Störfeuer im Land der aufgehenden Sonne

(c) BBH
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Japan und seine Bevölkerung haben es nicht leicht. Seit im März 2011 im Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi drei Reaktoren schmolzen, große Teile Japans und des Ozeans radioaktiv verseuchten und ganze Landstriche dauerhaft unbewohnbar machten, ist das Land mit seinen gut 127 Mio. Einwohnern aufgewühlt. Auch die Energiewelt steht vor enormen Aufgaben: Die Abkehr von der Kernkraft muss bewältigt, der Ausbau von Erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. Doch alte Seilschaften und eine immer noch nicht entflochtene Energiewirtschaft gefährden dieses Ziel. Das bringt auch Investitionen deutscher Unternehmen vor allem im Photovoltaik-Sektor in Gefahr. Hier wird es notwendigerweise zu Schiedsgerichtsverfahren auf der Grundlage der Energy Charter kommen müssen, sollte die Politik nicht einlenken.
(engl. Fassung)

Nach der Katastrophe von Fukushima wurden alle Atommeiler in Japan abgestellt. Einer der wohlhabendsten Männer Japans, der einflussreiche IT Unternehmer Masayoshi Son stellte Millionen bereit, um eine Stiftung zur Förderung der Erneuerbaren Energien in Japan ins Leben zu rufen (Japan Renewable Energies Federation, JREF). Diese Stiftung half unmittelbar, Einspeisetarife für Erneuerbare Energien in Japan einzuführen (festgelegt im Renewable Energy Act, RENA). Die Bevölkerung war zutiefst betroffen durch das atomare Unglück und hat eine in Japan ungewöhnlich starke und konstante Protestbewegung gegen Atomkraft etabliert.

Doch noch gibt es große Hindernisse. Der Fukushima-Betreiber TEPCO und die politische Führung des Landes, insbesondere die derzeitige Regierung, stoßen in der Nach-Fukushima-Welt auf viel Kritik, nicht nur in Japan, sondern auch international. So sollen die Sperrzonen im Gegensatz zu Tschernobyl recht lax ausgerichtet sein. Bei den Aufräumarbeiten soll es nach wie vor einerseits offizielle Arbeiter geben, die bis zur Erreichung der zulässigen Höchstgrenze für Strahlenwerte im Einsatz sein durften. Daneben gibt es nach Veröffentlichungen inoffizielle Arbeiter, die von der Yakuza – der japanischen Mafia – nach Fukushima gebracht werden. Diese Obdachlosen oder Hilfsarbeiter unterliegen keiner medizinischen Kontrolle und sollen oft auch nicht einmal mit Dosimetern und Schutzmaterial ausgestattet sein und verschwinden spurlos nach dem Einsatz. Bereits 2013 warnte das deutsche Handelsblatt, dass auch völlig unklar ist, wo das kontaminierte Material bei den Aufräumarbeiten eigentlich hingelangt. „Vielfach wird … (der radioaktive Müll) womöglich illegal verkippt. Denn Japans Unterwelt, die Yakuza-Banden, haben das Entseuchungsbusiness durchsetzt. Im Januar 2013 hat die Polizei ein Mitglied der zweitgrößten Yakuza-Bande, des Sumiyoshi Kai, verhaftet, der illegal Arbeiter für Entseuchungsprojekte in Date organisiert hat.“ Illegale Müllentsorgung sowie die Vermittlung von Arbeitern für die Bauindustrie und gefährliche Arbeiten gehören offenbar zu den Kerngeschäftszweigen der Banden.

Dabei gibt es durchaus auch Erfolge zu vermelden. Immerhin gab es seit mehr als 600 Tagen keinen Black Out, obwohl keine der über 50 Atomanlagen am Netz war. Doch scheint die japanische Regierung und Versorgerlandschaft schon wieder zurückzurudern: Nach dem Willen der Atomkraftswerksbetreiber und der Regierung sowie des zuständigen Ministeriums METI sollen zehn Anlagen wieder hochgefahren werden, wenn nicht ein Gerichtsverfahren dies noch verhindern kann.

Wenig optimistisch stimmt auch, dass die Energieversorungsunternehmen kaum Bereitschaft zur Entflechtung zeigen und Investitionen, insbesondere in Photovoltaik (PV) und Wind diskriminierend behandelt werden. Vor allem in PV-Anlagen kann man kaum sicher investieren, da die Netzbetreiber sie ohne jeden Sinn und quasi ohne Begründung mit Segen des METI abkoppeln können, und zwar ohne dafür Schadensersatz leisten zu müssen. Bereits das jetzige Recht sieht die Möglichkeit vor, große PV-Projekte für bis zu 30 Tage im Jahr (was etwa 8,2 Prozent der Produktionszeit im Jahr entspricht) auf 360 h pro Jahr herabzusetzen, und die meisten der nicht-entflochtenen Stromversorger, die auch Netzeigentümer sind, können über dieses Limit gehen. Auf Basis der Peak-Power-Berechnung von etwa 1200 Peak-Stunden pro Jahr in Japan kommt die Neuregelung mindestens einer Beschränkung von 30 Prozent im Jahr gleich. Wenn man von 360 Peak-Stunden ausgeht, für die eine Drosselung erfolgen kann, dann kommt man zu dieser entschädigungsfreien Behinderung in der besagten Höhe.

Wir haben in zahlreichen Gesprächen Anfang März 2015 in Tokio eindringlich das Ministerium METI und andere Beteiligte gewarnt sowie die deutsche Botschaft von dieser Problematik informiert. Sollte diese geplante Abkoppelung von PV-Anlagen bis zu 360 h im Jahr pro Anlage Realität werden, stellt sich die Frage, ob darin ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der nicht entflochtenen Unternehmen liegt. Außerdem wären ausländische Investoren in PV, aber auch in Wind, in Japan geradezu gehalten, das Land vor einem der Schiedsgerichte nach Art. 10 der Energy Charta Treaty wegen Verletzung des Investorenschutzes auf Schadensersatz zu verklagen. Der Hinweis auf die Drosselungsregelung in § 15 EEG, auf die klaren Netzstabilisierungsvoraussetzungen und die Pflicht, den Anlagenbetreibern im Fall der Drosselung ihren währenddessen entstandenen Schaden zu ersetzen, hat zu großem Erstaunen geführt , ist aber nicht wirklich ernst genommen worden in den Gesprächen.

Hoffentlich hat Bundeskanzlerin Merkel während ihres jüngsten Staatsbesuches in Japan auf diesen Missstand hingewiesen. Ansonsten bliebe für die deutschen und andere ausländische Investoren nur der Weg zum Schiedsrichter, und Japan hätte seine Glaubwürdigkeit in Sachen Energiesystemwandel auf lange Sicht eingebüßt.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Martin Altrock

PS: Hier Zugriff auf engl. Fassung.

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