Einsatz von Stromspeichern durch Netzbetreiber: Möglichkeiten und Bedingungen

Der Stromnetzbetrieb erfolgt in Deutschland als natürliches Monopol, für das nach § 6 ff. EnWG umfassende Entflechtungsvorgaben gelten. Die Entflechtung forciert eine Trennung von Netz und Markt und soll eine Quersubventionierung zwischen Erzeugung und Vertrieb einerseits sowie Übertragung und Verteilung von Strom andererseits verhindern. Dieser rechtliche Rahmen ist grundsätzlich auch für Stromspeicher maßgeblich.

Stromspeicher im rechtlichen Spannungsfeld

Rechtlich nimmt der Stromspeicher eine Zwitterstellung zwischen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen ein (vgl. § 3 Nr. 15d EnWG). Aus diesem Grund ist er nicht eindeutig (nur) als Erzeugungsanlage zu sehen und damit auch nicht eindeutig (nur) dem Wettbewerbsbereich zuzuordnen. Eine Zuordnung zu dem Bereich des Netzbetriebs erschien ursprünglich argumentativ denkbar, etwa wenn der Einsatz des Speichers auf Zwecke des Netzengpassmanagements oder die Bereitstellung von Verlustenergie begrenzt war.

Mit der im Juli 2021 in Kraft getretenen umfangreichen Änderung des EnWG (BGBl. v. 16.07.2021, S. 3026) wurde der für Stromspeicher geltende Rechtsrahmen umfassend konkretisiert und ergänzt. Ausdrücklich ist seither in § 7 Abs. 1 Satz 2 EnWG normiert, dass „Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen nicht berechtigt [sind], Eigentümer einer Energiespeicheranlage zu sein oder eine solche zu errichten, zu verwalten oder zu betreiben“. Eine zentrale Ausnahme von diesem Verbot sieht § 7 Abs. 2 EnWG vor: Danach gilt das Verbot nicht für sogenannte vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen, „an deren Elektrizitätsverteilernetz weniger als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar angeschlossen sind“ (sogenannte De-minimis-Regelung).

Zwei weitere Ausnahmen sind in § 11b EnWG vorgesehen. Danach sind Netzbetreiber ausnahmsweise berechtigt, einen Speicher zu betreiben, wenn die Regulierungsbehörde dies auf Antrag nach erfolgloser Ausschreibung einer Speicherdienstleistung („erfolglosem Markttest“) genehmigt (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 EnWG) oder die Regulierungsbehörde dies für vollständig integrierte Netzkomponenten per Festlegung gestattet bzw. im Einzelfall auf Antrag genehmigt (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 EnWG).

  • Für die Ausnahme nach Nr. 1 muss der Netzbetreiber nachweisen, dass der Stromspeicher für den sicheren Betrieb des Netzes notwendig ist und nicht dazu verwendet wird, elektrische Leistung oder Arbeit ganz oder teilweise auf den Strommärkten zu (ver)kaufen. Ergänzend muss ein offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren durchgeführt worden sein, in dem entweder kein Zuschlag an einen Dritten erteilt werden konnte oder sich nach Erteilung des Zuschlags an einen Dritten herausgestellt hat, dass dieser Dritte die ausgeschriebene Leistung nicht oder nicht rechtzeitig erbringen kann. In diesem Fall ist die Rede von einem „erfolglosen Markttest“. Die Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens sind in 11a EnWG geregelt.
  • Für die Ausnahme nach Nr. 2 muss der Speicher die Anforderungen an eine vollständig integrierte Netzkomponente im Sinne des 3 Nr. 38b EnWG erfüllen, d.h. „in das Übertragungs- oder Verteilernetz integriert“ sein und „ausschließlich der Aufrechterhaltung des sicheren und zuverlässigen Netzbetriebs und nicht der Bereitstellung von Regelenergie oder dem Engpassmanagement dienen“.

Inanspruchnahme der Ausnahme-Tatbestände in der Praxis

Für Netzbetreiber, die weniger als 100.000 unmittelbar oder mittelbar angeschlossene Kunden haben, stellt die De-minimis-Regelung jedoch keinen Freibrief dar, Speicher betreiben und gewinnbringend vermarkten zu dürfen. Vielmehr resultieren aus dem im Übrigen geltende Entflechtungsregime Einschränkungen, die zu beachten sind.

Auch „größere“ Netzbetreiber, die einen der Ausnahmetatbestände aus § 11b EnWG für sich beanspruchen möchten, können eigene Speicher nicht unbegrenzt bzw. nicht für wettbewerbliche Zwecke einsetzen. So berechtigt der erfolglose Markttest nach § 11b Nr. 1 EnWG den Netzbetreiber zunächst nur zu einem Betrieb für fünf Jahre (§ 11b Abs. 3 EnWG). Fünf Jahre nach Inbetriebnahme sowie danach in regelmäßigen Abständen führt die Regulierungsbehörde vielmehr öffentliche Konsultationen durch, um den Fortbestand des Marktversagens festzustellen. Ist es behoben, muss der Netzbetreiber den Betrieb des Speichers (sowie das Eigentum daran) auf einen Dritten übertragen, wenn dieser „zu angemessenen Kosten unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der Lage“ ist, den Betrieb zu übernehmen. Dies birgt Planungsunsicherheit.

Die Ausnahme der vollständig integrierten Netzkomponenten (§ 11b Abs. 1 Nr. 2 EnWG) bietet den Vorteil, auf eine aufwändige Ausschreibung verzichten zu können. Es ergeben sich aber auch hier – wie bei der Ausnahme nach Nr. 1 – Beschränkungen aus dem Verbot, zusätzlichen Erlöse im Wettbewerbsmarkt (Regelenergie, Energiehandel, etc.) zu erzielen. Ob und inwieweit der Einsatz eines Speichers für den Netzbetreiber bzw. das vertikal integrierte Unternehmen wirtschaftlich vorteilhaft ist, muss daher im Detail betrachtet werden.

Stromspeicherdienstleistungen durch Dritte

Netzbetreiber, die sich nicht auf die Ausnahme aus § 7 Abs. 2 EnWG berufen können, und für die die Ausnahmen des § 11b Abs. 1 EnWG mangels Attraktivität ausscheiden, können Stromspeicherdienstleistungen durch Dritte in Anspruch nehmen. Die Vorgaben hierzu sind in § 11 a EnWG geregelt und sehen vor, dass der Netzbetreiber die Dienstleistung auszuschreiben hat. Da das System der Netzentgeltregulierung vom Grundsatz der effizienten Leistungserbringung geprägt ist, ist Grundvoraussetzung hierfür, dass der Einsatz eines durch einen Dritten betriebenen Speichers für den Netzbetreiber zu geringeren Kosten führt als ein Netzbetrieb ohne Speicher. Trifft das zu, ist eine Ausschreibung zu offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen nach den Vorgaben des allgemeinen Vergaberechts durchzuführen, wenn nicht im Einzelfall das Inhouse-Privileg bemüht werden kann.

Ansprechpartner*innen: Dr. Christian de Wyl/Jens Vollprecht/Rosalie Wilde/Lily Lehmann

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