Warum der Flughafenbau kein Fall für die Beihilfeaufsicht ist

Flughäfen schaffen Arbeitsplätze und ziehen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen an. Aus diesem Grund haben Städte, Länder und Gemeinden ein großes Interesse daran, diese „Motoren“ regionaler Entwicklung finanziell zu fördern – direkt oder durch zinsgünstige Kredite. Das kann jedoch dem Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 107 I AEUV) widersprechen und muss jedenfalls notifiziert und von der EU-Kommission genehmigt werden.

Das sieht jedenfalls die EU-Kommission in ihren 2005 beschlossenen Leitlinien vor. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache. Die Kommission will die Leitlinien überarbeiten. Sie wäre gut beraten, zu der alten, vor 2005 geltenden Regelung zurückzukehren.

Im Vorgänger der jetzigen Leitlinien, der Mitteilung von 1994, vertrat die Europäische Kommission nämlich noch den Ansatz, dass die Finanzierung von Flughafeninfrastruktur als allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme aus der Beihilfenkontrolle auszuklammern sei. An dieses Credo hielt sich die Europäische Kommission jedoch nur vorübergehend, denn schon bald ließ sie in ihrer Entscheidungspraxis erkennen, dass sie im Hinblick auf die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung von Flughäfen Infrastruktursubventionen regelmäßigen Kontrollverfahren unterziehen wolle.

Nach einer ersten gerichtlichen Bestätigung dieser Praxis durch das EuG und den EuGH in der Sache Aéroports de Paris wurde die völlige Abkehr von den Leitlinien von 1994 durch die in Folge der Ryanair/Charleroi-Entscheidung ergangene Mitteilung der Kommission vom 9. Dezember 2005 endgültig besiegelt.

Jetzt gehen die Leitlinien explizit davon aus, dass jeder Flughafenbetreiber grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und dass das europäische Beihilfenrecht nun zusätzlich auch für den Bau und Ausbau von Flughafeninfrastruktur gelten soll. Damit unterfällt eine Vielzahl von Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter Flughäfen, die eigentlich der regionalen Entwicklung dienen, der Beihilfenkontrolle. Aus unserer Sicht ist dies eine problematische Entwicklung.

Der Bau/Ausbau von Flughafeninfrastruktur ist keine wirtschaftliche Tätigkeit

Entgegen der Ansicht der Europäischen Kommission und der Unionsgerichte sind Flughafenbetreiber nicht als Unternehmen im beihilferechtlichen Sinn anzusehen. Durch die Errichtung von Flughafeninfrastruktur wird weder ein Gut noch eine Dienstleistung auf einem Markt angeboten – ebenso wenig wie beim Bau einer Straße. Erst beim Betrieb der Flughafeninfrastruktur kann von einem Unternehmen in diesem Sinn die Rede sein.

Nach dem herrschenden funktionalen Unternehmensbegriff ist bei der Einordnung einer Tätigkeit als wirtschaftlich oder nicht-wirtschaftlich aber ausschließlich auf die konkrete in Frage stehende Tätigkeit abzustellen. Deshalb kann auch, anders als von der Europäischen Kommission und dem EuG in der Sache Flughafen Leipzig/Halle angenommen, kein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Bau und Ausbau von Flughafeninfrastruktur und dem Betrieb derselben bestehen.

Kein „Private Investor Test“

Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt keine Beihilfe vor, wenn sich die öffentliche Hand bei der Gewährung eines Vorteils wie ein privater Investor verhalten hat, also ein hypothetischer Privater Investor von vergleichbarer Größe und Lage (d. h. unter den gleichen Marktbedingungen) ebenso gehandelt hätte wie die staatliche Einheit. Denn dann trete der Staat lediglich wie jeder andere Teilnehmer am Wirtschaftsleben auf, der sich den normalen Marktbedingungen entsprechend (wettbewerbskonform) verhält, so dass eine Verzerrung des Wettbewerbs ausgeschlossen wäre. Allerdings darf sich das investierende öffentliche Unternehmen nicht auf bestimmte Vorteile stützen, die ihm sein öffentlicher Status verleiht. Ebenso wenig darf er bei seiner Analyse indirekte positive Auswirkungen berücksichtigen (wie die Entwicklung der regionalen Wirtschaft oder die Schaffung von Arbeitsplätzen), da ein privater Investor solche Kriterien für seine Entscheidung nicht herangezogen hätte, es sei denn, ein staatliches Ausschreibungsverfahren würde die Beachtung dieser Kriterien zulässig vorschreiben.

Der Anwendung des Private Investor Tests liegt also das Paradox zugrunde, dass es den Mitgliedstaaten bzw. der öffentlichen Hand auf diese Weise ermöglicht wird, als Kapitalgeber am Wirtschaftsverkehr teilzunehmen, wenn ein privater Kapitalgeber die betreffende Investition ebenfalls getätigt hätte. Warum erlaubt die Beihilfenaufsicht diese staatliche Intervention gerade dann, wenn nach dem Ergebnis der Analyse auch ein oder mehrere private Kapitalgeber ein Interesse daran gehabt haben müssten, ihr Kapital in dieser Weise zu investieren? Im Fall der staatlichen Investitionen in Flughafeninfrastruktur kommt noch hinzu, dass der Staat ja gerade tätig wird, weil ein privater Investor daran selbst mangels positiver Rentabilitätsaussichten kein Interesse hat. Wären diese Infrastrukturprojekte für private Unternehmen interessant, müsste gerade nicht der Staat zum Zwecke einer effektiven Gewährleistung der Daseinsvorsorge eingreifen. Dieser hat aber eben nicht das Ziel, durch die Investition eine Rendite zu erwirtschaften, sondern verfolgt in erster Linie regional- bzw. wirtschaftspolitische Ziele im allgemeinen Interesse oder will schlicht seine sich aus der Daseinsvorsorge ergebenden Verpflichtungen erfüllen.

Die EU-Kommission – wirtschaftsliberales Beharrungsvermögen oder Besinnung?

Die Schlussfolgerung ist klar: Die derzeitige Praxis der europäischen Beihilfeaufsicht wird bei Flughafeninfrastruktursubventionen weder den tatsächlichen Gegebenheiten noch den klassischen Infrastrukturpflichten der öffentlichen Hand gerecht. Dies sieht man auch daran, dass die Kommission seit Verabschiedung der Leitlinien von 2005 Flughafeninfrastruktursubventionen am Ende eines für beide Seiten aufwändigen Prüfverfahrens regelmäßig genehmigt hat.

Die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission ist derzeit mit der Ausarbeitung neuer Konzepte beschäftigt, um bei der Überarbeitung der Leitlinien von 2005 Regelungen zu etablieren, die einerseits der Problematik der Infrastrukturfinanzierung im Allgemeininteresse gerecht werden und andererseits ermöglichen soll, Wettbewerbsverzerrungen durch Infrastruktursubventionen zu verhindern.

Erst kürzlich wurden die Ergebnisse des im ersten Halbjahr 2011 durchgeführten Konsultationsverfahrens veröffentlicht, die die besagten Kritikpunkte bestätigen. Stellvertretend für viele sei hier nur die Sicht der Hansestadt Lübeck zitiert:

„Der Wettbewerb zwischen Flughäfen hat zugenommen. Dies betrifft jedoch nur den Betrieb, d. h. das Bereitstellen von Flughafeninfrastruktur an die Flughafennutzer (insb. Airlines) sowie außerhalb dieser Kernfunktion angesiedelte Aktivitäten (z. B. Vermietung von Ladenflächen, Businessparks etc.). Von diesen Bereichen zu unterscheiden ist die Errichtung und der Ausbau von Flughafeninfrastruktur. Für diese Tätigkeit existiert weder in Deutschland noch in der EU ein Markt. Mangels Möglichkeit, die (exorbitant hohen) Errichtungskosten über die Flughafengebühren auf die Flughafennutzer umzulegen, gibt es keine privaten Investoren, die den (Aus-)Bau von Flughafeninfrastruktur im Wettbewerb zu anderen Investoren anbieten. Dies gilt insbesondere für Regionalflughäfen. Diese erreichen regelmäßig nicht den Schwellenwert an Verkehrsaufkommen, der eine Vollfinanzierung von Infrastruktur und Unterhalt gestatten würde…“.

Mit konkreten Vorschlägen der Kommission wird wohl erst im nächsten Jahr zu rechnen sein. Es wäre sehr empfehlenswert, wenn sich die staatlichen Stellen zusammenschließen und die Diskussion mit der Kommission intensiv und gemeinsam weiterführen würden.

Für die Flughäfen und die Regionen bzw. Bundesländer bleibt zu hoffen, dass die neuen Regelungen mehr Rechtssicherheit und weniger Hindernisse für notwendige Flughafeninfrastrukturinvestitionen mit sich bringen als die vergangenen Regelungen. Die EU-Kommission sollte sich auf die grundsätzlichen Anforderungen der Daseinsvorsorge und der allgemeinen wirtschaftspolitischen Maßnahme rückbesinnen.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Christian Jung

Share
Weiterlesen

09 Oktober

Ein Meilenstein der Gasnetztransformation: die Festlegung KANU 2.0 der BNetzA

Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die Bundesrepublik Deutschland die Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zum Ziel gesetzt. Damit muss dann auch die erdgasbasierte Wärmeversorgung ihr Ende gefunden haben. Da die bestehende Infrastruktur in den Gasverteilernetzen zukünftig voraussichtlich nur...

07 Oktober

Gasnetztransformation: Festlegung der Fahrpläne

Gasverteilernetzbetreiber können auf Basis der kommunalen Wärmeplanung einen Fahrplan zur Umstellung der Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff abschließen. Die Details legt die Bundesnetzagentur (BNetzA) nach § 71k Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit dem laufenden Festlegungsverfahren „FAUNA“ fest („Fahrpläne für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf...