Individuelle Netzentgelte: Festlegungsverfahren und einstweilige Anordnung der BNetzA – betroffene Unternehmen müssen jetzt handeln

Bei der Inanspruchnahme individueller Netzentgelte gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 bis 4 StromNEV gibt es eine wichtige neue Übergangsregelung in § 118 Abs. 46 EnWG, welche die Bundesnetzagentur (BNetzA) noch umsetzen muss. Betroffene Unternehmen müssen jetzt Maßnahmen ergreifen.

Worum geht es?

Wegen der erheblich reduzierten Gesamtimportmengen nach Deutschland gibt es Unternehmen, die ihre Produktion reduzieren müssen. Der neue § 118 Abs. 46 EnWG sieht für solche Unternehmen vor, dass die BNetzA durch Festlegung bestimmen kann, dass auch bei Nichterfüllung der Voraussetzungen für das Kalenderjahr 2022 ein Anspruch auf Weitergeltung der Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 Satz 2  bis 4 StromNEV besteht. Voraussetzung ist eine mit dem Produktionsrückgang einhergehende Verminderung ihres Gasbezuges. Die BNetzA hat ein Festlegungsverfahren (Az. BK4-22-086) eingeleitet, indem sie am 7.9.2022 Eckpunkte zu den beabsichtigten Festlegungsinhalten veröffentlicht und hierzu bis zum 5.10.2022 Stellungnahmen konsultiert hat. Die eingereichten Stellungnahmen wird die BNetzA nun auswerten und veröffentlichen. Zusätzlich hat die BNetzA eine vorläufige Anordnung (Az. BK4-22-086VA) erlassen, die jenen Unternehmen, die nach Auffassung der BNetzA von der zukünftigen Festlegung begünstigt werden sollen, mehr Planungs- und Rechtssicherheit geben soll. Die Unternehmen sollen sich schon jetzt, vor Abschluss des Festlegungsverfahrens, auf die Privilegierung berufen können.

Wo liegen die Probleme?

Sowohl das Eckpunktepapier der BNetzA als auch die vorläufige Anordnung der BNetzA sehen vor, dass nur jene Unternehmen, die selbst Gas beziehen, berechtigt sein werden, den Fortgeltungsanspruch gemäß § 118 Abs. 46 EnWG in Anspruch zu nehmen, wenn sie „ihren Gasbezug“ reduzieren. Unternehmen, die keinen eigenen Gasbezug reduzieren können, die aber mittelbar von einer Gasreduktion betroffen sind bzw. auf einen solchen Einfluss nehmen können, sind danach wohl nicht erfasst. Diese Einschränkung ist nach unserer Bewertung in § 118 Abs. 46 EnWG nicht angelegt, nach dem Wortlaut nicht zwingend, läuft dem Sinn und Zweck der Regelung entgegen und benachteiligt insbesondere jene Unternehmen, die in einem Chemie- und/oder Industriepark ansässig sind, in dem Energien gemeinsam beschafft werden.

Daneben könnten die bisherigen Aussagen der BNetzA in Eckpunktepapier und vorläufiger Anordnung so verstanden werden, dass lediglich solche Maßnahmen zur Reduzierung des Gasbezuges berücksichtigt werden, die nach Erlass der vorläufigen Anordnung bzw. der späteren Festlegung dem Netzbetreiber angezeigt und ergriffen werden. Dies spiegelt die tatsächlichen Umstände nicht angemessen wider, da Unternehmen ihren Gasbezug bereits seit Ausrufung der Alarmstufe durch das Bundeswirtschaftsministerium am 23.6.2022 reduziert haben und mögliche Potenziale teils bereits vollständig ausgeschöpft sind.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Unternehmen, die sich für das Kalenderjahr 2022 auf den Fortgeltungsanspruch gemäß § 118 Abs. 46 EnWG berufen möchten, sollten, gestützt auf die vorläufige Anordnung, mit der Nachweisführung gegenüber dem Netzbetreiber beginnen. Das gilt unabhängig davon, ob sie sich auf eine Reduzierung des eigenen (unmittelbaren) Gasbezuges stützen können oder auf eine Reduzierung des mittelbaren Gasbezuges berufen wollen. Rechtssicher können Stand heute nur Bezugsreduktionen berücksichtigt werden, die zeitlich nach dieser Meldung beim Netzbetreiber erfolgen.

Zudem sollten Unternehmen, die nach derzeitigem Stand mangels Reduzierung des eigenen (unmittelbaren) Gasbezuges möglicherweise nicht zu dem Kreis der berechtigten Adressaten gehören, erwägen, bei der BNetzA einen Antrag auf vorläufige Anordnung zu stellen. Gegenstand dieses Antrages wäre der Erlass einer vorläufigen Regelung, wonach der Fall des mittelbaren Gasbezuges als weiterer vorläufig anzuordnender Sachverhalt dargelegt werden würde. Für Unternehmen mit mittelbarem Gasbezug würde eine entsprechende vorläufige Anordnung die Planungs- und Rechtssicherheit bei der Inanspruchnahme eines individuellen Netzentgelts gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2-4 StromNEV deutlich steigern.

Nicht abwarten

Betroffene sollten nicht abwarten. Schon jetzt ist deutlich, dass nicht alle Unternehmen, die im Vorjahr von § 19 Abs. 2 Satz 2 bis 4 StromNEV profitierten, den Fortgeltungsanspruch für 2022 pauschal und ohne weitere Schritte von in Anspruch nehmen können. Die aufgezeigten Schritte sollen insoweit auch Risiken und Unsicherheiten minimieren, die aus der zeitlichen Bedrängnis folgen.

Ansprechpartner*innen: Dr. Thies Hartmann/Dr. Markus Kachel/Rosalie Wilde

Share
Weiterlesen

09 Oktober

Ein Meilenstein der Gasnetztransformation: die Festlegung KANU 2.0 der BNetzA

Zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens hat sich die Bundesrepublik Deutschland die Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zum Ziel gesetzt. Damit muss dann auch die erdgasbasierte Wärmeversorgung ihr Ende gefunden haben. Da die bestehende Infrastruktur in den Gasverteilernetzen zukünftig voraussichtlich nur...

07 Oktober

Gasnetztransformation: Festlegung der Fahrpläne

Gasverteilernetzbetreiber können auf Basis der kommunalen Wärmeplanung einen Fahrplan zur Umstellung der Erdgasinfrastruktur auf Wasserstoff abschließen. Die Details legt die Bundesnetzagentur (BNetzA) nach § 71k Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit dem laufenden Festlegungsverfahren „FAUNA“ fest („Fahrpläne für die Umstellung der Netzinfrastruktur auf...