EU-Kommission: (Neue) Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz und Energiebeihilfen
Kurz vor dem Jahreswechsel hat die EU-Kommission die überarbeiteten Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz und Energiebeihilfen (KUEBLL) veröffentlicht. Die KUEBLL befassen sich mit diversen, für den „Green Deal“ relevanten Themen. Ein Teil der KUEBLL (Abschnitt 4.11) widmet sich der Ermäßigung von Stromabgaben für energieintensive Unternehmen.
Der Konsultationsentwurf vom Sommer 2021 (wir berichteten) hatte für große Unruhe gesorgt, da er einen größeren Kreis der energieintensiven Unternehmen künftig von Ermäßigungen bei Stromabgaben ausgeschlossen hätte. Hier hat die EU-Kommission nun nachjustiert.
Die KUEBLL sind derzeit nur in englischer Fassung veröffentlicht. Sie werden förmlich angenommen, wenn alle Sprachfassungen vorliegen und gelten erst ab ihrer förmlichen Annahme. Die Mitgliedstaaten haben dann Zeit bis Ende 2023, um die die Vorgaben der KUEBLL in nationale Regelungen umzusetzen.
Von UEBLL zu KUEBLL
Die KUEBLL ersetzen die bislang maßgeblichen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (UEBLL). Sie definieren, unter welchen Maßgaben die EU-Kommission staatliche Beihilfen in den Bereichen Klima, Umweltschutz und Energie als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansieht. Die KUEBLL äußern sich zu unterschiedlichen Beihilfen und regeln u.a., unter welchen Maßgaben künftig die Ermäßigungen von Stromabgaben für energieintensive Unternehmen zulässig sind.
Begünstigte Branchen
Wie die UEBLL unterscheiden auch die KUEBLL zwischen zwei Gruppen von Wirtschaftszweigen: Jenen, die ein Risiko der Standortverlagerung und jenen, die ein erhebliches Risiko der Standortverlagerung aufweisen.
Maßgeblich für diese Unterscheidung sind zwei Kriterien: die Handelsintensität und die Stromintensität. Dabei müssen bei einem erheblichen Risiko von Standortverlagerungen die Handelsintensität und Stromintensität jeweils für sich betrachtet mindestens 5 Prozent erreichen bzw. multipliziert mindestens 2 Prozent. Die hierunter fallenden Wirtschaftszweige sind in einer ersten Liste des Anhangs 1 der KUEBLL aufgeführt (Liste 1-Branchen). Für die zweite Kategorie, also die Wirtschaftszweige mit dem Risiko einer Standortverlagerung, fordert die EU-Kommission eine Handelsintensität von mindestens 4 Prozent und eine Stromkostenintensität von mindestens 5 Prozent bzw. multipliziert mindestens 0,6 Prozent. Die dazu gehörenden Wirtschaftszweige sind in einer zweiten Liste des Anhangs der KUEBLL benannt (Liste 2-Branchen).
Branchen bzw. Unternehmen, die nicht länger im Anhang gelistet sind, sind nicht gänzlich von einer Möglichkeit der Stromabgabenermäßigung ausgeschlossen. Sie müssen jedoch anhand geprüfter Daten eines Dreijahreszeitraums nachweisen, dass die Voraussetzungen für das Risiko bzw. das erhebliche Risiko von Standortverlagerungen erfüllt sind. Die Liste ist damit, anders als noch in den UEBLL, weniger starr angelegt und kann damit, zumindest in gewissem Rahmen, wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen.
Umfang der Kostenentlastung und Gegenleistung
Wie bisher, müssen die begünstigten Unternehmen einen bestimmten Anteil an den Stromabgaben tragen. Dieser Anteil beträgt mindestes 15 Prozent bei den „Liste 1-Branchen“ und mindestens 25 Prozent bei den „Liste 2-Branchen“.
Zusätzlich kann, ebenfalls wie bisher, eine Obergrenze der Belastung (Cap bzw. Super Cap) berücksichtigt werden, der auf 0,5 Prozent der Bruttowertschöpfung bei den „Liste 1-Branchen“ bzw. auf 1 Prozent der Bruttowertschöpfung bei den „Liste 2-Branchen“ beschränkt ist.
Außerdem gilt, auch das ist nicht gänzlich neu, eine Grenze „nach unten“: Die Entlastung bei den Stromabgaben darf 0,5 Euro/MWh nicht unterschreiten.
Neu ist hingegen, dass „Liste 2-Branchen“ unter bestimmten Voraussetzungen von den vorteilhafteren Entlastungsmöglichkeiten der „Liste 1-Branchen“ profitieren können. Dazu müssen sie aber mindestens 50 Prozent ihres Stromverbrauchs aus CO2-freien Quellen decken und die Beschaffung bzw. Erzeugung des CO2-freien Stroms muss bestimmten Vorgaben genügen.
Als „Gegenleistung“ müssen alle begünstigten Unternehmen, wie bereits jetzt, ein Energieaudit oder ein Energie- bzw. Umweltmanagementsystem vorhalten. Es kommt jedoch hinzu, dass außerdem – alternativ – entweder dessen Empfehlungen umgesetzt oder mindestens 50 Prozent des Beihilfebetrags in Vorhaben zur Treibhausgasminderung investiert oder mindestens 30 Prozent des Strombedarfs aus CO2-freien Quellen gedeckt werden muss.
Was gilt für nicht länger gelistete Wirtschaftszweige?
Neu ist eine „Härtefallregelung“ für diejenigen Wirtschaftszweige, die nicht mehr gelistet sind und auch nicht anhand spezifischer Daten nachweisen können, dass sie die Anforderungen an die Handels- und Stromintensität erfüllen: Wenn diese Unternehmen in den letzten beiden Jahren vor der Anpassung der nationalen Vorgaben die Kriterien der UEBLL erfüllt haben, soll die Belastung bis 2028 sich stufenweise erhöhen: Bis 2026 zahlen die Unternehmen mindestens 35 Prozent der Kosten bzw. einen Betrag in Höhe des Caps von 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung. Für das Jahr 2027 erhöht sich der Wert auf mindestens 55 Prozent bzw. 2,5 Prozent der Bruttowertschöpfung und für 2028 auf mindestens 80 Prozent bzw. 3,5 Prozent der Bruttowertschöpfung.
Auch hier haben die betroffenen Unternehmen die Chance, bis 2028 mit nur mindestens 35 Prozent der Kosten bzw. einem Cap von 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung belastet zu werden. Dafür müssen sie jedoch mindestens 50 Prozent ihres Stromverbrauchs aus CO2-freien Quellen decken und Vorgaben an die Beschaffung bzw. Erzeugung des CO2-freien Stroms einhalten.
„Reichweite“ der KUEBLL
Die KUEBLL dürften insbesondere die EEG-, die KWKG- und die Offshore-Netzumlage betreffen. Auf die Reduzierung von Netzentgelten soll Abschnitt 4.11 der KUEBLL ausdrücklich nicht bezogen sein.
Wenn und soweit die Regierungskoalition ihre Vorhaben umsetzt und die EEG-Umlage ab 2023 streicht, dürften sich KUEBLL also zunächst vor allem auf die KWKG- und die Offshore-Netzumlage beziehen.
Wenig überraschend wäre es jedoch, wenn die Diskussionen um die Entlastungen bei der Strom- und Energiesteuer, die künftigen Vorgaben zur Strompreiskompensation oder die Ausnahmen von den Belastungen des BEHG ebenfalls von den Vorgaben und Festlegungen der KUEBLL geprägt würden. Auf die Begrenzungsbescheide für 2022, welche das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Ende Dezember erlassen hat, dürften die neuen Leitlinien dagegen keinen Einfluss haben.
Ansprechpartner*innen: Dr. Markus Kachel/Jens Panknin/Andreas Große