Der kurzfristige Kapazitätsmarkt Gas: Kommt er oder nicht? Oder doch, aber später?

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Die zweite Phase der Umsetzung des Kapazitätsmanagements im Gasbereich steht an: Zum 1.4.2012 soll der kurzfristige Kapazitätsmarkt mit Leben gefüllt werden (§§ 4 und 5 des Standardkapazitätsvertrages der KARLA Gas). Danach sollen Händler nicht genutzte oder anderweitig vermarktete Kapazitäten an die Fernleitungsnetzbetreiber zurückgeben müssen und die Re-Nominierungsmöglichkeiten beschränkt werden (10 Prozent der gebuchten Kapazität). Die Fernleitungsnetzbetreiber müssen die dadurch frei werdenden Kapazitäten über die Prisma (vormals TRAC-X) gebündelt auf fester Basis „day ahead“ verauktionieren – zum Startpreis von Null Euro! (wir berichteten).

Schon jetzt ist sicher: Der Start wird sehr holprig. Die Betreiber der gemeinsamen Kapazitätsplattform der Fernleitungsnetzbetreiber, TRAC-X, wollten wegen Umsetzungsschwierigkeiten den Starttermin sogar verschieben. Die BNetzA hat dies aber in weiten Teilen abgelehnt. Stattdessen wurde ein fragwürdiger Kompromiss gefunden. Die Leidtragenden sind die Gashändler. Ihnen droht ein Blindflug bei der Kapazitätsbewirtschaftung.

Mittlerweile zeichnet sich folgender Zwischenstand ab: Die Kapazitätsauktionen werden zum 1.4. nicht für alle Einspeisepunkte an den Grenzen bzw. Marktgebietskopplungspunkte greifen. Es gibt hier offenbar an einigen Punkte erhebliche Abwicklungsprobleme, die sich kurzfristig nicht lösen lassen. Die Fernleitungsnetzbetreiber wollen hierzu eine Liste mit denjenigen Ein- und Auspeisepunkten, an denen gebündelte oder zumindest ungebündelte Kapazitäten versteigert werden, und auch Details für die Kapazitätsrückgabe veröffentlichen. Der Zeitdruck hierfür ist mittlerweile enorm, da sich die Händler hierauf einstellen müssen.

Unabhängig von der Umsetzung der kurzfristigen Auktionsverfahren durch die Fernleitungsnetzbetreiber, sollen die händlerseitigen KARLA-Vorgaben in vollem Umfang greifen – und dies, obwohl weder die Prozesse noch die Formate für die Abwicklung der Rückgabe und der Re-Nominierungsbeschränkung bekannt sind. Eine Vorlauf- oder Testphase wird daher kaum möglich sein.

Schuldzuweisungen für dieses Dilemma sind müßig. Wobei anzumerken ist, dass sich ein Teil der Kritik auch gegen die grundsätzlichen Anordnungen der KARLA Gas selbst richtet, die bekanntlich bereits im Februar 2011 veröffentlicht wurde. Jetzt gilt es für alle Beteiligten, einen möglichen Schaden auszuschließen oder zumindest zu minimieren.

Zunächst ist zu beachten, dass bislang mögliche bilaterale Kapazitätsabsprachen zwischen Händlern künftig untersagt sind oder, beispielsweise im Falle der Nutzungsüberlassung, mit Nachteilen bei der Ermittlung des Umfangs der Re-Nominierungsbeschränkung verbunden sind. Vermieden werden kann dies zwar durch die Einrichtung eines Sub-Bilanzierungskontos, nur dürfte dies in der Praxis wenig praktikabel sein.

Auch alternative Vermarktungsmöglichkeiten sind keine Lösung, da die Ausgestaltung der Sekundärplattform der TRAC-X weiterhin unzureichend ist und Verbesserungen derzeit nicht absehbar sind. Händler sollten daher unbedingt die Risiken in ihren Kapazitätsverträgen prüfen und bewerten. Alleine durch die Re-Nominierungsbeschränkung in Höhe von 10 Prozent der gebuchten Kapazität droht ein Unterbrechungs- und damit Haftungsrisiko gegenüber den Lieferkunden. Zudem sollte frühzeitig Kontakt zu den jeweiligen Netzbetreibern aufgenommen werden, um insbesondere die Prozesswege, Vorlaufzeiten und Informationsflüsse zum 1.4. abzuklären.

Gleichzeitig muss eine Strategie gefunden werden, wie man auf den kommenden kurzfristigen Kapazitätsmarkt reagieren soll. Die womöglich kostenlose Day-ahead-Kapazitätsvergabe und die dadurch zwangsläufig weiter ansteigenden langfristigen Kapazitätskontrakte werden den Druck auf die Handels- und Lieferpreise erheblich verschärfen.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Christian Thole

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