Das Tax Compliance Management System und warum es erforderlich ist

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Betriebsprüfungen verlaufen heute weitaus kritischer als früher. Unternehmen sehen sich immer häufiger mit Vorwürfen durch die Bußgeld- und Strafsachenstellen konfrontiert. Alles hängt an der Frage, wie es verfahrensrechtlich zu werten ist, wenn die Betriebsprüfung Sachverhalte aufdeckt, die bisher entweder gar nicht oder nicht vollständig deklariert worden sind. Handelt es sich bei der anstehenden Korrektur der Steuererklärung

  • noch um eine (strafrechtlich nicht relevante) Berichtigung nach § 153 AO, oder
  • ist damit schon ein steuerstrafrechtlicher Vorwurf verbunden?

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit seinem Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.5.2016 diese Frage beantwortet und dabei eine Brücke zur Gutgläubigkeit gebaut: Danach kann ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) als Indiz gegen steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten angeführt werden und die Anwendung der Berichtigungsnorm § 153 AO offen halten.

Das Management System

Ein Compliance System muss vom Unternehmen nachweislich „gelebt“ werden. Dies ergibt sich aus dem Begriff des Tax Compliance Management Systems. Es reicht daher nicht, wenn die betroffenen Mitarbeiter über die steuerlichen Pflichten informiert sind. Der fachlich Vorgesetzte muss obendrein in die Lage versetzt werden, zu kontrollieren, dass die steuerlichen Pflichten eingehalten werden, um bei Bedarf Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dieses System muss hinauf bis in die Geschäftsführungsebene etabliert sein. Denn dies ist die Stelle im Unternehmen, die am Ende verantwortlich ist dafür, dass die steuerlichen Pflichten erfüllt sind. Im Gegenzug sind die betroffenen Mitarbeiter verpflichtet, den Vorgesetzten regelmäßig über die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu informieren.

Dieser Ansatz lässt sich unter anderem mit Hilfe eines IT-gestützten Managementsystems umsetzen, zum Beispiel wenn man einen zu entwickelnden Pflichten-Katalog mit einer Management-Software verknüpft. Diese Management-Software müsste eine Berichtsfunktion enthalten, mit der die Mitarbeiter den Vorgesetzten unterrichten können, wenn sie ihre Aufgaben konform erledigt haben (oder nicht). Diese Berichtsfunktion erfasst abgelaufene Zeiträume (z.B. monatliches Feedback mit Ziel-Erreichungsgrad), ermöglicht aber genauso Prognosen (z.B. monatliche Zielprognose). Der Vorgesetzte kann bei Bedarf (Gegen-)Maßnahmen einleiten. Zudem dokumentiert die Software die Unternehmensabläufe revisionssicher.

Modularer Aufbau

Solch ein IT-gestütztes Tax-Compliance-Managementsystem lässt einen modularen, schrittweisen Auf- und Ausbau zu. So kann man beispielsweise das Tax CMS zunächst beispielsweise nur für die Körperschaft-, Gewerbe- und die Umsatzsteuer sowie die Strom- und Energiesteuer ausrollen und weitere Steuerarten oder auch andere Rechtsgebiete mit Compliance-Potenzial wie das Arbeitsrecht, die Lohnsteuer und das Sozialversicherungsrecht, den Datenschutz oder das Forderungsmanagement zu einem späteren Zeitpunkt folgen lassen. So ein System kann ohne weiteres die vom BMF im vorgenannten Schreiben sowie die im IDW PS 980 und dem IDW Praxishinweis 1/2016 zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax CMS vom 31.5.2017 formulierten Vorgaben berücksichtigen.

Festlegen der Verantwortung

Die Aufbauorganisation eines Unternehmens und die damit verbundene Festlegung von Verantwortung und Delegation bildet die Grundlage für ein wirksames Compliance System. Für die Erfüllung von Pflichten bedarf es klarer Vorgaben. In qualitativer Hinsicht ist dabei sicherzustellen, dass den richtigen Personen die richtigen Pflichten und Tätigkeiten zur Erledigung zugewiesen sind. Daneben sind Prüf- und Kontrollprozesse notwendig, die der Führungsebene die Überwachung von delegierten Tätigkeiten ermöglicht.

Wie so ein Katalog aussehen könnte

Die steuerlichen Pflichten werden im Katalog auf „steuerliche Teilprozesse“ heruntergebrochen. Die steuerlichen Teilprozesse setzen dort in den Unternehmen an, wo steuerrelevante Entscheidungen getroffen werden. Das gilt zu allererst natürlich für die Steuerabteilung. Darüber hinaus auch können die Informationsketten, die für die Weiterleitung steuerrelevanter Sachverhalte von der Fach- an die Steuerabteilung unentbehrlich sind, im Katalog abgebildet sein. Die Steuerabteilung kann sich so am Ende darauf verlassen, sachlich richtige Informationen zu steuerlich relevanten Sachverhalten zu erhalten. So ein standardisierter Katalog könnte angereichert werden: Checklisten, einschlägige Urteile, relevante Schreiben bzw. Verfügungen der Finanzverwaltung etc., aber auch unternehmensindividuelle Richtlinien und Vorgaben.

Das System könnte so aufgebaut sein, dass die jeweiligen Mitarbeiter ihre Tätigkeiten – wie schon bisher – selbstständig ausführen, auch wenn sie (am Ende) steuerlich relevant sind. Nur bei außergewöhnlichen, komplexen Sachverhalten im jeweiligen Tätigkeitsbereich werden die Mitarbeiter verpflichtet, sich mit der Steuerabteilung abzustimmen.

Ansprechpartner: Rudolf Böck/Meike Weichel

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