Trilog zur EU-Gas- und Wasserstoffrichtlinie beendet: Interview mit den BBH-Partnern Prof. Christian Held und Christian Thole

Ein strittiger Punkt in der Diskussion um die EU-Gas- und Wasserstoffbinnenmarktrichtlinie war das eigentumsrechtliche Unbundling. Die Europäische Kommission war der Auffassung, dass alle Unternehmen im Erdgasbereich, die vertikal integriert sind, also Produktion, Vertrieb und Netz, kein Wasserstoffnetz betreiben dürfen. Der Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament ist nun beendet. Die BBH-Partner Rechtsanwalt Prof. Christian Held und Rechtsanwalt Christian Thole erklären im Interview die Details der Novelle der EU-Gas- und Wasserstoffbinnenmarktrichtlinie und warum sich Stadtwerke freuen dürfen.

BBH-Blog: Die Frage, die Stadtwerke also seit fast zwei Jahren bewegte, war: Dürfen Gasnetzbetreiber in Zukunft auch Wasserstoffnetzbetreiber sein? Und wenn ja, wie? Herr Prof. Held, wie hat der Trilog entschieden?

Prof. Christian Held: Die gute Nachricht ist: Das eigentumsrechtliche Unbundling ist vom Tisch. Energieversorgungsunternehmen dürfen neben den Gasnetzen auch Wasserstoffnetze betreiben. Vor allem für die Stadtwerke ist das ein großer Erfolg, der der entschiedenen Gegenwehr des Europäischen Parlaments zu verdanken ist. Ebenso ist nun geregelt, dass es neben Wasserstofftransportnetzen auch Wasserstoffverteilnetze geben wird und damit die etablierten Strukturen der Gaswirtschaft auf Wasserstoff übertragen werden. Eine sehr wichtige Unterscheidung, – die das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in der aktuellen Fassung übrigens nicht trifft – um einen ineffizienten Dualismus zwischen der Fernleitung und Verteilung von Wasserstoff zu vermeiden.

BBH-Blog: Gasnetzbetreiber können also jubeln?

Christian Thole: Lieber erst einmal freuen als jubeln. Die Tatsache, dass Gasnetzbetreiber auch Wasserstoffnetze betreiben dürfen, ist ohne Zweifel ein Meilenstein für die Zukunft der Gasnetze. Gasverteilnetzbetreiber müssen dafür keine eigene Wasserstoffnetzgesellschaft gründen und können die Infrastrukturdienstleistungen aus einer Hand anbieten. Verpflichtend ist aber die Umsetzung eines buchhalterischen Unbundlings mit getrennten Konten für den Gasnetz- und Wasserstoffnetzbetrieb. Ob und wie damit eine für den Hochlauf von Wasserstoff so wichtige Entwicklung der Wasserstoffnetze aus den Erdgasnetzen heraus ausreichend erfolgen kann, bleibt abzuwarten. Es ist jetzt notwendig, sich erst einmal das Ergebnis des politischen Trilogs im Detail auf der Basis von konsolidierten Texten anzusehen. Erst dann kann das final bewertet werden.

BBH-Blog: Im Rahmen der Novellierung sind aber auch andere Punkte herausgearbeitet worden. Einer betrifft die lokale Netzplanung.

Held: Auch hier folgt der Trilog in einem wichtigen Punkt den Vorschlägen des Europäischen Parlamentes. Alle Gasverteilnetzbetreiber sind dazu verpflichtet, lokale Netzentwicklungspläne für die Zukunft der Gasnetze zu erstellen. Das unterstreicht letztendlich die Bedeutung der Stadtwerke, die bislang die Kommunen bei der Netzentwicklungsplanung lediglich unterstützt haben. Nun gibt es eine originäre Verpflichtung der Netzbetreiber, das Gasnetz zu planen. Die Schnittstelle zur kommunalen Wärmeplanung wird also geschlossen. Auch künftige Wasserstoffnetzbetreiber (und Wasserstoffverteilnetzbetreiber) werden in die Pflicht genommen: Sie müssen einen Entwicklungsbericht über die lokale Wasserstoffentwicklung schreiben. Was konkret die Unterschiede zwischen Plan und Bericht sind, muss man sich dann im Detail ansehen. Der Netzentwicklungsplan wird aber verbindlicheren Charakter haben.

Thole: Ein weiterer erfreulicher Punkt sind neue Regelungen, die die Stilllegung von Teilnetzen bzw. Kündigung von Kunden betreffen. Wenn der Gasnetzbetreiber bei der Planung feststellt, dass Teile des Netzes ineffizient sind – zum Beispiel weil da ein Wärme- oder Wasserstoffnetz aufgebaut wird oder weil in dem Bereich sehr viele Kunden mit Wärmepumpen sind –, kann er diesen Teil des Netzes stilllegen und den Kunden kündigen. Natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen: Alles muss rechtzeitig angekündigt werden und es muss eine Alternative für die Kunden geben. Auch muss das Vorhaben mit der Wärmeplanung übereinstimmen, denn wenn die Kommune sagt, dass in einem bestimmten Bereich das Erdgasnetz bleibt, dann ist das so.

BBH-Blog: Gibt es in der neuen Richtlinie auch Bestimmungen, die die Transformation des Gas- in ein Wasserstoffnetz betreffen?

Thole: Ja, die Richtlinie sieht vor, dass Elektrolyseure, also die Wasserstoffeinspeisung, im Erdgasnetz vorrangig möglich sein müssen – genauso wie die Biogaseinspeisung. Die Regelung ermöglicht es Stadtwerken, auf kommunaler Ebene Einspeiseanlagen zu betreiben. Natürlich muss es hier auch Regelungen geben, die ineffizienten Netzausbau verhindern. Insbesondere muss die Umwidmung von Erdgas- zu reinen Wasserstoffnetzen mitgedacht werden. Die Einspeisung würde dann nicht mehr ins Erdgas-, sondern ins transformierte Wasserstoffnetz erfolgen.

BBH-Blog: Wie würden Sie die Novelle der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie nun in ihrer Gesamtheit beurteilen?

Held: Alles in allem handelt es sich um einen tollen Erfolg für die Stadtwerke. Die Novelle liefert vier wesentliche Punkte, die für die Zukunftsfähigkeit des Gasbereichs von entscheidender Bedeutung sind. Zunächst haben die Stadtwerke jetzt die Gewissheit, dass das Erdgasnetz nicht stillgelegt werden muss, sondern es zumindest in Teilen zu einem Wasserstoffnetz transformiert werden und vor allem dann auch vom ehemaligen Gasnetzbetreiber betrieben werden kann. Die Versorgung der Großkunden ist also gesichert, da das Gasnetz nun eine Zukunft hat. Auch die anderen zentralen Punkte der Novelle werten wir positiv. Die Netzentwicklungsplanung bestärkt die Rolle der Stadtwerke. Dass auf Verteilnetzebene Einspeisungen erfolgen können, ist wichtig für Stadtwerke, um in der Wasserstofferzeugung tätig zu werden. Und nicht zuletzt ist das Ende des bisherigen Anschluss- und Benutzungszwangs eine weitere sehr gute Nachricht für Gasnetzbetreiber.

Anmerkung der Redaktion: Das Ergebnis des Trilogs geht in den folgenden Wochen zur Abstimmung in die Gremien des Rates und ins Europäische Parlament. Mit der Plenarabstimmung ist im März 2024 zu rechnen. Nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt bleiben den Mitgliedsstaaten zwei Jahre zur Umsetzung in die nationale Gesetzgebung.

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