Kundendatenschutz am Telefon: VG Berlin schränkt Opt-in-Abfragen ein

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Die Kundenbindung fördern ist immer eine gute Idee – aber nur innerhalb enger datenschutzrechtlicher Grenzen. Energieversorger, die bei belieferten Kunden im Rahmen von Telefongesprächen zur „Kundenzufriedenheit“ fragen, ob der Kunde mit weiteren Anrufen, SMS oder E-Mails zur Unterbreitung potentiell interessanter Angebote einverstanden ist, handeln rechtswidrig – wenn der Kunde nicht vorher eine Einwilligung dazu gegeben hat. Das ist die Konsequenz aus einem neuen Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin, das solche so genannte Opt-In-Abfragen ohne vorherige Einwilligung der Kunden für datenschutzrechtlich unzulässig hält.

In dem vom VG Berlin (Urt. v. 7.5.2014 – VG 1 K 253.12) entschiedenen Fall ging es um einen der größten deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, der regelmäßig telefonische Zufriedenheitsabfragen (so genannte Service-Calls) bei seinen Kunden durchführt. Am Ende einer solchen Zufriedenheitsabfrage wurden die Kunden gefragt, ob sich ein Mitarbeiter zu einem späteren Zeitpunkt telefonisch, per SMS oder E-Mail melden darf, falls es im Hause „wieder besonders schöne“ Medienangebote gibt. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit untersagte dem Verlag diese Praxis, da sie weder auf eine Einwilligung der Betroffenen noch auf eine andere Rechtsgrundlage, insbesondere auch nicht § 28 BDSG, gestützt werden könnten.

Das VG Berlin gab der Behörde Recht. Bei den privaten Telefonnummern, die der Verlag beim Abschluss der Abonnementverträge erhebt, handele es sich um personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG. Der Verlag habe diese Daten auch im Sinne des § 3 Abs. 5 BDSG genutzt. Das „Nutzen“ sei als weiter Auffangtatbestand zu verstehen, der immer dann greift, wenn die Verwendung der Daten keiner der Phasen der Verarbeitung zugewiesen werden kann. Erfasst werde jeder „zweckbestimmte Gebrauch“ der Daten. Bei Anlegung dieser Maßstäbe würden die Telefonnummern (auch) für die Abfrage des Opt-In genutzt. Die Telefonnummern würden vorliegend in zweifacher Weise genutzt, zum einen für die Abfrage der Kundenzufriedenheit und zum anderen für die Einholung der Einwilligung in Werbung.

Diese Nutzung, so das VG Berlin, sei unzulässig, da der Angerufene nicht in sie eingewilligt habe. Sie sei auch nicht gesetzlich erlaubt. Die einzig in Betracht kommende Erlaubnisnorm, § 28 BDSG, enthalte keinen Tatbestand, der die Nutzung der Telefonnummern für die Durchführung der Opt-In-Abfrage rechtfertige (auch nicht über das so genannte „Listenprivileg“, weil das keine Telefonnumern umfasst).

Eine weitere Rechtfertigungsmöglichkeit für die Opt-In-Abfragen sei nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 28 Abs. 3 BDSG enthalte eine Sonderregelung für die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung. Insoweit sei sie lex specialis und abschließend.

In der Konsequenz wird Telefonwerbung und die telefonische Kundenansprache generell schwieriger: Der Kunde muss schon bei Abschluss eines Vertrages eine Einwilligungserklärung für Telefonwerbung abgegeben haben, wenn er im Nachgang telefonisch – auch zu anderen Angeboten – angesprochen werden soll. Die richtige Vertragsgestaltung bekommt also eine noch höhere Bedeutung.

Unklar bleibt, weshalb das Gericht die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Nutzung der Telefonnummern auf der Grundlage des so genannten Listenprivilegs ohne weitere Prüfung ablehnt. Richtig ist zwar, dass sich die Daten, die hiernach – auch ohne Einwilligung – listenmäßig oder sonst zusammengefasst werden dürfen, grundsätzlich auf die sieben genannten Fallgruppen beschränken. Nach § 28 Abs. 3 Satz 3 BDSG darf die verantwortliche Stelle diesen Daten für Zwecke der Eigenwerbung jedoch weitere Daten hinzuspeichern. Hierunter fällt beispielsweise auch die im Rahmen des Vertragsschlusses (rechtmäßig) erhobene Telefonnummer. Rein datenschutzrechtlich kann eine Opt-In-Abfrage vor diesem Hintergrund rechtskonform sein, wenn im Einzelfall keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwiegen.

Allerdings unterliegen Werbemaßnahmen– neben den datenschutzrechtlichen Vorgaben – auch lauterkeitsrechtlichen Beschränkungen.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG gilt es als (abmahnfähige) unzumutbare Belästigung, wenn ein Anbieter einen Kunden anruft, ohne dass dieser vorher zumindest mutmaßlich zugestimmt hat – bei Verbrauchern ist sogar eine ausdrücklich Einwilligung erforderlich. Opt-In-Abfragen dürften auch hiervon erfasst sein, so dass eine vorherige Einwilligung des (potentiellen) Kunden jedenfalls (auch) aus lauterkeitsrechtlicher Sicht erforderlich ist.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Alexander Bartsch

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