Energievertrieb nach dem EnWG 2021: Weitreichende Änderungen stehen an
Am 10.2.2021 hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein neues EnWG (Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht) beschlossen. Neben dem Thema Wasserstoff werden sich insbesondere Energievertriebe auf weitreichende Änderungen noch in diesem Jahr einstellen müssen.
Energielieferverträge und Grundversorgung
Das Gesetz sieht eine Vielzahl neuer Informationen vor, die Lieferanten in Vertragsverhältnissen mit allen Letztverbrauchern zu platzieren haben. Zusätzlich wird bereits angekündigt, dass die Grundversorgungsverordnungen Strom (StromGVV) und Gas (GasGVV) in einem weiteren Verfahren zeitnah an diese angepasst und entsprechend erweitert werden. Lieferanten werden daher nicht nur Vertragstexte, sondern auch ihre Prozesse und IT-Systeme an die umfangreichen neuen Pflichten anpassen müssen.
Auswirkungen auf Verbrauchsabrechnung, -ermittlung und Verbrauchsinformation
Auch für die Verbrauchsermittlung und -abrechnung sind Neuerungen geplant, und zwar eine Ausweitung der Hinweis- und Informationspflichten in Rechnungen selbst, konkrete Vorgaben für die Verbrauchsermittlung (wann darf geschätzt werden), neue Vorgaben für Rechnungs- und Informationszeiträume sowie für Zeitpunkt und Fälligkeit von Strom- und Gasrechnungen.
Dynamische Tarife, aktive Kunden und Aggregatoren
Stromlieferanten, die zum 31.12. eines Jahres mehr als 200.000 Letztverbraucher beliefern, müssen zukünftig dynamische Tarife für Kunden mit intelligentem Messsystem anbieten (inklusive einer weiteren umfassenden Informationspflicht zu Kosten sowie Vor- und Nachteilen von Verträgen mit dynamischen Tarifen).
Der Gesetzentwurf enthält auch Voraussetzungen für eine funktionsfähige Marktteilnahme von Letztverbrauchern und Betreibern von Erzeugungsanlagen als sog. „aktive Kunden“. Unter bestimmten Voraussetzungen können die aktiven Kunden Verträge mit Aggregatoren schließen, die ihre flexible Kapazität gebündelt auf den Elektrizitätsmärkten vermarkten.
Vergleichsportal „mit Vertrauenszeichen“
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss zukünftig sicherstellen, dass Haushaltskunden und Kleinstunternehmen unentgeltlich Zugang zu mindestens einem unabhängigen Vergleichsinstrument „mit Vertrauenszeichen“ der BNetzA haben. Dazu soll ein Vergleichsportal geschaffen werden, das Kunden objektiv informiert und dessen Geschäftsmodell nicht rein privatwirtschaftliche Interessen verfolgt. Die BNetzA kann dieses Modell auch auf Gaslieferverträge ausweiten, ist hierzu aber nicht verpflichtet.
Keine Übergangsfrist
Der Gesetzesentwurf dient der Umsetzung der bereits vor einiger Zeit novellierten europäischen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EltRL – RL (EU) 2019/944) in nationales Recht. Die unionsrechtliche Frist zur Umsetzung der Richtlinie ist allerdings bereits am 31.12.2020 abgelaufen. Deshalb ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber das Gesetzgebungsverfahren spätestens bis zur parlamentarischen Sommerpause im Juli 2021 abschließen wird. Die für den Energievertrieb relevanten Änderungen sollen am Tag nach Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Die Branche hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es Versorgern nicht möglich sein wird, die vorgesehenen Vorgaben „innerhalb eines Tages“ umzusetzen. Eine Übergangsfrist ist allerdings dennoch nicht zu erwarten.
Ansprechpartner*innen: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis