Interviewreihe: Hartmut Höppner, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr

Am 18.3.2024 lädt die BBH-Gruppe zu ihrem Parlamentarischen Abend ein. Im Kaisersaal der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft diskutieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, Entscheider:innen aus der Wirtschaft und Vertreter:innen von Verbänden zum Thema „Alles für die Netze“. Aus diesem Anlass haben wir mit Impulsgeber:innen der Veranstaltung Interviews geführt, die wir im wöchentlichen Turnus an dieser Stelle veröffentlichen werden. Heute mit Hartmut Höppner, Staatsekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

BBH-Blog: Lieber Herr Staatssekretär Höppner, lassen Sie uns vielleicht gleich ganz provokant in das Interview einsteigen: Haben Sie das Gefühl, dass wir in Deutschland genug für unsere Energienetze tun?

Hartmut Höppner: Deutschland befindet sich in einem enorm anspruchsvollen Transformationsprozess: Wir müssen Wirtschaft und Gesellschaft klimaneutral organisieren. Das stellt das Energienetz vor enorme Herausforderungen. Wärmepumpen, Ladestationen etc. müssen genauso an die Netze angeschlossen werden wie Solar- und Windkraftanlagen. Die Anforderungen an das Netz sind damit deutlich komplexer geworden. Die Bundesregierung hat das erkannt und räumt dem Netzausbau hohe Priorität ein.

BBH-Blog: Wie müssen die Energienetze 2045 aussehen? Und was bedeutet das für Ihre tägliche Arbeit heute?

Höppner: Die Energienetze im Jahr 2045 müssen besser ausgebaut, leistungsfähiger und smarter werden. Wir müssen die technischen Herausforderungen sehen und intelligente Lösungen entwickeln. Durch den Hochlauf der Elektromobilität mit Batterien entsteht eine gigantische Speicherkapazität, die wir auch für die Stabilisierung der Stromnetze nutzen sollten. Wir müssen die Transformation im Energie- und Verkehrsbereich zusammen denken. Hinzu kommt auch der ebenfalls notwendige Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur, die auch die Bedarfe des Verkehrs berücksichtigt.

BBH-Blog: Energienetze sind Generationenaufgaben. Wenn Sie auf der grünen Wiese stehen und ganz voraussetzungslos überlegen können: Wie würden Sie die Energienetze aufstellen, um sie gegen kurzfristige Begehrlichkeiten ebenso wie gegen langfristiges Erstarren zu sichern?

Höppner: Als Staatssekretär im Verkehrsministerium würde ich mein Handy nehmen und meinen Kollegen im Wirtschafts- und Energieministerium anrufen und ihn fragen, wie er die Situation einschätzt und wie wir gemeinsam zu einer guten Lösung kommen können. D. h. eine Lösung, die dem Hochlauf der Erneuerbaren Energien genauso gerecht wird wie den Anforderungen des Verkehrs. Und vielleicht würde ich ihm dann sagen, dass wir an der einen oder anderen Stelle auch statt auf Elektromobilität auch auf Wasserstoff bzw. eFuels setzen sollten, auch um die Netze nicht zu überfordern.

BBH-Blog: Was erleben Sie in Ihrer konkreten Arbeit gerade als den größten Knackpunkt, als das Problem, mit dem Sie sich am meisten herumschlagen müssen?

Höppner: Die Herausforderungen gerade im Bereich des Verkehrs sind enorm. Das Auto mit Verbrennermotor wird den Mobilitätsbedürfnissen vieler Menschen auf besondere Weise gerecht. Wenn wir eine andere Technologie etablieren wollen, darf dieser Umstieg nicht als Verzicht, er muss als Vorteil, als das bessere Angebot empfunden werden. Die Elektromobilität hat durchaus das Potential dazu. Voraussetzung ist aber eine verlässliche und funktionierende Ladeinfrastruktur. In der Praxis bedeutet der Anschluss der Ladesäule an das Stromnetz die größte Herausforderung. Für die Akzeptanz der Elektromobilität ist es entscheidend, dass Netzanschlüsse kurzfristig genehmigt und zügig in Betrieb genommen werden können. Hierzu muss das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Maßnahmen aus dem Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung konsequent und zeitnah umsetzen und die Voraussetzungen weiter verbessern.

BBH-Blog: Zum Abschluss würden wir gerne hören, was denn in Bezug auf die Energienetze Ihr „hidden champion“, Ihre „geheime Zutat“ ist, also der Aspekt, der nicht so in der öffentlichen Debatte steht, aber aus Ihrer Sicht überproportional relevant werden kann?

Höppner: Ein enormes Potential liegt darin, die Herausforderungen in Wirtschaft und Verkehr zusammen zu denken. Die Elektromobilität kann durch die Batterien und den damit verbundenen Speicherkapazitäten einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität leisten. Gleiches gilt auch für die Mobilität mit Wasserstoff, hierbei können große Mengen an Energie flexibel außerhalb des Stromnetzes gespeichert werden. Wasserstoff im Verkehr kann zudem durch eine schnell skalierbare Nachfrage dazu beitragen, der Wasserstoffwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Wir müssen die Herausforderungen, vor denen wir stehen, als Gesamtheit sehen und sollten nicht der Versuchung unterliegen, an Insellösungen für den Verkehr, für den Gebäudesektor, für die Wirtschaft zu arbeiten. Wir müssen die Herausforderungen zusammen angehen und ganzheitliche Lösungen entwickeln.

BBH-Blog: Sehr geehrter Herr Höppner, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die weitere Diskussion im Rahmen unseres Parlamentarischen Abends am 18.3.2024.

Mehr Infos zum Parlamentarischen Abend, auch zur Anmeldung, finden Sie hier.

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