Der Entwurf der Zuteilungsverordnung 2020 ist da (Teil 2)

Das Bundesumweltministerium (BMU) trifft Vorbereitungen für die dritte Handelsperiode und hat den Entwurf der Zuteilungsregeln (die Zuteilungsverordnung 2020, ZuV 2020) versandt. Die Stellungnahmefrist für die Länder und Verbände endet am 13. bzw. 18.7.2011.

Wir stellen dar, was die ZuV 2020 für Anlagenbetreiber bedeutet. Teil 2: Kürzungen der Zuteilung, Verfahrensfragen und Befreiung von Kleinemittenten.

Nicht nur die sechs Zuteilungsmethoden mit ihren unterschiedlichen Zuteilungsadressaten machen die Zuteilung zu einem komplizierten Geschäft. Zusätzlich werden die Zuteilungen gekürzt. Dabei gelten aber nicht für alle dieselben Regeln. Hier sind schon jetzt Abgrenzungsfragen absehbar. Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht sehen Anlagenbetreiber den Entwurf mit Sorge. Es wird nicht nur viel abgefragt. Wer Fehler macht, muss mit Bußgeldern rechnen, und auch Verifizierer werden künftig noch mehr in die Pflicht genommen als bisher.

Kürzungen der Zuteilung

Auch im Hinblick auf die vorgesehenen Kürzungen der Zuteilung hält der Entwurf naturgemäß an den EU-Vorgaben fest. In einem ersten Schritt wird die Zuteilung bei allen Anlagen von 80 % im Jahr 2013 auf 30 % im Jahr 2020 gekürzt, mit einer Ausnahme: Der abwanderungsbedrohte Sektor erhält weiterhin eine kostenlose Zuteilung zu 100 % (§ 9 Abs. 2 ZuV 2020-E, hierzu sogleich). In einem zweiten Schritt ist zwischen Industrieanlagen und Stromerzeugern zu unterscheiden: Während die Zuteilung bei Industrieanlagen weiter um einen von der Kommission noch festzusetzenden sektorübergeifenden Korrekturfaktor, einer „Neuauflage“ der anteiligen Kürzung, verringert wird, wird die Zuteilung für die Wärmeerzeugung bei Stromerzeugern jährlich zusätzlich um den linearen Faktor von 1,74 % gekürzt (§ 9 Abs. 6 ZuV 2020-E).

Ausnahme: Carbon Leakage wird nicht degressiv gekürzt

Die Zuteilung für Anlagen der verlagerungsbedrohten Industrie (Zement, Papier …vgl. die sog. Leakage-Liste v. 24.12.2009) und Wärmelieferungen an Anlagen, die diesen Branchen zugeordnet werden, wird von der degressiven Kürzung (nicht aber von dem sektorübergeifenden Korrekturfaktor!) ausgenommen (§ 9 Abs. 2 ZuV 2020-E). In Zusammenhang mit der Zuordnung von Anlagen bzw. „Zuteilungselementen“ zu diesen Branchen bleiben allerdings wie bisher noch viele Fragen offen. Wie ist etwa mit betriebsnotwendigen Nebenanlagen zur Produktion umzugehen? Hier hat das BMU leider nicht alle in der Praxis relevanten Probleme gelöst. Unschärfen und Meinungsverschiedenheiten sind in diesem Punkt vorprogrammiert.

Auch in einem weiteren Punkt wirft die Regelung Fragen auf. 2015 soll die Liste der abwanderungsbedrohten Branchen überprüft werden. Kommt es dabei zu Änderungen, soll der Zuteilungsbescheid nach § 9 Abs. 2 Satz 3 ZuV 2020-E widerrufen und angepasst werden. Ob dies auch für Fälle gilt, in denen Anlagen neu als abwanderungsbedroht eingestuft werden, die Zuteilung also nach oben angepasst werden müsste, geht aus dem Entwurf noch nicht ganz eindeutig hervor. Zwar lässt die amtliche Begründung vermuten, dass es auch eine Anpassung nach oben geben soll, dies sollte sich aber auch in der ZuV 2020 selbst niederschlagen.

Wer ist eigentlich Stromversorger?

Hinsichtlich der Frage, wer Stromerzeuger und wer Industrieanlage ist, hält sich die ZuV 2020 ebenfalls exakt an die Vorgaben der EU. Im Einklang mit der Emissionshandelsrichtlinie ist ein „Stromerzeuger“ eine Anlage, die nach dem 31.12.2004 Strom erzeugt und an Dritte verkauft hat und in der ausschließlich Tätigkeiten gemäß Anhang 1 Nummer 1 bis 4 des Treibhausgasemissionshandelsgesetzes (TEHG) durchgeführt werden (§ 2 Nr. 21 ZuV 2020-E). Das bedeutet: Stromerzeuger ist keinesfalls jeder, der elektrische Energie herstellt. Wer Strom nicht an Dritte verkauft, sondern ihn selbst verbraucht hat, zählt nicht zum Stromsektor. Zu der Frage, wie mit der Eigenerzeugung umzugehen ist, schweigt die ZuV 2020-E allerdings. Hier besteht noch Diskussionsbedarf.

Was wollen die mit all den Daten?

Im Hinblick auf die Datenerhebung geht die ZuV 2020-E in vielen Punkten über die EU-Regeln hinaus. Schon Guidance Nr. 3 verlangt von den Anlagenbetreibern die Mitteilung umfangreicher Daten, deren Sammlung viele Betreiber vor hohe Herausforderungen stellt. Schließlich sind sie wegen der besonderen Ausgestaltung der Zuteilung vielfach auch auf die Mitwirkung anderer Anlagenbetreiber und Unternehmen angewiesen. Das BMU gibt sich mit diesen Daten nun überraschenderweise nicht zufrieden. Zusätzlich sollen etwa die Energiebilanzen bei KWK-Anlagen und ein vierfacher Nachweis der Carbon-Leakage-Gefährdung mitgeteilt werden (§ 5, § 6 Abs. 6 ZuV 2020-E). Gerade im Hinblick auf die äußerst knappen Antragsfristen ist diese Erweiterung der Datenmitteilungspflichten schwierig.

Achtung – Bußgeld bei falschen Daten!

Wer bei der Datenmitteilung einen Fehler macht, muss künftig nicht nur Nachteile bei der Zuteilung befürchten. § 31 Abs. 1 ZuV 2020-E ordnet nämlich an, dass es künftig eine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn Angaben im Zuteilungsantrag nicht zutreffen. Dies soll nicht nur bei bewussten Betrugsversuchen gelten. Vielmehr soll auch derjenige, der versehentlich eine falsche Angabe macht, bis zu € 50.000 Bußgeld zahlen. Kombiniert mit den nun oft völlig neuen Begrifflichkeiten und den bisweilen unscharfen Umschreibungen, welche Daten hier eigentlich gefragt sind, lebt mancher Anlagenbetreiber künftig gefährlich. Hier ist (wie schon bei der Abfassung des TEHG, vgl. unser blog vom 8.6.2011) zu hoffen, dass die Vorschrift im weiteren Verfahren noch auf bewusst oder zumindest grob leichtfertig falsche Angaben beschränkt wird.

Erweiterte Pflichten der Verifizierer

Auch für Verifizierer steigen die Anforderungen weiter. Während bisher nur ein Bericht über die Prüfung erstellt werden musste, ist nach Anhang 2 der ZuV 2020-E nunmehr ein interner und ein externer Bericht zu erstellen. Im internen Bericht soll dokumentiert und nachgewiesen werden, dass die strategische Analyse, die Risikoanalyse und der Prüfplan vollständig durchgeführt und umgesetzt wurden. Prüfmethode, Feststellungen und Prüfgutachten sollen dann im externen Bericht zusammen mit dem Zuteilungsantrag übermittelt werden. Warum hier zweigleisig gefahren wird, bleibt offen. Es ist zu hoffen, dass auf diese aufwändige doppelte Berichtsführung letztlich verzichtet wird.

Für den Verifizierer persönlich bedeutsam: Er soll in Zukunft an Eides Statt versichern, dass er bei der Entwicklung der Erhebungsmethodik nicht mitgewirkt hat (§ 7 Abs. 3 ZuV 2020-E). Bisher musste der Sachverständige nur an Eides Statt versichern, nicht an dem Zuteilungsantrag mitgewirkt zu haben. Dies begründet einen pauschalen Verdacht gegen die Sachverständigen und grenzt ihre Handlungsmöglichkeiten weiter ein. Dies erscheint wenig praxisgerecht. Es wäre besser, es bliebe bei den aktuellen Regelungen, die sich bereits in der Vergangenheit bewährt haben.

Aufklärungs- und Hinweispflichten der Behörde

Im TEHG soll erfreulicherweise künftig stehen, dass die verfahrensrechtlichen Grundsätze des Verwaltungsrechts gelten. Dies umfasst die Beratung und Unterstützung im Umgang mit den Antragsunterlagen. Der Entwurf der ZuV 2020 hebt dies aber nur für Betreiber von Neuanlagen hervor (§ 16 Abs. 5 ZuV 2020-E). Eine Klarstellung, dass dies auch für Bestandsanlagen gilt, wäre gerade angesichts der knappen Antragsfrist von nur drei Monaten wünschenswert, findet sich aber bisher nicht im Entwurf.

Regelungen für Kleinemittenten

Zu guter Letzt: Die Regelungen für die Befreiung von Kleinemittenten, welche in den Grundzügen bereits im TEHG enthalten sind, wurden in einigen Punkten durch die ZuV 2020 konkretisiert. Insbesondere zu der Frage, wie der Emissionswert der Anlage zu bestimmen ist, gibt nun der Entwurf der ZuV 2020 Aufschluss (§ 24 ZuV 2020-E).

Ob Kleinemittenten den Schritt zum (teilweisen) Ausstieg tatsächlich wagen sollten, bleibt allerdings weiterhin zweifelhaft. Neben der Erbringung gleichwertiger Maßnahmen (§§ 25 f. ZuV 2020-E) machen vor allem die umfangreichen Berichtspflichten (§ 23 ZuV 2020-E) den Ausstieg wenig schmackhaft. Wünschenswert wäre daher, die Regelungen auch hier noch einmal pragmatisch zu überarbeiten.

Wie geht es weiter?

Festzuhalten bleibt: Es hängt derzeit vom Bundesrat ab, wie schnell die ZuV 2020 in Kraft tritt, denn dieses hängt am Inkrafttreten des TEHG. Am BMU liegt es jedenfalls nicht, wenn die ZuV 2020 nicht so schnell kommt wie erhofft. Hier verfolgt man einen ehrgeizigen Zeitplan: Schon am 13.7.2011 werden – trotz Ferienzeit – Verbände und Länder angehört. Nur bis zum 18.7.2011 haben die Verbände (und damit auch ihre Mitglieder) die Chance, in der laufenden Verbändeanhörung ihre Kritikpunkte und Änderungsvorschläge vorzubringen. Sobald der Bundestag nach der Sommerpause wieder zusammentritt, soll – sofern das TEHG bis dahin in Kraft ist, vgl. unser blog vom 22.6.2011 – die ZuV 2020 beschlossen werden. Sechs Wochen nach seinem Beschluss von Änderungswünschen hat sich der Bundestag ausbedungen, um überprüfen zu können, ob das BMU diese auch umsetzt. Erst dann kann der Startschuss für das Zuteilungsverfahren fallen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

PS: Sie möchten mehr über den Emissionshandel lesen? Dann schauen Sie doch einmal hier.

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