Wie geht es weiter mit Carbon Capture and Storage?

Der Klimawandel und das Ziel einer treibhausgasneutralen Gesellschaft zählen zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Die Vermeidung von CO2-Emissionen bleibt das Mittel der Wahl, um die Klimaziele zu erreichen, gefolgt von der Substitution fossiler durch emissionsneutrale Brennstoffe. Es werden aber Restemissionen verbleiben, die anderweitig auszugleichen sind. Hierfür kommt insbesondere die Carbon Capture and Storage (CCS) in Frage, also die Abscheidung und dauerhafte geologische Speicherung von CO2. Der Rechtsrahmen zum europäischen Emissionshandel setzt diese Technologie in zahlreichen Vorschriften bereits voraus, z.B. in Art. 49 der Monitoringverordnung (EU) 2018/2066. Darüber hinaus wird CCS auch ausdrücklich als mögliche Maßnahme für die zu erstellenden Klimaneutralitätspläne genannt. Dennoch wird die Technologie international bislang nur wenig und in Deutschland gar nicht umgesetzt. Der Grund: Es gibt noch zahlreiche rechtliche Hindernisse.

Rechtliche Hemmnisse

Zum einen wurde das Kohlendioxidspeicherungsgesetz (KSpG) schon länger nicht mehr angepasst. Nach dem KSpG konnten Anträge auf Zulassung von geologischen CO2-Speicherstätten in Deutschland nur bis Ende 2016 gestellt werden – bis dahin war aber kein einziger Antrag eingegangen. Erst mit einer Gesetzesänderung wäre es möglich, wieder Anträge zu stellen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an der sogenannten Carbon-Management-Strategie, in der auch die Positionierung zu CCS festgehalten werden soll.

Rechtlich noch nicht möglich ist es zudem, CO2 in andere Länder wie z.B. Norwegen zu transportieren, die bereits CO2-Speicherstätten betreiben, da bislang die völkerrechtlichen Grundlagen fehlen, vor allem für die oft favorisierte Speicherung im Meeresboden. Die dazu notwendige Ergänzung von Art. 6 des London-Protokolls zur Londoner Konvention über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen ist noch nicht in Kraft, weil sie noch nicht von der erforderlichen Anzahl von Staaten ratifiziert wurde. Auch die Ratifizierung durch Deutschland steht noch aus. Es wäre zwar möglich, die Vereinbarung vorläufig anzuwenden, dafür müssten aber zusätzliche Verträge zwischen Staaten geschlossen werden. Deutschland hat davon noch keinen Gebrauch gemacht.

Die genannten rechtlichen Hindernisse wurden auch schon im ersten vorbereitenden Verfahren zu den Klimaschutzverträgen deutlich, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ausschreibt. Zuletzt wies das BMWK darauf hin, dass Anträge, die maßgeblich vom Einsatz der CCS-Technologie abhängen, wohl in der ersten Gebotsrunde und bis auf Weiteres keine Aussicht auf Erfolg hätten.

… und rechtliche Unsicherheiten

Jenseits der aktuellen grundsätzlichen Hemmnisse für die geologische Speicherung in Lagerstätten bestehen außerdem noch rechtliche Unsicherheiten, wie das abgeschiedene CO2 genau zu verrechnen ist. So fehlt es etwa an einem konkreten Rechtsrahmen, wie CO2, das nicht über Pipelines, sondern auf Schienen- oder Wasserwegen transportiert wird, zwischen den Erzeugern, Transporteuren und Empfängern des CO2 verrechnet wird. Auch ist nicht sauber geregelt, wie mit der Abscheidung von CO2-Strömen umzugehen ist, die sowohl „grünes“ als auch „graues“ CO2 beinhalten – wenn zum Beispiel in einer Anlage sowohl fossiles CO2 als auch CO2 aus der Verbrennung von nachhaltiger Biomasse entsteht. Noch ferner erscheinen Regelungen, die die Anrechnung von negativen Emissionen ermöglichen, also der Speicherung von an sich schon als emissionsneutral bewertetem CO2.

Mit der Reform der EU-ETS-Richtlinie wurde beschlossen, dass die Kommission Regelungsvorschläge für verschiedene CO2-Transportmodalitäten, für die gemischte Abscheidung von „grünem“ und „grauem“ CO2 sowie für negative CO2-Emissionen erarbeiten soll. Solange aber die grundlegenden rechtlichen Voraussetzungen für die praktische Umsetzung von CCS auf nationaler und völkerrechtlicher Ebene nicht vorliegen, bestehen keine rechtlichen und wirtschaftlichen Anreize, die CCS-Technologie zu skalieren und zur Abscheidung der unvermeidbaren Restemissionen zu nutzen.

Es bleibt daher zu hoffen, dass die Kommission und die Bundesregierung ihre Pläne für den Umgang mit den unvermeidbaren Restemissionen zügig angehen. Bei dem genannten Zieldatum 2039 müssten erste Investitionsentscheidungen nämlich eigentlich bereits gestern getroffen worden sein.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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