Wie die europäischen Stromnetzkodizes den europäischen Binnenmarkt zusammenhalten

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Europa wächst zusammen und die europäischen Strommärkte ebenso. Umso wichtiger werden einheitliche Festlegungen, die die Regeln für den Netzanschluss, den Netzbetrieb und den Energiemarkt innerhalb der Europäischen Union harmonisieren. Dafür gibt es die europäischen Netzkodizes und Kommissionsleitlinien – oft unter dem Schlagwort „Netzkodizes“ zusammengefasst. Grenzüberschreitende Unternehmungen unter der Wahrung der Systemstabilität sollen durch diese Netzkodizes erleichtert werden.

Da die Netzkodizes europäische Verordnungen sind, gelten ihre Festlegungen unmittelbar und sind von Behörden sowie Gerichten zu beachten. Inhaltlich zeichnen sich die Netzkodizes durch eine teilweise sehr hohe Detailschärfe und ein breites Regelungsspektrum aus. Einerseits werden technische, operationelle und wirtschaftliche Aspekte detailliert vorgegeben (z.B. Vorgaben zum frequenzabhängigen Lastabwurf von Erzeugungsanlagen).

Andererseits hat der europäische Gesetzgeber zahlreiche Bereiche zur Umsetzung bzw. Ausgestaltung offen gelassen. Hier regeln die Netzkodizes im Wesentlichen Zuständigkeiten, Umsetzungsfristen und Verfahren, in deren Rahmen verschiedene Akteure – oft die Regulierungsbehörden oder die Übertragungsnetzbetreiber – detailliertere Vorgaben erst entwickeln. Die Ausarbeitung erfolgt meist im Wege eines Beteiligungsverfahrens, das heißt die zuständige Stelle erarbeitet einen Regelungsvorschlag und stellt diesen zur öffentlichen Konsultation (www.netztransparenz.de).

Weil die Netzkodizes in operativ-technischer und rechtlicher Hinsicht eine zentrale Bedeutung haben, sollten sich die betroffenen Energieversorger in den Umsetzungsverfahren der Netzkodizes einbringen, um bereits frühzeitig auf praktische Probleme bei der Durchführung der Regelungsvorschläge aufmerksam zu machen.

Aktuell gibt es im Strombereich acht Netzkodizes, darunter die Anschlussbedingungen für Stromerzeuger (Requirements for Generators, RfG) für den Netzanschluss. Im Netzbetrieb sorgen die Leitlinie zum Übertragungsnetzbetrieb (System Operation Guideline, SOGL) sowie der Netzkodex über den Notzustand und den Netzwiederaufbau (Emergency and Restoration, ER) für grenzüberschreitend einheitliche Vorgaben.

Ein prägnantes Beispiel für eine Umsetzungsmaßnahme eines Netzkodex (hier: RfG), welches zugleich deren Tragweite für die Praxis sehr deutlich veranschaulicht, sind die Technischen Anschlussregeln (TAR) des VDE für Erzeugungsanlagen an der Nieder-, Mittel-, Hoch- und Höchstspannung. Diese Regelwerke wurden am 19.10.2018 in das VDE-Vorschriftenwerk aufgenommen und sind grundsätzlich ab dem 27.4.2019 zu beachten.

Ansprechpartner: Dr. Thies Christian Hartmann/Dr. Christian Gemmer

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