Meilensteine: Bundeskabinett beschließt ZuV 2020

Es geht voran: Am 24.8.2011 hat das Bundeskabinett den Entwurf der neuen Zuteilungsregeln (ZuV 2020) für Emissionsberechtigungen in der dritten Handelsperiode angenommen. Nun steht nur noch die Verabschiedung durch den Bundestag aus.

Die nun verabschiedete Fassung für die Zuteilungsregeln ist allerdings nicht deckungsgleich mit dem Referentenentwurf vom Juni 2011. In einigen, durchaus bedeutsamen Punkten wurden Verbesserungen erzielt. Teilweise wurde der Entwurf auch noch einmal redaktionell geglättet.

Die wichtigsten Neuerungen in aller Kürze:

Aufnahme des geänderten Betriebs

Der erste Entwurf der ZuV 2020 stellte in § 2 Nr. 1 bei der Frage nach der Aufnahme des geänderten Betriebs darauf ab, dass das Zuteilungselement als Ganzes über 90 Tage durchschnittlich mit mindestens 40 Prozent der installierten Kapazität betrieben wird. Diese Formulierung wurde nun geändert. Es kommt jetzt nicht mehr auf das Zuteilungselement insgesamt an. Nun ergibt sich klar aus dem Wortlaut der Regelung, dass es reicht, dass die geänderte Kapazität (also die zusätzliche Kapazität bei einem Zubau oder die verbleibende Kapazität nach einer Verringerung) über den geforderten Zeitraum mit durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitet.

Diese Änderung ist nur logisch: Es kann für die Frage der Aufnahme des geänderten Betriebs sinnvollerweise nicht darauf ankommen, dass bei einer Erweiterung eines Heizkessels mit 200 MWth (Megawatt thermisch) Leistung um 50 zusätzliche MWth die Anlage insgesamt 90 Tage mit 100 MWth arbeitet. Es muss reichen, dass die Kapazitätserweiterung mit 20 MWth läuft.

Wärmeverteilnetz

Bei manchen Regelungen (§ 3 Abs. 2, § 10 Abs. 4 und 5 ZuV 2020-E) kommt es darauf an, ob Wärme direkt oder über ein Verteilnetz geliefert wird. Der Begriff des Wärmeverteilnetzes war in der ersten Version der ZuV 2020-E noch problematisch: Die Definition als ein Netz, in dem Wärme „weder erzeugt noch genutzt wird“, entsprach nicht dem technischen Begriff und hätte viele Wärmeverteilnetze ausgeschlossen: Denn dann, wenn der Betreiber des Netzes auch Betreiber eines Heizkraftwerks ist, produziert er ja und fällt deswegen aus diesem Begriffsverständnis heraus.

Die Kabinettsfassung verzichtet auf diese Formulierung und macht somit den Weg frei für eine Inanspruchnahme der Wärmeverteilnetzsonderregeln auch für Erzeuger mit eigenem Netz. Dies ist nicht unattraktiv. Insbesondere wenn emissionshandelspflichtige Anlagen über das Netz, aber ohne Direktlieferungsvertrag versorgt werden (§ 3 Abs. 2 ZuV 2020-E) oder wenn Haushalte über eigene Netze des Erzeugers beliefert werden, steht der Betreiber besser.

Ganz bedenkenlos kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass in allen diesen Fällen nun auch das eigene Netz des Erzeugers als Wärmeverteilnetz gilt. Denn die Regelungen über die „Sondersituation“ Wärmeverteilnetz zielen ersichtlich nicht auf eigene, sondern auf fremde Netze ab, über die der Wärmeproduzent wenig weiß. Hier empfiehlt es sich für Zweifelsfälle, auf Hilfsanträge zurückzugreifen, um das Risiko zu vermeiden, dass relevante Wärmemengen ganz unter den Tisch fallen. Zwar sprechen auch die „Question & Answers“ der Europäischen Kommission vom Juli unter Punkt 2.5 für die Möglichkeit, dass auch ein Wärmeerzeuger, der zugleich ein Wärmeverteilnetz betreibt, die Zuteilung erhält. Dieses Dokument ist aber nicht verbindlich und kann eine aus der Sicht der Behörde „falsche“ Antragstellung nicht heilen.

Bestimmung der Anfangskapazität

Bei der Frage, wie die installierte Anfangskapazität nach § 4 Abs. 1 ZuV 2020-E bestimmt wird, hat sich eine ebenfalls wichtige Neuerung ergeben. Im Erstentwurf sollte der Durchschnitt der beiden höchsten Monatsproduktionsmengen vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2011 betrachtet werden. Der neue Entwurf verkürzt diesen Zeitraum nun auf die Periode zwischen dem 1.1.2005 und dem 31. Dezember 2008. Nur für den Fall, dass eine Anlage ihren Regelbetrieb erst nach dem 1.1.2007 aufgenommen hat, ist nach der neuen Fassung des § 4 Abs. 3 Satz 3 ZuV 2020-E der Zeitraum von der Aufnahme des Regelbetriebes bis zum 30.6.2011 maßgeblich.

Diese Änderung ist für Anlagen mit Kapazitätsänderungen besonders relevant. Denn hier kommt es darauf an, ob 10 Prozent mehr oder weniger Kapazität (= Arbeit) vorliegen als vor der Änderung des Zuteilungselements. Hier verschiebt sich natürlich der Maßstab, wenn das Ausgangsniveau durch die Verkürzung der Bemessungsperiode tendenziell sinkt.

Datenerhebung

Hinsichtlich der vielen Daten, die die Anlagenbetreiber im Zuteilungsverfahren beibringen sollen, gibt es ebenfalls zwei Änderungen:

Im ersten Entwurf sollten die Daten nach § 5 Abs. 1 für alle sechs Kalenderjahre 2005 bis 2010 erhoben werden, unabhängig davon, welche Basisperiode der Antragsteller gewählt hat. Das bedeutete einen erheblichen Mehraufwand in der Datenabfrage – der jetzt entfällt: Der Kabinettsentwurf fordert nur noch, die Daten in Bezug auf die jeweils gewählte Basisperiode anzugeben (§ 5 Abs. 2 Satz 1 ZuV 2020-E). Das ist zu begrüßen, angesichts der Datenflut, die ohnehin sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch auf Seiten der zuständigen Behörde bewältigt werden muss.

Die zweite Änderung betrifft § 5 Abs. 3 Satz 1 ZuV 2020-E: Der sieht vor, dass der Antragsteller von der Pflicht zur Übermittlung von Angaben zu den Eingangs- und Ausgangsströmen der Anlage befreit werden kann, soweit diese Angaben der DEHSt bereits vorliegen. Das macht Sinn, schließlich ist eine doppelte Übermittlung dieser Daten überflüssig.

Im ersten Entwurf galt diese Befreiung allerdings nicht für Anlagen, die erst ab 2013 emissionshandelspflichtig werden. Dabei hatten auch diese bereits Daten mitgeteilt, wenn auch naturgemäß nicht im Rahmen von Emissionsberichten, sondern über die Datenmitteilung nach der Datenerhebungsverordnung 2020 (DEV 2020).

Aktivitätsrate

Für Bestandsanlagen berechnet sich die Aktivitätsrate (also die Grundlage für die Zuteilung neben dem Benchmark) an sich aus den Medianwerten der Basisperiode. Ausnahmen gab es im ersten Entwurf nur für zwei besondere Fälle, nämlich sehr neue Anlagen (Inbetriebnahme weniger als zwei Jahre vor dem Ende der gewählten Basisperiode) und Anlagen, deren Basisperioden aufgrund des Wegfalls ganzer Jahre mangels Betrieb die Gesamtdauer von zwei Jahren unterschreiten.

Im neuen Entwurf findet sich nun noch eine dritte Ausnahme: Industrieanlagen (also solche nach Anhang 1 Teil 2 Nummern 7 bis 29 TEHG), die innerhalb der gewählten Basisperiode länger als ein Jahr nicht in Betrieb waren und zudem weder als Bereitschafts- oder Reservekapazität vorgehalten oder saisonal betrieben wurden, erhalten ebenfalls eine Zuteilung auf Grundlage des maßgeblichen Auslastungsfaktors gem. § 17 Abs. 2 ZuV 2020-E, der auf individuellen, aber auch auf anlagentypspezifischen Daten beruht. Dies kann, muss aber nicht sehr günstig sein. Zu begrüßen ist die Änderung aber in jedem Fall für Anlagenbetreiber, die wegen besonderer Umstände wie Störfälle o. ä. keine repräsentative Basisperiode vorweisen können.

 Wärmeversorgung von Privathaushalten

Für die Fernwärmeversorgung von Privathaushalten gibt es bekanntlich auf Antrag einen Zuschlag zur Zuteilung auf Basis von Emissionen statt von Benchmarks. Bei dieser für Stadtwerke ganz besonders wichtigen Regelung hat es gleich zwei durchweg positive Änderungen gegeben:

Zum einen muss der Wärmeversorger, der Privathaushalte beliefert und eine Zuteilung nach § 10 Abs. 1 ZuV 2020-E begehrt, für die Folgejahre (2014 bis 2020) keinen gesonderten Antrag mehr auf Anpassung der Anzahl der Berechtigungen stellen. Sein Antrag wird von Amts wegen angepasst, solange der Antragsteller nach der Regelzuteilung für Wärmebenchmark (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 lit. a ZuV 2020-E) weniger Zertifikate erhalten würde. Dies nimmt den Anlagenbetreibern das „Rechenrisiko“, bis zu welchem Jahr sie mit § 10 ZuV 2020-E besser fahren als mit dem Wärmebenchmark.

Zum Zweiten: Wer die an Privathaushalte ausgelieferte Wärmemenge nicht konkret nachweist, sondern die Nachweiserleichterung nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZuV 2020-E in Anspruch nimmt, erhält nun für 39 Prozent statt nur für 30 Prozent der abgegebenen Wärme die Haushaltszuteilung. Diese Erhöhung um immerhin 9 Prozent ist erfreulich, wird aber der Realität der meisten kommunalen Fernwärmeversorger nach wie vor auch nicht annähernd gerecht.

Basisperiode der Kleinemittenten

Kleinemittenten dürfen – dies hat der Gesetzgeber im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) festgelegt – auf die Abgabe von Emissionsberechtigungen verzichten, wenn sie dies beantragen. Allerdings müssen sie in diesem Fall Kompensationen leisten und entweder ihre Emissionen mindern oder eine Ausgleichszahlung abliefern.

Für die Frage, auf welcher Berechnungsbasis diese Kompensationen zu leisten sind, trifft § 23 Abs. 6 ZuV 2020-E nähere Festlegungen. Hier hieß es im ersten Entwurf der ZuV 2020, dass nur die Jahre 2005 bis 2008 herangezogen werden könnten. Dies hätte Kleinanlagenbetreiber schlechter gestellt als andere Anlagenbetreiber, die zwischen zwei Basisperioden wählen dürfen. Diese Ungleichbehandlung hat der neue Entwurf nun beseitigt: Auch Kleinemittentenbetreiber können nun zwischen den Basisperioden 2005 bis 2008 und 2009 bis 2010 wählen.

Mehrproduktion anderer Produkte bei Produktionsrückgängen

Wenn sich die Aktivitätsrate, die beispielsweise der Regelzuteilung nach § 9 Abs. 2 ZuV 2020-E zu Grunde gelegt wird, im Nachhinein um mindestens 50 Prozent verringert, dann gilt das gemäß § 21 Abs. 1 ZuV 2020-E als eine teilweise Betriebseinstellung. In diesem Fall wird die Zuteilungsentscheidung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 ZuV 2020-E von Amts wegen teilweise aufgehoben und angepasst. Die Anpassung erfolgt durch schrittweise Verringerung der zuzuteilenden Berechtigungen. Soweit hat sich gegenüber dem ersten Entwurf der ZuV 2020 nichts geändert.

Neu ist indes § 21 Abs. 2 Satz 2 ZuV 2020-E: Danach kann die Behörde von einer Verringerung absehen, soweit spiegelbildlich zum Rückgang der Produktion des einen Produkts in derselben Produktionslinie eine Mehrproduktion eines anderen Produkts stattfindet. Diese Änderung ist sehr zu begrüßen. Ohne diese Regelung würden Mehrproduktionen keine Zuteilung erhalten. So aber haben Betreiber von Anlagen, in denen in einer Produktionslinie mehrere Produkte hergestellt werden können, die Möglichkeit, die Produktion zu verlagern, ohne, dass ihnen Emissionsberechtigungen verloren gehen.

„Schönheitskorrekturen“

Daneben hat der Verordnungsgeber die Gelegenheit genutzt, den ersten Entwurf der ZuV 2020 redaktionell zu überarbeiten. Insbesondere folgende „Schönheitskorrekturen“ sind neu:

  • Die Definition der Aufnahme des Regelbetriebs (§ 2 Nr. 2 ZuV 2020-E) wurde konkretisiert: Der Begriff der Kapazität wurde durch den Begriff der Produktionsleistung ersetzt. Das heißt, Regelbetrieb liegt vor, wenn die Anlage durchgängig über einen 90-Tage-Zeitraum mit durchschnittlich 40 Prozent der Produktionsleistung arbeitet. Diese Formulierung ist deutlich klarer als zuvor.
  • Der Begriff verkaufsfertiger Produkte (§ 2 Nr. 16 ZuV 2020-E) wurde geändert und heißt nunmehr „marktfähige Produkte“. Diese Änderung ist als rein stilistisch zu betrachten, in inhaltlicher Hinsicht besteht kein nennenswerter Unterschied. Als redaktionelles Versehen ist es daher zu sehen, dass die Terminologie nicht einheitlich geändert wurde: in § 4 Abs. 2 Nr. ZuV 2020-E ist erneut von verkaufsfertigen Produkten die Rede.
  • Ohne inhaltliche Änderung wurde auch der Begriff der „emissionsrelevanten Ein- und Ausgangsströme“ reformuliert: Es kommt nun auf die zuteilungsrelevanten Ein- und Ausgangsströme an.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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