BGH entscheidet erneut zur Vorsatzanfechtung im Insolvenzanfechtungsverfahren

Mit der Insolvenzanfechtung können Insolvenzverwalter und Sachwalter die Insolvenzmasse mehren. Besondere Bedeutung hat dabei die sogenannte Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, zu der es zwei neue Urteile vom Bundesgerichtshof (BGH) gibt. Im vergangenen Jahr sorgte der BGH für Aufsehen, als er seine bisherige Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung geändert und die Anforderungen an die subjektiven Merkmale erhöht hat (Urt. v. 6.5.2021, Az. IX ZR 72/20wir berichteten). Erforderlich sei, dass der Schuldner nicht nur seine aktuelle Zahlungsunfähigkeit kennt, sondern zudem weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er auch künftig nicht in der Lage sein wird, seine (übrigen) Gläubiger zu befriedigen. Entsprechendes soll für die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gelten. In zwei neuen Entscheidungen vom 10.2.2022 (Az. IX ZR 148/19) und 24.2.2022 (Az. IX ZR 250/20) befasste sich der BGH abermals mit der Vorsatzanfechtung.

Frage der Darlegungslast

Ausgehend von seiner Entscheidung vom 6.5.2021 bestätigt der BGH, dass die erkannte Zahlungsunfähigkeit nur ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz darstellt. Dies soll aber dann nicht gelten, wenn der Schuldner eine Forderung, welche die Zahlungsunfähigkeit begründet, aus Rechtsgründen für nicht durchsetzbar oder nicht fällig hält und auch im Übrigen der Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zwingend ist.

Hat der Schuldner hingegen seine Zahlungen eingestellt und steht damit fest, dass er zahlungsunfähig ist, soll dies so lange fortwirken, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen, er also den wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten getilgt hat. Die Krux daran: Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH muss allein der Anfechtungsgegner die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen beweisen. Dem Gläubiger wird damit aber meist Unmögliches abverlangt, wenn er nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber kennt und Erkenntnisse über die wirtschaftliche Lage des Schuldners fehlen.

Nunmehr beschränkt der BGH die Anforderungen an den Vortrag des Anfechtungsgegners, der erforderlich ist, um die Fortdauervermutung zu entkräften, und verweist auf die sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters. Eine solche trifft immer den Prozessgegner der an sich darlegungsbelasteten Partei, wenn sie selbst keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während die andere Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Legt der Anfechtungsgegner einen Umstand dar, der eine Wiederaufnahme der Zahlungen als möglich erscheinen lässt, muss künftig der Insolvenzverwalter zum Zahlungsverhalten des Schuldners vortragen, insbesondere zu weiterhin nicht bedienten Verbindlichkeiten. Ein solcher Umstand kann etwa die Erfüllung der Verbindlichkeit sein, deren Nichtbedienung zur Zahlungseinstellung geführt hatte.

Welche Schlüsse sind aus schleppendem Zahlungsverhalten zu ziehen?

Der BGH weist bei der Prüfung der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners auch auf einen weiteren wesentlichen Umstand hin. Zeigt sich ein im Wesentlichen gleichbleibendes, dauerhaft schleppendes Zahlungsverhalten des späteren Schuldners bereits in einem Zeitraum, in dem der Schuldner seine Zahlungen noch nicht eingestellt hatte, könne der Anfechtungsgegner allein aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber regelmäßig nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung schließen.

Unterm Strich erteilt der BGH der sich in der Praxis durchgesetzten Wahrnehmung eine Absage, dass Insolvenzanfechtungen Selbstläufer sind. Eine rechtliche Prüfung derartiger Rückforderungsansprüche dürfte die Chancen der Verteidigung gegen Insolvenzanfechtungen künftig deutlich erhöhen.

Ansprechpartner*innen: Markus Ladenburger/Steffen Lux

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