Neues vom EuGH zur umsatzsteuerlichen Organschaft

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Die Voraussetzungen für die umsatzsteuerliche Organschaft sorgen zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung immer wieder für Streit. Nach deutschem Recht liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, wenn eine juristische Person (Organgesellschaft) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der Muttergesellschaft (Organträger) eingegliedert ist. In diesem Falle werden sie als ein Unternehmen behandelt. Umsätze zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger sind reine Innenumsätze, eine Abrechnung mit Umsatzsteuer innerhalb des Organkreises erfolgt nicht.

Einige Streitfragen mit besonders hoher Praxisrelevanz hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem mit Spannung erwarteten Urteil beantwortet (Entscheidung vom 16.7.2015, C-108/14, C-109/14 Larentia + Minerva). Die Gelegenheit zu diesen klärenden Worten hatte dem EuGH der Bundesfinanzhof (BFH) verschafft (zur Vorlage: Az. XI R 17/11 und XI R 38/12).

Europarechtswidrigkeit der deutschen Vorgaben

Dabei hat der EuGH die deutschen Vorgaben zur umsatzsteuerlichen Organschaft für grundsätzlich europarechtswidrig erklärt, denn zum einen können nach dieser Vorschrift nur juristische Personen und keine Personengesellschaften Organgesellschaften sein, zum anderen setzt die Vorschrift voraus, dass zwischen dem Organträger sowie der Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis bestehen muss.

Art. 11 der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) verlangt für eine Organschaft dagegen kein Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern es reicht aus, dass Unternehmen bzw. Personen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eng miteinander verbunden sind. Ebenfalls stellt der EuGH fest, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten keinen Spielraum lässt, um Personengesellschaften, wie zum Beispiel eine GmbH & Co. KG, von einer Organschaft auszuschließen. Das wäre allenfalls dann anders, wenn damit missbräuchlichen Gestaltungen vorgebeugt werden soll.

Der BFH muss jetzt abschließend entscheiden, ob die nationalen Vorgaben europarechtskonform ausgelegt werden können. Rechtfertigende Gründe für die deutschen Einschränkungen sind unseres Erachtens nicht ersichtlich.

Relevanz der Entscheidung für Netzgesellschaften

Zwar weist der EuGH darauf hin, dass die Regelung der MwStSystRL inhaltlich nicht bestimmt genug sei, dass sich der Steuerpflichtige unmittelbar auf sie berufen könne, die EuGH-Entscheidung hat jedoch unmittelbare Auswirkungen für Netzgesellschaften:

Die Finanzverwaltung hatte bisher gefordert, dass bestehende Beherrschungsverträge zwischen Muttergesellschaften und ihren Netzgesellschaften (Tochtergesellschaft) wegen den entgegenstehenden Unbundling-Vorschriften spätestens bis zum 31.12.2015 aufgelöst werden sollen. Jetzt hat sie die Frist dafür bis zum 31.12.2016 verlängert, um das BFH-Urteil abzuwarten.

Wir empfehlen deshalb, die eingeräumte Übergangsfrist auszunutzen und bestehende Beherrschungsverträge zunächst unverändert beizubehalten.

Ausblick

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass es neben der vielfach gewünschten umsatzsteuerlichen Organschaft kein Wahlrecht für deren Vorliegen gibt. Vielmehr wird es zahlreiche Fälle geben, in denen Unternehmen unbewusst in die umsatzsteuerliche Organschaft mit all ihren Konsequenzen hineinrutschen. Im Ergebnis wird der Gesetzgeber gefordert sein, eine mit der MwStSysRL vereinbare und praktikable Regelung zu finden. Angesichts der massiven Auswirkungen, die eine Änderung der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft nach sich ziehen würde, ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung ein Wahlrecht nebst einer langen Übergangsregelung für die Unternehmen schaffen werde.

Über die Entscheidung des BFH, die für das Jahr 2016 angekündigt ist, werden wir selbstverständlich umgehend informieren.

Ansprechpartner: Rudolf Böck

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