Europäische Emissionshandelsrichtlinie GELEAKT: Was steht drin? (Teil 2)

Teil 2. Einführung des Emissionshandels für Gebäude und Verkehr: Wie erwartet, führt die EU einen zweiten, separaten Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sowie industrielle Tätigkeiten ein (EHS II), die nicht unter den EHS fallen. Hier strebt die EU für den Gebäude- und Straßenverkehrssektor eine Emissionssenkung von 43 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 bzw. 42 Prozent bis 2030 gegenüber 2005 unter Berücksichtigung weiterer neu einbezogener Sektoren (dies betrifft vom ETS I nicht erfasste Sektoren im Bereich Energie, Industrie und Bau) an. Dieser Emissionshandel gilt – ähnlich dem nationalen Brennstoffemissionshandel – für Inverkehrbringer von Brennstoffen. Die betroffenen Unternehmen müssen zum Start des EHS II im Jahr 2025 eine entsprechende Emissionsgenehmigung haben und für die Jahre 2024 bis 2026 ihre Emissionen berichten. Eine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten wird es in den EHS-II-Sektoren nicht geben.

Der Zertifikate-Handel wird erst 2027 beginnen. Der für das zu versteigernde Budget geltende lineare Reduktionsfaktor wird zunächst auf 5,10 Prozent festgesetzt (bezogen auf die für die EHS-II-Sektoren anhand der VO (EU) 2018/842 für 2024 ermittelte Emissionsobergrenze) und ab 2028 (dann bezogen auf die im Schnitt der Jahre 2024 bis 2026 im EHS II berichteten Emissionen) auf 5,38 Prozent angepasst. Gleichwohl sollen im Jahr 2027 30 Prozent mehr Zertifikate versteigert werden als in der Gesamtmenge vorgesehen, um dem Interesse der Unternehmen zu begegnen, ihr Preis- und Liquiditätsrisiko zu mindern. Gleichzeitig wird angestrebt, das Preisniveau möglichst bei 45 Euro zu begrenzen. Technisch soll dies u.a. dadurch erreicht werden, dass bei einem Überschreiten dieser Marke über mehr als zwei Monate 20 Millionen Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve freigegeben werden können.

Kostenlose Zuteilung nur mit Gegenleistung

Die Erteilung kostenloser Emissionszertifikate ab 2026 wird an die Bedingung geknüpft, Energiemanagement, Energieeffizienzmaßnahmen oder Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasen umzusetzen. Bei Nichteinhaltung droht eine Zuteilungskürzung von bis zu 20 Prozent der Zuteilungsmenge.

Neuer Ansatz in Carbon Leakage-Sektoren

Das System des Carbon Leakage-Schutzes in Form der kostenlosen Zuteilung und Kompensation der auf den Strompreis umgelegten EHS-Kosten (Strompreiskompensation) wird mit Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) schrittweise beseitigt. Die Belastung der Warenimporte aus den Sektoren (Aluminium, Zement, Strom, Düngemittel, Eisen und Stahl) mit einem CO2-Preis geht spiegelbildlich mit einem Ende der kostenlosen Zuteilung im Jahr 2034 und voraussichtlich auch mit einem Ende der Strompreiskompensation einher. Letzteres sowie die Frage, ob weitere Sektoren in den CBAM aufgenommen werden und wie mit Exporten verfahren werden soll, wird allerdings erst im Jahr 2026 beantwortet, wenn die Kommission den Erfolg des CBAM analysiert haben wird.

In den CBAM-Sektoren erhalten die Unternehmen im Jahr 2026 noch eine Zuteilung von 97,5 Prozent der Zuteilungsmenge, die anhand des CO2-Benchmarks bestimmt wird. Dieser Prozentsatz wird in den folgenden Jahren schrittweise abgesenkt auf null Prozent im Jahr 2034.

Allerdings sollen die CBAM-Sektoren nicht leer ausgehen. So werden die Zertifikate, die nicht mehr kostenlos zugeteilt werden, in den Innovationsfonds überführt. Diese Beträge sollen vor allem in den CBAM-Sektoren für erhebliche Investitionen in kohlenstoffarme Technologien, Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (Carbon Capture and Utilization, „CCU“), Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, „CCS“), erneuerbare Energien und Energiespeicherung genutzt werden. Auch Mitgliedstaaten wird gestattet, Auktionserlöse zu verwenden, um spezifisch dem Carbon-Leakage-Risiko durch Beihilfen zu begegnen.

Verstärkte Förderung

Dass die EU einen Schwerpunkt auf Innovationsförderung legt, zeigt auch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Innovationsfonds. Dieser soll nicht mehr nur Tätigkeiten aus den EHS-Sektoren, sondern auch Verfahren fördern, die kohlenstoffintensive Produkte ersetzen (Substitute), ähnlich wie bei den deutschen Klimaschutzverträgen. Eingeschlossen ist auch die Förderung innovativer Technologien für erneuerbare Energien und Energiespeicherung sowie für CCU-Projekte, die wesentlich zur Abschwächung des Klimawandels beitragen, insbesondere bei unvermeidbaren Prozessemissionen. Hinzu kommt die Förderung des Baus und Betriebs von CCS-Projekten, insbesondere für unvermeidbare industrielle Prozessemissionen, und der direkten Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre mit sicherer, nachhaltiger und dauerhafter Speicherung (Direct Air Capture and Storage, „DACS“).

Gefördert werden sollen auch bahnbrechende innovative Technologien und Infrastruktur. Als mögliche Förderinstrumente werden vor allem Differenzverträge (Contracts for Difference, „CfDs“) und CO2-Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference, „CCfD“) genannt, die schon die Bundesregierung mit ihren Klimaschutzverträgen auf den Weg bringen will.

Neue Fristen im Emissionshandel

Die erheblichen Veränderungen im EHS gehen auch mit einem erhöhten Verwaltungsaufwand einher. Unter anderem deshalb wird die Frist für die nationalen Emissionshandelsbehörden für die Entscheidung über die kostenlose Zuteilung vom 28.2. auf den 30. Juni verschoben. Auch die Frist für die Anlagenbetreiber zur Abgabe von Zertifikaten wird vom 30.4. auf den 30.9. gelegt.

Wie geht es weiter?

Sobald die EHS-Richtlinie formell durch das Europäische Parlament angenommen und im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird, wird es darum gehen, die mit der Reform gelegten Grundlagen in konkretisierende Rechtsakte zu überführen.

Mehr lesen Sie in Teil1.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Vera Grebe

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