Die neue Gegenseitigkeit: Der Entwurf der Leitlinien zur Strompreiskompensation

Die europäischen Leitlinien für die Strompreiskompensation (SPK) in der 4. Handelsperiode standen schon seit dem 25.9.2020 im Amtsblatt der EU. Seitdem warteten die grundsätzlich förderberechtigten Wirtschaftssektoren noch auf die Leitlinien, nach denen Deutschland von dieser Fördermöglichkeit Gebrauch machen möchte. Hierzu liegt inzwischen der Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) – jetzt bekanntlich: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – vor. Er enthält einige der erwarteten Klarstellungen, verlangt aber von den Unternehmen auch Gegenleistungen.

Das „Super Cap“

Es soll ein sogenanntes „Super Cap“ als ergänzende Beihilfe für besonders stromintensive Unternehmen eingeführt werden. Es begrenzt die Gesamtkostenbelastung durch die anzusetzenden CO2-Kosten auf 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung der antragstellenden Unternehmen. Ziel ist ein angemessener Schutz vor Carbon Leakage.

Die Kehrseite der Medaille: Es wird gleichzeitig – und ergänzend zu dem bereits in der Vergangenheit angesetzten Selbstbehalt in Höhe von 1 GWh – ein Sockelbetrag von nicht berücksichtigungsfähigen indirekten CO2-Kosten etabliert. Er definiert sich als 5 Prozent des Zertifikatepreises, der für die Berechnung der Strompreiskompensation zugrunde zu legen ist, mindestens aber 5 Euro pro Tonne CO2. Bei einem Stromverbrauch von beispielsweise 300 GWh macht dies überschlägig immerhin einen nicht förderfähigen Kostenblock von mindestens rd. 1 Mio. Euro aus. Die Beihilfeintensität soll übrigens in den Jahren 2021 bis 2030 – unverändert im Vergleich zu 2020 – 0,75 betragen.

Berücksichtigung von CO2-freiem Strom

Unklar war bislang, wie das BMWi den Bezug von Strom aus Erneuerbaren Energien mit Blick auf die Strompreiskompensation einstufen würde. Er wird nämlich erzeugt, ohne dass Treibhausgase freigesetzt werden, weshalb unterstellt werden könnte, dass für diesen keine CO2-Kosten anfallen. Gleichzeitig fordern die europäischen Förderleitlinien ausdrücklich den Grünstrombezug als Voraussetzung für die Gewährung der Kompensation.

Der Leitlinienentwurf des BMWi stellt klar, dass Stromlieferungsverträge und der Verbrauch eigenerzeugten Stroms künftig auch dann förderfähig sein sollen, wenn es sich um Strom handelt, der ohne den Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt wurde. Nicht beihilfeberechtigt wäre dagegen der Verbrauch eigenerzeugten Stroms aus Anlagen, die vor dem 1.1.2021 in Betrieb genommen wurden und für die ein Vergütungsanspruch nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG 2021) besteht.

Gegenleistungen der Unternehmen für den Klimaschutz

Neu ist schließlich – und hier kommt die Gegenseitigkeit ins Spiel –, dass die Unternehmen künftig Gegenleistungen erbringen müssen. Diese orientieren sich an den entsprechenden Vorgaben der BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BECV). Danach müssen Unternehmen, welche die Beihilfen beantragen wollen, zunächst einmal über ein Energiemanagementsystem im Sinne von § 10 BECV verfügen, wobei auf den Gesamtstromverbrauch statt auf den Gesamtverbrauch fossiler Brennstoffe abgestellt wird.

Außerdem müssen Klimaschutzmaßnahmen durchgeführt werden, für die die Anforderungen des § 11 BECV entsprechend gelten. Unternehmen, die den Antrag stellen, sind also verpflichtet, ab dem Abrechnungsjahr 2023 in Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz zu investieren, soweit diese im Rahmen des Energiemanagementsystems als wirtschaftlich durchführbar bewertet wurden. Als Besonderheit kommt hinzu, dass § 11 Abs. 4 BECV mit der Maßgabe gilt, dass auch solche Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs anrechenbar sind, durch die der Stromverbrauch der von diesem Unternehmen hergestellten Produkte auf einen Wert unterhalb des für diese Produkte festgelegten Stromverbrauchseffizienzbenchmarks abgesenkt wird. Abweichend von § 11 Abs. 3 BECV gilt auch nach dem Abrechnungsjahr 2024, dass (nur) 50 Prozent der bezogenen Förderung in Energieeffizienzmaßnahmen investiert werden müssen, während die Förderung nach der BECV ab diesem Jahr hierfür zu 80 Prozent aufgebracht werden muss. Zusätzlich steht es den soeben beschriebenen Maßnahmen gleich, wenn das antragstellende Unternehmen 30 Prozent seines Strombedarfs mit Strom aus Erneuerbaren Energien abdeckt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht gleichzeitig als Gegenleistungen im Sinne der Förderrichtlinie und im Rahmen eines Beihilfeverfahrens nach der BECV anrechenbar sind. Einzig eine anteilige Aufteilung der Investitionssumme für derartige Klimaschutzkonzepte soll möglich sein.

Anpassungen auf der europäischen Ebene

Auch die Europäische Kommission überarbeitet die Beihilfen für die stromintensive Industrie und hat zwischenzeitlich aktualisierte Referenzwerte verabschiedet. Diese beziehen sich einerseits auf die sogenannten produktspezifischen Stromeffizienzbenchmarks. Sie geben den Stromverbrauch der effizientesten Anlagen wieder und begrenzen damit die Förderung für Anlagen, die eine schlechtere Effizienz aufweisen. Andererseits betreffen sie den CO2-Emissionsfaktor, mit dem die CO2-Intensität des Strommix in den Mitgliedstaaten abgebildet werden soll. Für Deutschland sinkt dieser Wert Berichten zufolge von bislang 0,76 auf 0,72 t CO2/MWh, wodurch auch der Förderbetrag entsprechend absinkt. Ab dem kommenden Jahr sollen die neuen Referenzwerte Anwendung finden.

Neue Leitlinien gelten voraussichtlich ab Frühjahr 2022

Wie geht es nun weiter? Aktuell liegt der Entwurf noch zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission. Laut BMWi ist im Frühjahr 2022 mit der Veröffentlichung der SPK-Förderrichtlinie zu rechnen. Die betroffenen Unternehmen haben dann einerseits endlich Planungssicherheit, andererseits aber auch die Gewissheit, dass sie für die Förderung künftig mehr tun müssen.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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