Qualität vor Tempo: OVG Nordrhein-Westfalen stoppt vorläufig verpflichtenden Einbau für intelligente Messsysteme

(c) BBH

Heute hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen einen weitreichenden Eilbeschluss (Az. 21 B 1162/20) zur Umsetzung des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) und zur Roll-Out-Verpflichtung von intelligenten Messsystemen bekannt gegeben. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat dabei die sog. Marktverfügbarkeitserklärung (wir berichteten) des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als „voraussichtlich rechtswidrig“ bewertet und ihre Vollziehung gestoppt.

Worum geht es?

Die sogenannte Marktverfügbarkeitserklärung des BSI gibt nach dem MsbG den Startschuss für die Verpflichtung sog. grundzuständiger Messstellenbetreiber, intelligente Messsysteme einzubauen. Die schon lange erwartete Erklärung hatte das BSI Anfang des letzten Jahres veröffentlicht. Rund 50 betroffene, überwiegend von BBH vertretene, Messstellenbetreiber hatten sich im Eilrechtsschutz dagegen gewandt, diese Marktverfügbarkeitserklärung vollziehen zu müssen – denn entgegen den Vorgaben des MsbG bleiben die aktuell vom BSI zertifizierten und für „marktverfügbar“ erklärten intelligenten Messsysteme weit hinter den gesetzlich vorgegebenen technischen Anforderungen zurück.

In der ersten Instanz hat das Verwaltungsgericht (VG) Köln noch zugunsten des BSI entschieden (Beschl. v. 21.7.2020, Az. 9 L 663/20). Diese Entscheidung hat das OVG Nordrhein-Westfalen nun aufgehoben.

Was hat das OVG Nordrhein-Westfalen entschieden?

Zur Begründung führt das Gericht aus, die Feststellung der technischen Möglichkeit der Ausrüstung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen sei voraussichtlich rechtswidrig. Die am Markt verfügbaren intelligenten Messsysteme genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen des MsbG. Sie seien hinsichtlich der normierten Interoperabilitätsanforderungen nicht zertifiziert und erfüllten diese auch nicht. Die vom BSI selbst aufgestellten Anforderungen seien materiell rechtswidrig, weil sie insoweit hinter den gesetzlich normierten Mindestanforderungen zurückbleiben. Bestimmte Funktionalitäten, die intelligente Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz zwingend erfüllen müssten, sehe das BSI nicht vor. Die dem BSI zustehende Kompetenz, Technische Richtlinien entsprechend dem technischen Fortschritt abzuändern, gehe nicht so weit, dass dadurch gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen unterschritten werden können.

Was bedeutet die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen?

Die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen ist folgerichtig und zeigt klare Rahmenbedingungen auf, wie das MsbG rechtskonform umzusetzen ist. Dies ist auch zwingend notwendig, da der Einbau intelligenter Messsysteme für alle Marktbeteiligten – und damit letztlich auch für alle Stromkunden – Kosten in Milliardenhöhe auslöst. Diese Investitionen benötigen aber eine voll funktionale Technik, die den gesetzlichen Vorgaben vollständig entspricht, damit die Vorteile intelligenter Messsysteme bei der Umsetzung der Energiewende vollständig realisiert werden können.

Einer Unterschreitung gesetzlicher Standards, nur um den lang erwarteten Rollout intelligenter Messsysteme nun endlich voranzubringen, hat das OVG Nordrhein-Westfalen einen Riegel vorgeschoben. Man mag es vor dem Hintergrund des sehr langen Zeitraums der Ausgestaltung des MsbG und seiner Umsetzung bedauern, dass es nun zu weiteren Verzögerungen kommen kann. Auch hier gilt aber: Qualität geht vor Tempo! Die Energiewende erfordert gerade bei intelligenter Messtechnik eine volle Marktreife und keine eingeschränkte Funktionalität.

Ansprechpartner*innen: Dr. Jost Eder/Dr. Michael Weise/Dr. Florian Wagner

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