Der Monitoringbericht 2020: RWE ,,an der Schwelle zur Marktbeherrschung‘‘

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Mit ein wenig – pandemiebedingter – Verspätung hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) zusammen mit dem Bundeskartellamt (BKartA) nun den Monitoringbericht 2020 veröffentlicht. Auf 468 Seiten – zuzüglich ausführlichem Glossar – beschreibt er die Entwicklungen auf den deutschen Elektrizitäts- und Gasmärkten.

Rückgang der fossilen, Ausbau der erneuerbaren Energien

Wie auch beim vergangenen Monitoringbericht 2019 (wir berichteten) lag der Schwerpunkt der Analyse auf den Entwicklungen der Elektrizitätsmärkte. Hinsichtlich der Stromerzeugung lassen sich Fortschritte beim Umstieg von konventioneller auf erneuerbare Stromerzeugung verzeichnen. Die Kohlestromversorgung wurde im Vergleich zu 2018 erheblich reduziert, bis Ende 2023 gehen die Atomkraft- und weitere Kohlekraftwerke nach dem Zeitplan des Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung (KVBG) vom Markt. Ein weiterer Anstieg auf Seiten der Versorgung der erneuerbaren Energieträger lässt sich ebenso verzeichnen: Insgesamt würden aktuell 42 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch Erneuerbare Energien gedeckt. Von einer Gesamterzeugungskapazität von 229,24 GW seien davon mehr als die Hälfte – 127,7 GW – den erneuerbaren Energieträgern zurechenbar. Begrüßenswert ist, dass 97 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien-Anlagen dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden könne.

RWE an der Schwelle zur Marktbeherrschung

Auffällig ist in dem aktuellen Monitoringbericht die erneut geäußerte Sorge vor der stetig wachsenden Dominanz des Energiekonzerns RWE auf dem Stromerzeugungsmarkt: In der Pressemitteilung des BKartA stellt Andreas Mundt, Präsident des BKartA, in Aussicht, dass durch den fortschreitenden Rückgang an Erzeugungskapazitäten und die damit einhergehende Marktverknappung RWE perspektivisch die Schwelle zur Marktbeherrschung überschreiten könne. Zur Erinnerung: Erst zum Jahreswechsel hatte er mit Veröffentlichung des Marktmachtberichts wie schon im Vorjahr auf diese Gefahr hingewiesen (wir berichteten).

Laut Monitoringbericht sei zwar ein rückläufiger Anteil der fünf größten Stromerzeuger zu verzeichnen, jedoch habe sich deren Gewichtung verschoben. RWE ist nach wie vor der ,,größte Player‘‘ auf dem Markt der Stromerzeugung. Dahinter steht der Kohleverstromer LEAG. Durch den Kohleausstieg, samt Rückgang konventioneller Kapazitäten – und damit auch der Anbieter –, wird eine verstärkte Marktmacht von RWE in Zukunft befürchtet. Unter Verweis auf das Fusionskontrollverfahren zwischen RWE und E.ON (wir berichteten hier, hierhier und hier) und den im Dezember veröffentlichten Marktmachtbericht wird erneut festgestellt, dass RWE in einer nicht unerheblichen Anzahl an Stunden des Jahres als Anbieter unverzichtbar (pivotal) sei, auch wenn die Zahl pivotaler Stunden der RWE nach Meinung der Wettbewerbshüter „derzeit noch nicht“ das für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung erforderliche Niveau erreiche.

Wettbewerb auf den Endkundenmärkten

Bei den Endkundenmärkten sieht der Monitoringbericht lebhaften Wettbewerb, ohne dabei jedoch auf lokale Besonderheiten oder regionale Unterschiede einzugehen. Verbraucher könnten sich im statistischen Mittel zwischen jeweils über 100 Strom- oder Gasanbietern entscheiden. BNetzA und BKartA sehen deshalb in bundesweiter Betrachtung keinen der Anbieter als marktbeherrschend an. Gleichzeitig erkennt und beklagt der Bericht aber auch, dass trotzdem nach wie vor 26 Prozent der Stromabnehmer im Grundversorgungstarif versorgt werden (bei Gas nur 17 Prozent) und dass weiterhin zwei Drittel aller Haushalte vom örtlichen Grundversorger (im Grundversorgungstarif oder in einem Sondervertragstarif) beliefert werden. Die Zahl der Haushaltskunden, die ihren Strom- und Gaslieferanten gewechselt haben, sei gegenüber dem Vorjahr gesunken.

Strompreis deutlich gestiegen – Ausfallzeit auf historischem Tief

Die Strompreise für Haushaltskunden sind um 1,2 ct auf 32,05 ct/kWh gestiegen. Im derzeitigen Jahr ist allerdings aufgrund der EEG-Umlage mit einer Senkung zu rechnen. Anders verhält es sich beim Gaspreis, der für Haushalts- und Nichthaushaltskunden gleich geblieben ist.

Bemerkenswert ist, dass die Ausfallzeit der Elektrizität gesunken ist: Mit nur 12,20 Minuten Ausfallzeit wird der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 2006 festgestellt. Die Zahlen machen deutlich, dass Deutschland im Rahmen der Energiewende vorankommt. Dennoch werden auch Bedenken geäußert. Einigen geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht schnell genug, um die Klimaziele erreichen zu können. Andere werfen ein, der schnelle Abbau konventioneller Kraftwerke könnte auf lange Sicht zu Engpässen führen.

Zurückhaltung als richtige Taktik?

Trotz der Veränderungen bleibt einiges gleich: Das BKartA beobachtet die Marktmacht des Energieversorgers RWE zwar stetig weiter, sieht jedoch (immer noch) keinen Handlungsbedarf. Auch im Hinblick auf die Großfusion von RWE und E.ON bleibt weiter kritisch zu beobachten, ob sich die bisherige Zurückhaltung der deutschen (und auch europäischen) Wettbewerbshüter – zumal angesichts der vollzogenen und anstehenden Veränderungen der Märkte – als die richtige Taktik erweist.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Dr. Christian Dessau

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