EuGH lässt EEG 2012 von der Beihilfe-Angel
Der EuGH hat entschieden: Das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG 2012) ist keine Beihilfe. Damit widerspricht der Gerichthof nicht nur der EU-Kommission (wir berichteten), sondern auch dem Europäischen Gericht (EuG) erster Instanz (Rs. T‑47/15, wir berichteten). Dessen Urteil hat der EuGH jetzt in zweiter Instanz kassiert (Rs. C-405/16 P) und damit den Streit um das EEG 2012 beendet.
Was bisher geschah
Die Vorgeschichte des heutigen Urteils führt bis zum Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) aus dem Jahr 1990 zurück. Dieses Gesetz verpflichtete Elektrizitätsversorger dazu, Strom aus erneuerbaren Quellen zu Mindestpreisen abzunehmen, die über dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Stroms lagen. In seinem Urteil „PreussenElektra“ stellte der EuGH 2001 fest, dass dieses System keine Beihilfe im Sinne des Unionsrechts darstellte. Denn dafür wäre die Voraussetzung, dass der Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt wird. Die Aufteilung einer finanziellen Belastung zwischen privaten Unternehmen, wie sie im StrEG geregelt war, stellte aber keine unmittelbare oder mittelbare Übertragung staatlicher Mittel dar.
Das deutsche Fördersystem des EEG 2012 für regenerative Energien, der „Nachfolgerin“ des StrEG, war auf die Aussagen dieses Urteils gestützt. Als die Europäische Kommission trotzdem im Dezember 2013 den Verdacht äußerte, bei dem Förder- und Ausgleichsmechanismus des EEG 2012 könne es sich um eine staatliche Beihilfe handeln, und ein Prüfverfahren eröffnete, löste dies eine Schockwelle in der deutschen Energiewirtschaft und weiten Teilen der deutschen Industrie aus.
Bundesregierung und Kommission stritten lange darüber, ob und wie weit das deutsche EEG-Modell fortgesetzt werden kann. Das Ergebnis war, dass der deutsche Gesetzgeber den Förder- und Ausgleichsmechanismus durch das EEG 2014 (wir berichteten) überarbeitete, um den Anforderungen der Kommission gerecht zu werden und einen unmittelbaren radikalen Systembruch abzuwenden.
Trotz der Zwischenlösung über das EEG 2014 pochte die Bundesregierung darauf, einige zentrale Grundsatzfragen zu klären: Handelt es sich bei dem deutschen Fördersystem des EEG nun tatsächlich um eine staatliche Beihilfe? Und muss sich der deutsche Gesetzgeber bei dessen Ausgestaltung deshalb überhaupt an die beihilferechtlichen Vorgaben der Kommission halten? Die Bundesregierung verneinte diese Fragen stets und klagte gegen vor dem EuG auf Nichtigkeit der Abschlussentscheidung der Kommission. Dieses bestätigte am 10.05.2016 die Sichtweise der Kommission: Sowohl die Förderung der Betreiber regenerativer Erzeugungsanlagen als auch die Teilbefreiungen der Industrie seien als staatliche Beihilfe einzuordnen.
Nach Ansicht des EuG wird die Förderung auch aus staatlichen Mitteln gewährt. Die Gelder aus der EEG-Umlage bleiben unter dem beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand und seien mit einer Abgabe vergleichbar. Die Übertragungsnetzbetreiber fungierten bei der Abwicklung des Belastungsausgleichs nur als Verwalter staatlicher Mittel. Diese detaillierten Vorgaben zur Abwicklung der EEG-Umlage unterscheide das EEG 2012 im Wesentlichen von Vorgängergesetzen wie das StrEG, bei dem die verwendeten Mittel (noch) nicht derart unter staatlicher Kontrolle standen.
Was hat der EuGH entschieden?
Die Bundesregierung legte gegen die Entscheidung des EuG Rechtsmittel vor dem Europäischen Gerichtshof ein, um die ausstehenden Grundsatzfragen endgültig klären zu lassen. Dieser verwirft die Ansicht der EU-Kommission und des EuG und teilt die Auffassung der Bundesregierung: das EEG ist keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV.
Dabei stützt sich der EuGH auf die Argumentation, die bereits dem PreussenElektra-Urteil zum StrEG zugrunde lag: die Förderung der EEG-Anlagenbetreiber sei nicht aus staatlichen Mitteln finanziert, sondern über ein privatwirtschaftliches Umlagesystem, das von den Letztverbrauchern finanziert wird.
Eine Maßnahme sei nur dann dem Staat zuzurechnen, wenn angenommen werden könne, dass die öffentlichen Stellen an ihrem Erlass beteiligt waren. Die Förderung nach dem EEG erfolge zwar auf einer gesetzlichen Grundlage. Dem Staat komme jedoch keine ausführende Funktion im Zuge der Abwicklung der EEG-Umlage zu.
Das Urteil enthält im Weiteren folgende Kernaussagen:
- Der Beschluss der Kommission über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens gegen das EEG 2012 ist nichtig.
- Die EEG-Umlage kann nicht mit einer staatlichen Abgabe gleichgestellt werden, da die Versorger nicht dazu verpflichtet sind, die aufgrund der EEG-Umlage gezahlten Beträge auf die von ihnen belieferten Letztverbraucher abzuwälzen. Dass sie dies in der Praxis tatsächlich tun, ist unerheblich.
- Auch die Verwendung der EEG-Umlage zur Finanzierung der Förder- und Ausgleichsregelung macht sie nicht zu staatlichen Mitteln, da der Staat nicht über die Gelder verfügen kann und auch keine andere Verwendung beschließen kann. Der Staat kontrolliert zwar den Vollzug des EEG, nicht jedoch die erwirtschafteten Gelder.
- Aus demselben Grund stellen die Vorteile, die im Rahmen des EEG gewährt werden, wie etwa die Teilbefreiung der Industrie von der Zahlung der EEG-Umlage im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung, ebenfalls keine Beihilfen dar, weil keine staatlichen Mittel zum Einsatz kommen.
Wie geht es weiter?
Kurzfristig dürfte die Entscheidung sich in erster Linie auf laufende Verfahren zur Prüfung der beihilferechtlichen Zulässigkeit von Förderregelungen auswirken. Das gilt insbesondere für die Verfahren zur Teilbefreiung der Industrie von der Zahlung der EEG-Umlage. Ansonsten sind keine unmittelbaren radikalen Systemumbrüche zu erwarten, da das derzeit geltende Fördersystem des EEG jedenfalls von der Kommission genehmigt wurde.
Allerdings wirkt sich das Urteil des EuGH entscheidend auf die künftige Freiheit der Mitgliedstaaten aus, wie sie die Förderung Erneuerbarer Energien in den Mitgliedstaaten gestalten. Solange das EEG als Beihilfe eingestuft wurde, bedurfte jede Änderung und Anpassung der Förderung der Genehmigung durch die EU-Kommission. Das Notifizierungsverfahren erschwerte mitunter den Gesetzgebungsprozess, wodurch sich notwendige Novellierungen verzögerten und Investitionen gehemmt wurden, die dringend zur Erreichung der Klimaziele benötigt werden. Fällt all dies künftig weg, dann hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, flexibler und schneller auf die Dynamiken des Energiemarkts zu reagieren.
Das Urteil wird auch über den Umgang mit der EEG-Förderung und der Besonderen Ausgleichsregelung hinaus hohe Wellen schlagen. So stellt sich etwa die Frage, wie weitere Umlagesysteme zur Förderung bestimmter Technologien und Branchen, wie etwa die Förderung von Strom nach dem KWKG, beihilferechtlich einzuordnen sind. Ferner steht die Überarbeitung der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 an – der Maßstab, an dem die EU-Kommission die Zulässigkeit von Beihilfen misst.
Künftig können Mitgliedsstaaten mit Systemen, die im Einklang mit den Prinzipien des EEG 2012 stehen und damit ebenfalls nicht beihilfeerheblich sind, ihre Systeme freier gestalten und sind grundsätzlich nicht an die Leitlinien gebunden. Auch die Fragen der Ausschreibungen und der von der Kommission vorgeschriebenen Regel des Vorrangs technologie-neutraler Ausschreibungen betreffen den Kernbereich beihilfefreier Systeme nicht mehr. Ob Deutschland und andere Mitgliedstaaten dennoch Ausschreibungssysteme beibehalten, steht auf einem anderen Blatt. So können systemrelevante Anforderungen an den Ausbau wieder im Vordergrund stehen und nicht der Rahmen der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission.
Zugleich wirft die Entscheidung erneut Fragen auf, die nach dem Urteil des EuG zunächst als geklärt galten: unter welchen Voraussetzungen ist der Anwendungsbereich des Beihilferechts eröffnet? Wie weit darf sich die Kommission unter dem beihilferechtlichen Blickwinkel bei der Förderung regenerativer Energien in die nationale Umsetzung einbringen?
Um diese Fragen zu beantworten, gilt es die Kernaussagen des Urteils im Kontext der weiteren Rechtsprechung zum Beihilfebegriff sorgfältig zu analysieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den weiteren Urteilen Essent (C-206/06) vom 17.7.2008 und Vent de Colère (C-262/12) vom 19.12.2013, aus denen sich zuletzt eine weite Auslegung des Beihilfebegriffs ergab. Auch das Urteil Ålands Vindkraft (C-573/12) vom 1.7.2014 ist zu bedenken, in dem sich der EuGH zur Warenverkehrsfreiheit äußert und den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der Förderung erneuerbarer Energien zugesteht, solange kein vollharmonisierte Energiebinnenmarkt existiert. Ferner wird es wichtig werden, die dezidierten Bestimmungen in der neuen Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) und die darin enthaltene Definition zur Förderregelung mit dem Urteil des EuGH vom heutigen Tage zu vergleichen.
Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Dr. Tigran Heymann