EuGH einlegen. Ob sie diesen Weg geht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Da sich das Urteil des EuG jedoch wie bereits erwähnt mit dem des EuGH zum EEG 2012 deckt, erachten wir die Erfolgsaussichten für eher gering.
Abzuwarten bleibt auch, ob bzw. wann und in welcher Form eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber folgt. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zumindest nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils eine Streichung der Genehmigungsvorbehalte im KWKG 2023 und im EnFG wünschenswert. Zuletzt hatte die EU-Kommission mit ihrer am 12.01.2024 veröffentlichten Entscheidung lediglich die §§ 28-36 und § 67 EnFG – welche die Bestimmungen zur Besonderen Ausgleichsregelung für stromkostenintensive Unternehmen beinhalten – als mit dem EU-Binnenmarkt vereinbar erklärt. Mit ihrer am 01.02.2024 veröffentlichen Entscheidung hat die EU-Kommission zudem die Privilegierung für Schienenbahnen nach § 37 EnFG genehmigt.
Das Urteil eröffnet einen großen Handlungsspielraum für die Weiterentwicklung des KWKG, wenn künftige Änderungen nicht mehr an den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz, und Energiebeihilfen (KUEBLL) gemessen werden müssen. Dabei kann der Rolle der erdgasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplung als Brückentechnologie Rechnung getragen und zugleich eine Ablösung durch erneuerbare Energiequellen und innovative Konzepte für die Erzeugung von Strom und Wärme sichergestellt werden.
Denkbar wäre ein Revival des 2020 erst eingeführten und sogleich wieder abgeschafften Südbonus für KWK-Anlagen, die im Süden flexibel steuerbare Erzeugungskapazität zur Verfügung stellen sollen. Auch beim iKWK-Bonus wäre quasi eine Rolle rückwärts dahingehend denkbar, dass der Anwendungsbereich wieder auf Anlagen unter 10 MW erstreckt wird und Anlagenbetreiber somit zwischen der Förderung als iKWK-System und der Förderung einer KWK-Anlage unter Inanspruchnahme des iKWK-Bonus wählen können. Offen ist ohnehin die Zukunft der Ausschreibungen für KWK-Anlagen und iKWK-Systeme. Die durch das Urteil neu eröffneten Perspektiven für die Förderung neuer und modernisierter KWK-Anlagen sowie beispielsweise eine Ergänzung um eine Förderung für die Umrüstung von KWK-Anlagen auf den Betrieb mit Wasserstoff bzw. erneuerbaren Energien können dabei auch eine hilfreiche Ergänzung zur noch ausstehenden Kraftwerksstrategie darstellen.
Schließlich könnte die Entscheidung des EuG den KWKG-Umlagemechanismus ins Rampenlicht stellen: Aufgrund seiner Haushaltsunabhängigkeit und nunmehr attestierten Beihilfefreiheit könnte er auch für weitere Fördergegenstände genutzt werden.
Ansprechpartner:innen: Ulf Jacobshagen/Dr. Markus Kachel/Dr. Heiner Faßbender/Johanna Riggert/Laura Radimeczky-Krekel