Das Preisanpassungsrecht der Deutschen Grundversorgungsverordnungen auf dem Prüfstand: Ein kühler Hauch aus Luxemburg

(c) BBH
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft derzeit, ob das Preisanpassungsrecht der Deutschen Grundversorgungsverordnungen nach § 5 Strom-/GasGVV mit dem Europarecht vereinbar ist (Az. C-359/11, C-400/11) (wir berichteten). In diesen Verfahren hat der Generalanwalt gestern seine mit Spannung erwarteten Schlussanträge gestellt.

Diese dienen dem Gerichtshof als Entscheidungsvorschlag. Erfahrungsgemäß richtet sich der EuGH in seiner verbindlichen Entscheidung sehr häufig – man spricht von rund 70 Prozent – nach diesen Schlussanträgen. Im aktuellen Fall betont der Generalanwalt allerdings, dass die Beurteilung der Vereinbarkeit von § 5 Strom-/GasGVV mit dem Unionsrecht viele noch ungeklärte Rechtsfragen berührt. Hier ist daher eher offen, inwieweit der EuGH den Anträgen des Generalanwalts folgen wird und welchen Spielraum er dem BGH bei der Umsetzung seiner danach erfolgenden Entscheidung in nationales Recht lassen wird.

Kernaussage des Generalanwalts: § 5 Strom-/GasGVV ist unwirksam – aber nur für die Zukunft?

Zwar setzt sich der Generalanwalt ausführlich mit den zahlreichen Unterschieden zwischen dem Sonderkundenbereich und der Grundversorgung auseinander, und seine Auslegung der europäischen Vorgaben fällt überraschend versorgerfreundlich aus. Dennoch haben sich die in der Vergangenheit geäußerten Befürchtungen bestätigt: Auch der Generalanwalt hält die Preisanpassungsregelung in § 5 Strom-/GasGVV für nicht mit den europäischen Richtlinien für den Elektrizitäts- und Gasbinnenmarkt für vereinbar und somit für unwirksam!

Der Grund: Die betreffenden Regelungen verpflichten den Grundversorger nicht, Kunden über Voraussetzungen, Anlass und Umfang einer etwaigen Preisanpassung zu informieren. Zwar müssen diese Einzelheiten nach Ansicht des Generalanwalts für den grundversorgten Kunden nicht schon bei Vertragsschluss erkennbar sein (wie es bei Sonderverträgen der Fall ist). Stattdessen soll es genügen, die Grundversorger zu verpflichten, „dem Kunden Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung spätestens dann offenzulegen, wenn dem Kunden die Änderung mitgeteilt wird“. Auch diese – leichter umsetzbare – Anforderung wird von § 5 Strom-/GasGVV derzeit allerdings nicht klar geregelt.

Positiv ist lediglich, dass die Schlussanträge dem EuGH empfehlen, die Wirkungen seines Urteils auf die Zeit nach der Verkündung zu beschränken. Damit wären Preisanpassungen in der Grundversorgung in der Vergangenheit voraussichtlich nicht (mit dem Argument der Europarechtswidrigkeit) angreifbar.

Die Aussagen des Generalanwalts lassen sich zudem so verstehen, dass der Kunde im Rahmen der Preisanpassung auch über sein Sonderkündigungsrecht informiert werden muss (vgl. das Urteil des OLG Düsseldorf vom 31.7.2012), was bis jetzt von der Strom-/GasGVV ebenfalls nicht ausdrücklich gefordert wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist gänzlich offen, ob und wie der EuGH sich im Rahmen der betroffenen Verfahren zu dieser Frage äußern wird.

Umsetzung durch EuGH und BGH bleibt abzuwarten

Mit seinen Aussagen hat der Generalanwalt dem EuGH – und somit letztlich auch dem BGH – eine Möglichkeit aufgezeigt, die grundsätzlich negativen Auswirkungen für die Grundversorgung zumindest zeitlich zu beschränken. Entscheidend ist nun, wie der EuGH die Empfehlungen des Generalanwalts aufgreift und wie der BGH die Vorgaben des EuGH auf nationaler Ebene umsetzt.

Es zeichnet aber sich bereits jetzt ab, dass im Bereich der Grundversorgung die Frage, ob und wie man die Preise nachträglich anpassen kann, erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Der Gesetzgeber wird das Preisanpassungsrecht in der Strom-/GasGVV um entsprechende Informationspflichten ergänzen müssen, um die europäischen Vorgaben umzusetzen – und das möglichst bald. Auch wenn es für konkrete Handlungsempfehlung jetzt noch zu früh ist, sollten die Grundversorger ihre Kunden ab sofort in einer transparente, umfassende und verständliche Darstellung über die anstehenden Preisänderungen informieren, nebst Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht des Kunden.

Soweit ersichtlich, ändert sich nichts im Hinblick auf die Frage, wann eine einseitige Preisanpassung des Grundversorgers ihrem Umfang nach zulässig ist. Insoweit bleibt es bei den bekannten Kriterien „billiger“ Ermessensentscheidungen nach § 315 BGB, welche der BGH bereits mehrfach konkretisiert hat. Dies ist besonders wichtig, weil in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Frage gestritten wird, ob Preisanpassungen in der Grundversorgung wirksam sind. Die Parteien und die Gerichte warten derzeit auf klare Erkenntnisse aus Brüssel und Karlsruhe. Wenn der EuGH tatsächlich eine mögliche Unwirksamkeit des § 5 Strom-/GasGVV nur für die Zukunft ausspricht, kommen Unternehmen, die wegen angeblich unwirksamer Preiserhöhungen vor Gericht gezogen wurden, mit einem blauen Auge davon. Hier heißt es nun weiter warten und auf maßvolle Entscheidungen hoffen.

Ansprech­part­ner Grund­ver­sor­gung: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis

Ansprech­part­ner Preis­höhe: Stefan Wollschläger

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