Reservierungen von Einspeisekapazität für EEG-Anlagen: BGH bestätigt erstmals Zulässigkeit

Welche Rechtswirkung hat es, wenn ein Netzbetreiber aufgrund einer Anschlussanfrage eines Einspeisewilligen eine Reservierung von Einspeisekapazität vornimmt? Mit diesem sehr alten Streitthema hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 21.3.2023 befasst.

Bisher keine gesetzliche Regelung zur Reservierung des Netzanschlusses

Bislang war – mangels einer gesetzlichen Regelung oder einer höchstrichterlichen Rechtsprechung – nicht rechtssicher zu beurteilen, ob Netzbetreiber verbindlich Netzkapazität reservieren können, also mit Wirkung auch zulasten konkurrierender, aber schnellerer Netzanschlussbegehren. Folglich ging ein Netzbetreiber mit einer Reservierung von Einspeiseleistung das Risiko ein, letztlich beide konkurrierenden Anlagen (die mit Reservierung und die schneller errichtete) am Netzverknüpfungspunkt anschließen zu müssen. Die ersterichtete Anlage wäre dann aus Gesetz und die Anlage mit Reservierung aus dem Reservierungsvertrag anschlussberechtigt. Im Ergebnis führte dies dann im Zweifel zu einem Netzausbau und damit zu einer zusätzlichen Erhöhung der Netzentgelte für alle betroffenen Stromkunden.

Deshalb haben Netzbetreiber für EE-Anlagen häufig sicherheitshalber keine verbindlichen Reservierungen ausgesprochen und den Netzanschluss streng nach dem Wortlaut des § 8 EEG 2023 in der Reihenfolge der tatsächlichen anschlussfertigen Errichtung gewährt. Mit seinem Urteil hat der BGH nun erstmals die Wirksamkeit einer Reservierung gegenüber einem konkurrierenden Anschlussbegehrenden festgestellt. Der frühere Antrag auf Netzanschluss setzt sich demnach mit einer Reservierung (unter bestimmten Voraussetzungen, dazu gleich) selbst dann durch, wenn eine konkurrierende Anlage das Projekt mit Reservierung überholt. In der Folge muss dem späteren Anschlussbegehrenden ein anderer Netzverknüpfungspunkt zugewiesen werden – obwohl seine Anlage früher anschlussbereit war.

Anforderungen an eine wirksame Reservierung des Netzanschlusses

Bei der Ausgestaltung des Reservierungsverfahrens muss der Netzbetreiber die Interessen aller beteiligter Anschlusspetenten angemessen berücksichtigen. Erforderlich ist nach dem BGH ein transparentes, diskriminierungs- und willkürfreies Reservierungsverfahren, das zudem nicht den Ausbau der Erneuerbaren Energien behindert. Dabei verpflichtet der BGH die Netzbetreiber nicht ausdrücklich zu solchen Reservierungen. Anschlussbegehrende haben also keinen Anspruch auf eine Reservierung, sondern lediglich einen Anspruch auf eine willkür- und diskriminierungsfreie Reservierung, wenn ein Netzbetreiber Reservierungen vornimmt. Nach dieser Entscheidung stellt sich also nicht mehr die Frage des „Ob“ der Zulässigkeit der Reservierung von Einspeisekapazität am gesetzlichen Netzverknüpfungspunkt, sondern nur noch die des „Wie“.

Begründung des BGH: Planungs- und Investitionssicherheit schaffen

Der BGH begründet seine Entscheidung (Rn. 25 ff.) einerseits mit der systematischen Stellung von § 5 Abs. 1 EEG 2012 (auf den es in der Entscheidung statt des heute geltenden § 8 Abs. 1 EEG 2023 ankam) im Zusammenhang mit dem Netzanschlussverfahren nach § 5 Abs. 5 und 6 EEG 2012 (Rn. 26 f.), andererseits mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen im EEG. Und wirklich ergibt das auf Geschwindigkeit und Planungssicherheit abzielende gesetzliche Verfahren zum Netzanschluss keinen Sinn, wenn die mitgeteilten Informationen insbesondere zum Netzverknüpfungspunkt nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt für eine gewisse Zeit verbindlich bleiben. Durch die Reservierung wird das Konkurrenzrisiko um Einspeisekapazität in bestimmten Grenzen reduziert und so Planungs- und Investitionssicherheit geschaffen. Dies dient dann dem beschleunigten Zubau insbesondere von Wind- und Solaranlagen.

Wichtige Entscheidung des BGH

Der Entscheidung des BGH ist umfassend zuzustimmen. Die überragende Bedeutung eines zügigen Ausbaus der erneuerbaren Stromerzeugung wird von Jahr zu Jahr deutlicher. Dies erfordert ein gesetzliches Netzanschlussverfahren, das geeignet ist, das notwendige Maß an Planungssicherheit zu gewährleisten. Gerade in der aktuellen Solarboom-Situation, aber auch für den bevorstehenden umfassenden weiteren Windkraftzubau an Land bedarf es eines Prozederes für den Netzanschluss, das Investitionsentscheidungen möglichst erleichtert. Zentral sind dabei die Kriterien, nach denen die Netzbetreiber die hinreichende Projektreife etwa eines Windparkprojekts diskriminierungsfrei und transparent bemessen können. Bei genehmigungspflichtigen Anlagen bietet sich hier die Erteilung der Bau- oder BImSchG-Genehmigung an. Bei ausschreibungspflichtigen Anlagen (Solar- und Windenergieanlagen ab 1 MW installierter Leistung) ist es zudem sinnvoll, die Reservierung ab der Genehmigungserteilung bis zur nächsten oder gegebenenfalls übernächsten Ausschreibung der BNetzA für diese Anlagen zu befristen und bei Zuschlagerteilung erneut eine Reservierung auszusprechen.

Aber auch im Segment der kleineren und mittleren nicht genehmigungsbedürftigen PV-Anlagen wird der gesetzliche Netzverknüpfungspunkt nicht immer an einem bereits bestehenden Netzanschlusspunkt liegen. Konkurrenz um Einspeisekapazitäten an bestehende oder noch auszubauende Netze ist ebenfalls Alltag. Auch insoweit werden sich Netzbetreiber also Kriterien für eine hinreichende Projektreife überlegen müssen, die eine verbindliche Reservierung von Einspeisekapazität im Spannungsverhältnis mit dem Anschlussanspruch schneller errichteter Anlagen zu rechtfertigen vermögen. Schließlich müssen auch die Reservierungsfristen genau richtig bemessen sein: nicht zu kurz, um die Realisierung nicht zu behindern, aber andererseits auch nicht zu lang, damit die Rechte der (schnelleren) konkurrierenden Vorhaben auf einen möglichst günstigen und schnellen Netzanschluss nicht über Gebühr verkürzt werden.

Ansprechpartner*innen: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Wieland Lehnert/Christoph Lamy

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