Insolvenzantrag der natGAS: Was heißt das für die Branche?
Mit der natGAS AG hat erneut ein Energielieferant einen Insolvenzantrag gestellt – dieses Mal mit Konsequenzen für die betroffenen Netzbetreiber und Grund-/Ersatzversorger, die über die bisherigen Erfahrungen mit insolventen Energielieferanten hinausgehen.
Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Potsdam hat mit Beschluss vom 26.9.2019 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und Maßnahmen verfügt, um das vorhandene Vermögen zu sichern und vor dem Zugriff einzelner Gläubiger zu bewahren. Zum (schwachen) vorläufigen Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Dr. Christoph Schulte-Kaubrügger bestellt worden. Seine Aufgabe ist es insbesondere, zu prüfen, ob das Unternehmen fortgeführt werden kann. Mit seiner Zustimmung kann die natGAS derzeit weiterhin Verfügungen über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen vornehmen.
Auswirkungen für Verteilnetzbetreiber
Für Verteilnetzbetreiber bleibt die natGAS AG während des Eröffnungsverfahrens Adressat der gesamten Kommunikation (auch für Rechnungen). Zahlungen an die natGAS AG müssen aber ausweislich des Beschlusses des Insolvenzgerichts ausschließlich an den vorläufigen Insolvenzverwalter geleistet werden. Insoweit ist nach unserer Kenntnis nunmehr ein Anderkonto eingerichtet und kommuniziert worden.
Typischerweise ist der Insolvenzantrag selbst noch kein Grund, den Lieferantenrahmenvertrag zu kündigen (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012). Ein Grund zur Kündigung aus wichtigem Grund ergibt sich voraussichtlich erst dann, wenn Übertragungsnetzbetreiber/Marktgebietsverantwortliche Bilanzkreisverträge beenden, was unseres Wissens derzeit nicht der Fall ist. Eine außerordentliche Kündigung ist aber immer auch möglich, wenn sonstige vertragliche Gründe vorliegen, z. B. eine bereits vor dem Insolvenzantrag geforderte, aber bislang nicht geleistete Vorauszahlung.
Altforderungen, die aus der Zeit vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 26.09.2019 stammen, können zwar angemahnt bzw. eingefordert werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die natGAS AG sie nicht begleichen wird, da es sich insoweit um einfache Insolvenzforderungen handelt, die später (d.h. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens) zur Insolvenztabelle angemeldet werden können. Sollte gleichwohl eine Zahlung erfolgen, besteht insoweit das Risiko einer Insolvenzanfechtung mit der Folge, dass etwaig geleistete Zahlungen auf Altforderungen im eröffneten Insolvenzverfahren zurückzuzahlen sind.
Zuordnung zum Grund-/Ersatzversorger (Niederspannung/Niederdruck)
Die Kunden der natGAS AG, die in Niederspannung bzw. Niederdruck Energie beziehen, sind ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Bilanzkreiszuordnung, oder mit dem Entzug des Netzzugangs dem Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen, der diese zunächst im Rahmen der Ersatzversorgung gemäß § 38 EnWG beliefert. Abgewickelt wird die Zuordnung über den GPKE-/GeLi Gas-Prozess „Beginn der Ersatz-/Grundversorgung“. Für Haushaltskunden kann sich an die Ersatzversorgung auch die reguläre Grundversorgung anschließen.
Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob sich bei der bilanziellen Zuordnung zum Bilanzkreis des Grund- und Ersatzversorgers ein Folgeproblem ergibt, weil dieser auch bei natGAS liegt.
Kunden in höheren Spannungsebenen oder Druckstufen
Kunden, die in höheren Spannungsebenen oder Druckstufen versorgt werden, haben kein Recht auf eine Ersatzversorgung. Insoweit besteht ab dem Zeitpunkt des Wegfalls der Bilanzkreiszuordnung oder mit dem Entzug des Netzzugangs das ungeregelte Problem der „Notstromversorgung/Notgasversorgung“. Dieser Kundenkreis muss sich dann unverzüglich einen neuen Lieferanten suchen. Soweit die natGAS AG durch eine öffentliche Ausschreibung als Lieferant ausgewählt worden war, sind auch vergaberechtliche Implikationen bei dem dann notwendigen Lieferantenwechsel zu beachten.
Informationspflichten
Weiterhin ist der Netzbetreiber nach § 3 Abs. 2 N(D)AV verpflichtet, die Kunden über den Wegfall des Rechts des Lieferanten, Netzzugang zu beanspruchen, sowie über die Grund- und Ersatzversorgung zu informieren. In diesem Schreiben kann z.B. auch ein Ablesetermin mitgeteilt oder der Kunde zur Selbstablesung aufgefordert werden. Daneben ist auch der Grundversorger verpflichtet, dem Kunden unverzüglich nach Kenntnisnahme den Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Ersatzversorgung in Textform mitzuteilen sowie darauf hinzuweisen, dass der Kunde spätestens nach dem Ende der Ersatzversorgung zur Fortsetzung des Energiebezugs einen Sonderliefervertrag abschließen muss (§ 3 Abs. 2 StromGVV bzw. GasGVV).
natGAS als Bilanzkreismanager oder Vollversorger
Ist ein Unternehmen (vertrieblich) selbst natGAS-Kunde, sei es im Rahmen des Bilanzkreismanagements oder im Rahmen einer Vollversorgung, ist auch hier zu bedenken, dass das Insolvenzantragsverfahren selbst nicht zu einer Beendigung der entsprechenden Verträge führt. Sollten jedoch die Bilanzkreisverträge der natGAS beendet werden, stellt sich für den Vertrieb, der Endkunden über die Bilanzkreise der natGAS beliefert, ein erweitertes Problem, insbesondere, wenn der Bilanzkreis des Grund- und Ersatzversorgers auch bei der natGasAG geführt wurde.
Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Markus Ladenburger/Steffen Lux