Teuer, riskant und hinderlich: Schnittstellenprobleme zwischen Verbrauchsabrechnung und Energiemengenbilanzierung

(c) BBH
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Eine Reihe von Energieversorgungsunternehmen sehen sich im Augenblick mit Aufsichtsverfahren und teilweise sogar Zwangsgeldandrohungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) konfrontiert. Der Grund ist ein Schnittstellenproblem in der Datenverarbeitung: Beim Einsatz von unterschiedlichen Verbrauchsabrechnungs- (VA) und Energiedatenmanagementsystemen (EDM) treten Fehler auf. Das ist nicht nur im Tagesgeschäft lästig, sondern sowohl rechtlich als auch finanziell riskant. Mit Einführung der zählpunktscharfen Mehr-/Mindermengenabrechnung 2.0 wird sich die Bedeutung der Integration von VA und EDM deutlich erhöhen.

Am 1.4.2016 wird es sowohl im Strom als auch im Gas für alle Netzbetreiber verpflichtend, Mehr- und Mindermengen zählpunktscharf abzurechnen. Dazu ist es notwendig, dass sie spätestens ein Jahr zuvor ihre Messwerterhebung und Systemlandschaft entsprechend ausgerichtet haben. Dies stellt die organisatorischen und systemtechnischen Prozesse, insbesondere den Stamm- und Bewegungsdatenfluss über die Schnittstelle zwischen VA und EDM, vor große Herausforderungen.

Finanzielle Risiken im EDM

Die Energiemengenbilanzierung im EDM hat in den letzten Jahren stark an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. Die Kosten der Energiemengen, die bei der Strom- und Gasbilanzierung nach MaBiS bzw. GaBi Gas nicht sachgerecht zugeordnet werden können, werden von der BNetzA und den Landesregulierungsbehörden bei der Kostenprüfung nicht mehr anerkannt.

Eine aktuelle Untersuchung der Becker Büttner Held Consulting AG von über 80 Netzbetreibern ergab, dass Netzbetreiber mit unterschiedlichen IT-Systemen für VA und EDM nennenswert erhöhte Kosten in der Strombilanzierung nach MaBiS haben.

Wenn die Schnittstelle zwischen VA und EDM nicht funktioniert, leidet vor allem die Stammdatenqualität in beiden Systemen. Die Qualität der Stammdaten ist aber der wesentliche Faktor der Bilanzierungs-, aber auch der Beschaffungsqualität auf Lieferantenseite. In unseren Projekten entdeckten wir eine suboptimale Stammdatenqualität, insbesondere ausgelöst durch die Schnittstelle VA und EDM, als einen der wesentlichen Treiber von vermeidbaren Kosten. Dazu kommt, es es dadurch deutlich schwerer, wenn nicht gar unmöglich wird, die Mehr- und Mindermengen zählpunktscharf abzurechnen.

Als Übergangslösung, bis die Datenübertragung über die Schnittstelle fehlerfrei läuft, sollten die Stammdaten zwischen VA und EDM regelmäßig abgeglichen und bereinigt werden. Darüber hinaus empfiehlt sich zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit ein regelmäßiges Stammdatencontrolling.

Um das Problem nachhaltig zu lösen, muss der Softwaredienstleister bzw. die Softwaredienstleister stärker in die Pflicht genommen werden. Dies kann durch entsprechende Dienstleistungsverträge oder durch Zusatzvereinbarungen erreicht werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Prüfung der Verträge

Ich habe doch so gut wie keine Handhabe, bei Systemperformance und Schnittstelle bin ich auf meinen Dienstleister angewiesen“. Eine solche Aussage hören wir von EVU oft – sie trifft aber nur bedingt zu. Letztlich hängt dies davon ab, wie die Verträge mit dem Dienstleister und dem Service-Level-Agreement (SLA) ausgestaltet sind. Sollten diese unvollständig oder unklar sein, kann man in der Tat nur wenig tun. Zudem sind in vielen SLA‘s z.B. klare Leistungsbeschreibungen oder Verantwortlichkeiten des Dienstleisters nicht definiert. Dadurch stellen Dienstleister teilweise beispielsweise Tätigkeiten in Rechnung, die in die originäre Leistungspflicht des EVU fallen. Darüber hinaus sind häufig Schadenersatzansprüche in Verträgen nicht definiert, was gerade im Rahmen der Bilanzierung für ein EVU erhebliche finanzielle Risiken im Schadensfall bedeutet. Um die Risiken auch für zukünftige und neue regulatorische Vorgaben sachgerecht zu verteilen und zu begrenzen,  sollte man die Dienstleistungs-, IT- und Serviceverträge inklusive der dazugehörigen SLA`s sorgfältig prüfen und ggf. anpassen lassen.

Wir empfehlen somit folgendes Vorgehen:

1. Analyse der Schnittstellen- und Datenqualität, Analyse vermeidbarer Kosten im Rahmen der Bilanzierung (NB) und Beschaffung (LF)

  • Analyse der Bilanzierungs- (NB) und Beschaffungskosten (LF)
  • Analyse der Stammdatenqualität

2. Implementierung von Übergangslösungen

  • Bereinigung der abweichenden Stammdaten zwischen VA und EDM

3. Rechtliche Prüfung

  • Prüfung der Dienstleistungsverträge
  • Prüfung der SLA‘s

4. Reduzierung des Aufwands und der Kosten, Sicherstellung der Nachhaltigkeit, Umsetzung der zählpunktscharfen MMMA

  • Reduzierung der Bilanzierungs- (NB) und Beschaffungskosten (LF)
  • Einführung Stammdatencontrolling
  • Erstellung von Zusatzvereinbarungen
  • Umsetzung der zählpunktscharfen MMMA

Durch Schritte eins bis drei wird die systemtechnische Umsetzbarkeit der zählpunktscharfen MMMA sichergestellt und rechtlich gesichert. Darüber hinaus werden die Grundlagen gelegt, die Stammdaten zu bereinigen, ein Stammdatencontrolling einzuführen sowie die Kosten im EDM zu reduzieren.

Abb.: Schematisches Vorgehen zur nachhaltigen Aufstellung der Systemlandschaft, Verträge und SLAs

Ansprechpartner: Dr. Andreas Lied/Dr. Jost Eder

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