Die Bürgerenergiegesellschaft – ein überraschendes Erfolgsmodell

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Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Zuschläge für die erste Ausschreibung für Windenergie an Land erteilt. Bekommen haben sie insgesamt 70 Gebote mit einem Gebotsumfang von 807 Megawatt (MW). 256 Gebote mit einem Volumen von insgesamt 2.137 MW wurden eingereicht, die Ausschreibung also deutlich überzeichnet. Dabei haben Bürgerenergiegesellschaften die Energieversorger weit hinter sich gelassen. Von den 70 Geboten, die den Zuschlag bekommen haben, gingen nach Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) 65 an die Bürgerenergiegesellschaften. Die Politik wertet dies als Erfolg der Bürgerenergie und als ein gutes Zeichen für die Energiewende. Die Akzeptanz für die Erneuerbaren Energien vor Ort werde dadurch gestärkt. Seit dem 7.6.2017 läuft bereits die zweite Ausschreibung für den nächsten Gebotstermin am 1.8.2017 über 1.000 MW.

Bürgerenergiegesellschaft (tatsächlich) sein und bleiben…

Die Freude der Politik über den Erfolg der Bürgerenergiegesellschaften könnte sich aber als verfrüht erweisen, wenn sich bei der Nachprüfung durch die BNetzA ergibt, dass einige Bürgerenergiegesellschaften beispielsweise gar nicht erst unter den vereinfachten Voraussetzungen ein Angebot hätten abgeben dürfen oder wenn zwar die Voraussetzungen für eine Bürgerenergiegesellschaft bei Abgabe vorlagen, aber später weggefallen sind.

Der Anreiz, mit einer Bürgerenergiegesellschaft im Ausschreibungsverfahren an den Start zu gehen, ist groß. So kann sie zum Beispiel Projekte anbieten, die noch gar keine BImSchG-Genehmigung haben. Allein diese Erleichterung haben 95 Prozent der Bürgerenergiegesellschaften für sich genutzt. Außerdem haben sie viel länger Zeit, die Windenergieanlagen auch tatsächlich aufzustellen. Schließlich entspricht der Zuschlagswert für Bürgerenergiegesellschaften grundsätzlich dem höchsten noch bezuschlagten Gebotswert, auch wenn ihr eigener Gebotswert – wie regelmäßig – darunter liegt. Bei allen anderen Bietern liegt der Zuschlagswert bei ihrem eigenen Gebotswert.

Die Bürgerenergiegesellschaft kann diese Sonderregelungen des § 36g EEG 2017 bei der Ausschreibung aber nur nutzen, wenn sie die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 15 EEG 2017 erfüllt. Diese müssen die Bürgerenergiegesellschaften allerdings nur in Form von Eigenerklärungen dreimal nachweisen: Die erste Eigenerklärung muss bei der Gebotsabgabe (§ 36g Abs. 1 Nr. 3 EEG 2017), die zweite bei Abgabe des Antrags auf Zuordnung (§ 36 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 EEG 2017) und die dritte spätestens zwei Monate nach Ende des zweiten, auf die Inbetriebnahme der Anlage folgenden Jahres (§ 36 Abs. 5 Satz 5 EEG 2017) abgegeben werden. Die BNetzA kann – muss aber nicht – geeignete Nachweise verlangen. Damit soll sichergestellt sein, dass die BNetzA das Vorliegen der Voraussetzungen der Bürgerenergiegesellschaft auch tatsächlich prüfen kann. Allerdings wird damit, wenn überhaupt, immer erst nach dem Zuschlag geprüft.

Es gibt keine Möglichkeit für die Bürgerenergiegesellschaften, ihre gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen und insbesondere den Gesellschaftsvertrag bei der BNetzA vorab verbindlich prüfen zu lassen, ob sie mit den gesetzlichen Anforderungen übereinstimmen. Ein Positionspapier oder Stellungnahmen der BNetzA zu rechtlichen Konstruktionen gibt es nicht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass verborgene Rechtsmängel der einen oder anderen Bürgerenergiegesellschaft noch den Wind aus den Segeln nehmen werden.

Windjammer: Die Rücknahme des Zuschlages

Werden die Voraussetzungen für die Bürgerenergiegesellschaft nicht mehr erfüllt, droht als wirtschaftliche Sanktion, dass der anzulegende Wert doch nur der eigene Gebotswert ist, nicht aber der (höhere) gerade noch bezuschlagte Gebotswert eines anderen Bieters. Fehlen aber die Voraussetzungen von Beginn an, droht gar eine Rücknahme des rechtswidrigen Zuschlags (§ 48 VwVfG). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gebot – wie an sich ausreichend – ohne BImSchG-Genehmigung abgegeben wurde. Da dann die dann einzuhaltenden allgemeinen Voraussetzungen nicht greifen, kann die BNetzA den Gebotszuschlag ggf. zurücknehmen. Ob sie das tut, liegt dabei im Ermessen der Behörde. Sie hat dabei unter anderem auch zu berücksichtigen, wie schutzwürdig das Vertrauen des begünstigten Bieters in den Bestand des Zuschlages erscheint und auf der anderen Seite abzuwägen, wie hoch das Allgemeininteresse an einer Aufhebung der rechtswidrigen Begünstigung ist. Es wird interessant sein zu beobachten, wie die BNetzA dieses Ermessen im Einzelfall ausüben wird.

Damit das Vertrauen in den Bestand des Zuschlags schutzwürdig ist, wird man im Streitfalle belegen müssen, dass die Eigenerklärung(en) nicht schuldhaft fehlerhaft war. Bürgerenergiegesellschaften sollten daher dokumentieren, wie sie für sich sichergestellt haben, dass sie die Voraussetzungen tatsächlich einhalten (z.B. Prüfung der Angaben der Gesellschafter). So können sie dann in bestimmten Konstellationen ggf. darlegen, dass mögliche fehlerhafte Angaben nicht vermeidbar waren. Dies könnte helfen, eine Rücknahme des Zuschlages zu vermeiden (vgl. Regelbeispiel aus § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG). Daneben sollten Bürgerenergiegesellschaften im Gesellschaftsvertrag Regelungen aufnehmen, die Falschangaben ihrer Gesellschafter effektiv sanktionieren (z.B. Verpflichtung zur Anteilsabtretung).

Es bleibt aufgrund der geschilderten Unsicherheiten spannend, wie viele der Projekte, die nun einen Zuschlag als Bürgerenergieprojekte erhalten haben, tatsächlich als solche realisiert werden. Hoffentlich wird das Vertrauen der Politik in den Erfolg der Bürgerenergiegesellschaft nicht enttäuscht.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Wolfram von Blumenthal/Dr. Philipp Bacher/Dr. Wieland Lehnert

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