Emissionshandel als Einfallstor für Geldwäschekriminalität?
Als Mitte der 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts in den USA die Grundidee entwickelt wurde, als Alternative zu Umweltabgaben Umweltzertifikate zu handeln, hat wohl niemand geahnt, dass sich dereinst Kriminelle dieser Idee bemächtigen würden. Damals jedenfalls ging es allein um die Idee, einen Markt für Verschmutzungsrechte zu schaffen und so schädliche Umweltbelastungen möglichst kosteneffizient zu vermeiden oder zu verringern.
Dass die organisierte Kriminalität die Möglichkeit entdeckte, den EU-Emissionszertifikatemarkt für ihre Zwecke zu missbrauchen, lag neben den „Kinderkrankheiten“ in Bezug auf das Marktdesign vor allem an dessen hoher Liquidität. Hier sind die Umsatzsteuerkarusselle aus den Jahren 2008 und 2009 oder der massenhafte Diebstahl von Emissionszertifikaten in diversen EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2011 noch in schlechter Erinnerung.
Damit aber nicht genug. Jetzt warnt Interpol, dass die organisierte Kriminalität den Emissionshandel für Geldwäscheaktivitäten nutzt. Interpol nennt insbesondere zwei Fallgestaltungen:
- Zum einen könnten Kriminelle mit „schmutzigem“ Bargeld CO2-Zertifikate über den OTC-Markt (insbesondere: Broker) kaufen und sie anschließend wieder im Markt veräußern und so die Herkunft des „schmutzigen“ Geldes verschleiern.
- Das andere „Geschäftsmodell“ könnte die Einspeisung von Geld aus kriminellen Geschäften in Joint-Implementation- oder Clean-Development-Mechanism-Projekte in Entwicklungsländern sein. In diesem Fall würde das kriminell erlangte Geld zum Beispiel verwendet werden, um Windkraftanlagen oder Solarparks zu beschaffen. Die daraus generierten Emission Reduktion Units werden anschließend im Markt verkauft, um so die Herkunft des Geldes zu verdunkeln.
Eine dritte, von Interpol zwar nicht genannte, aber auch schon praktizierte Variante ist schließlich der Verkauf von unterschlagenen/gestohlenen Emissionszertifikaten über Broker unterhalb des Marktpreises in Verbindung mit stark überhöhten Brokerentgelten.
Damit stellt sich für alle im Emissionshandel engagierten Unternehmen die Frage, wie sie sich bestmöglich und zugleich kosteneffizient dagegen schützen, in solche kriminellen Machenschaften verwickelt zu werden. Die Antwort kann nicht sein, auf die Teilnahme am Emissionshandel zu verzichten. Die Antwort lautet vielmehr (und immer und immer wieder): Compliance-Management. Compliance-Management ist ein zentrales Element moderner interner Kontrollsysteme. Gemeinsam mit dem Risikomanagement/Risikocontrolling, der Internen Revision und der Rechtsabteilung stellt es organisatorische Maßnahmen zur Verfügung, um Verstöße gegen unternehmensinterne Vorschriften und staatliches Recht zu verhindern. Zu diesen organisatorischen Maßnahmen gehören auch Regeln zur Geldwäscheprävention.
Derartige Regelwerke basieren typischerweise auf einer vorausgehenden Risikoanalyse, welche die Art und den Umfang der Bedrohung des Unternehmens durch Geldwäschekriminalität konkret ermittelt. Auf dieser Grundlage kann anschließend präzise festgelegt werden, welche Elemente eines adäquaten Geldwäschepräventionssystems in welcher Weise in Unternehmen eingeführt werden sollen. Zu regeln sind insbesondere Fragen der internen Sicherungsmaßnahmen, der kundenbezogenen Sorgfaltspflichten sowie der Umgang mit Verdachtsmeldungen. Da insbesondere aus Kostengründen nicht alle Aufgaben der Geldwäscheprävention vollständig in Unternehmen vorgehalten werden sollten, sollte man sich überlegen, (Teil-)Aufgaben auszulagern. Alle angesprochenen Vorkehrungen zur Geldwäscheprävention können unschwer in bereits bestehende Compliance-Management-Systeme integriert werden und finden sich zunehmend auch in der (Versorgungs-)Wirtschaft.
In Abwandlung eines bekannten Spruchs lässt sich daher festhalten: Der nächste kriminelle Akt kommt bestimmt. Compliance-Management ist daher mehr denn je ein unternehmerisches Muss.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau