Neue Vorgaben für die Emissionsberichterstattung im europäischen Emissionshandel

Die umfassende Reform der Europäischen Emissionshandelsrichtlinie (ETS-RL) hat unter anderem die Überarbeitung der sogenannten Monitoringverordnung (EU) 2018/2066 (MVO) zur Überwachung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen erforderlich gemacht, die mit der Durchführungsverordnung (EU) 2023/2122 erfolgt ist. Betreiber von Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen müssen nun ab 2024 die Pflichten in Bezug auf die Emissionsüberwachung und -berichterstattung sowie die Prüfung der Berichte erfüllen. Parallel kommen für Abfallverbrenner die Pflichten hinzu, die sich ab 2024 aus dem nationalen Emissionshandel (nEHS) ergeben, es trifft sie also eine doppelte Pflicht zur Berichterstattung.

Monitoring für Abfallverbrenner

Nach der neuen MVO richtet sich die Überwachung und Berichterstattung für Verbrenner von Siedlungsabfällen nach den existierenden Vorschriften für stationäre Anlagen. Betroffen sind Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von mehr als 20 MW. Die von den Anlagenbetreibern künftig immer zum 31.3. eines jeden Jahres einzureichenden Berichte werden von den Mitgliedstaaten an die Kommission weitergeleitet. Diese wird dann anhand der Daten einen Gesetzesvorschlag über eine mögliche Zertifikatsabgabepflicht für Abfallverbrenner erarbeiten.

Dem Wortlaut nach gilt die Pflicht zur Überwachung und Berichterstattung für Betreiber von Siedlungsabfallverbrennungsanlagen ab dem 1.1.2024, sodass bis dahin gemäß Art. 12 MVO ein Monitoringkonzept (auch „Überwachungsplan“ genannt) vorliegen muss. Auf dieser Grundlage werden die Emissionen überwacht und berichtet. Die existierenden Vorgaben für das Monitoringkonzept für stationäre Anlagen, die bereits dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) unterliegen, gelten entsprechend. Hier hat der Anlagenbetreiber zunächst die Wahl, ob er die Brennstoffemissionen durch eine kontinuierliche Emissionsmessung (KEMS) oder rechnerisch ermitteln möchte. Entscheidet er sich für die rechnerische Variante, hat er zudem die Möglichkeit, die Standardwerte aus Anhang VI der MVO oder aus den drei anderen in Art. 31 Abs. 1 lit. b) bis d) aufgezählten Quellen oder durch individuelle repräsentative Probennahmen und Analysen zu ermitteln. Bei den Analysen sind harmonisierte technische EN-Normen zu beachten, sofern es hierzu einschlägige Normen gibt.

Die Regeln ähneln denen des nEHS, wobei einige Besonderheiten zu beachten sind: So gibt die neue MVO keine Standardwerte für die Biomasseanteile im Siedlungsabfall vor. Auch weicht der in die MVO übernommene IPCC-Emissionsfaktor für den nicht-biogenen Anteil im Siedlungsabfall von den Standardwerten im nEHS ab. Zudem hat die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) noch keine näheren Informationen für das Monitoringkonzept der Abfallverbrenner im EU-ETS veröffentlicht. Da dies erst nach einer Umsetzung der EU-ETS-Reform ins deutsche Recht zu erwarten ist, wofür der Gesetzgeber bis zum Jahresende Zeit hat, sollten sich Anlagenbetreiber auf eine kurze Frist einstellen und sich vorbereitend schon mit der Überwachung und Berichterstattung im EU-ETS auseinandersetzen.

Vorschriften über Biomasse und Biogas

Um die Genauigkeit der Emissionsberichte zu verbessern und um Doppelzählungen zu vermeiden, wurden auch die Vorschriften der MVO für die Berichterstattung über den Einsatz von Biomasse angepasst. Anlagenbetreiber, die Massenbilanzen verwenden und nachhaltige Biomasse verwenden, sollen künftig auch den Biomasseanteil der Output-Stoffströme angeben. Bei Erdgas aus einem Gasnetz, in das auch Biogas eingespeist wird, darf der Biomasseanteil künftig nicht mehr geschätzt werden – eine Ausnahme gilt für bestimmte Fälle, in denen die Überwachung auf Messungen beruht. Auch für Weiterleitungen von CO2 an andere Anlagen („inhärentes CO2“) wurden Regelungen angepasst, um Doppelzählungen und systematische Unterschätzungen zu vermeiden.

Die Überwachung der Prozessemissionen von Karbonaten und nicht-karbonatischen Materialien

Die Anwendung der MVO bereitete einige Schwierigkeiten hinsichtlich der Überwachung der Prozessemissionen von Karbonaten und nicht-karbonatischen Materialien. Zur Präzisierung wurden in Anhang IV der MVO spezifische Überwachungsvorschriften für Karbonate aus Rohmaterialien eingeführt. Karbonate aus anderen Quellen und nicht karbonatischer Kohlenstoff werden nur überwacht, sofern sie für die Emissionsberechnung relevant sind.

Das neue Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr

Das neu eingeführte EU-ETS 2 setzt – ähnlich wie der nEHS – bei den Inverkehrbringern von Brennstoffen als Regulierungspunkt an. Verpflichtet sind dann sogenannte „beaufsichtigte Unternehmen“, die eine Tätigkeit nach Anhang III der ETS-RL ausführen, nämlich die Überführung von Brennstoffen in den steuerrechtlich freien Verkehr, die zur Verbrennung im Gebäude- und Straßenverkehrssektor sowie in weiteren, nicht unter Anhang I der ETS-RL fallenden industriellen Sektoren bestimmt sind. Für den Beginn der Überwachungs- und Berichterstattungspflichten 2025 legt die neue MVO bereits jetzt die Vorschriften fest (Kapitel VIIa und VIIb, Art. 75 ff. MVO).

Luft- und Seeverkehr

Weil die kostenlosen Zuteilungen für den Luftverkehr erheblich gekürzt wurden und nicht mehr von den Tonnenkilometerdaten abhängig sind, ist das Berichten der Tonnenkilometerdaten künftig nicht mehr notwendig. Für den Hochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe wird festgelegt, dass neben den Biokraftstoffen auch synthetische Flugkraftstoffe mit dem Emissionsfaktor Null bewertet werden. Die Berichterstattung für neue kostenlose Zuteilungen, die den Preisunterschied zwischen fossilen und nachhaltigen Flugkraftstoff ausgleichen sollen, wird künftig an die Berichte über die Verwendung der nachhaltigen Flugkraftstoffe gekoppelt sein. Mit diesem Förderungssystem soll ein weiterer Anreiz gesetzt werden, um nachhaltige synthetische Flugkraftstoffe zu verwenden.

Mit der Reform des Emissionshandels wurde noch der Seeverkehr in den regulären Emissionshandel einbezogen – Schifffahrtsbetreiber teilen sich künftig das Zertifikatebudget mit den Betreibern der stationären Anlagen. Hierfür wurde die überarbeitete, speziell für den Seeverkehr geltende Monitoringverordnung am 12.10.2023 verabschiedet und tritt in Kraft, wenn Parlament und Rat keine Einwendungen erheben.

Ausblick

Mit der Anpassung der MVO ist der erste Schritt getan, damit Anlagenbetreiber sich auf die praktische Umsetzung der Änderungen im Emissionshandel vorbereiten können. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber und die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) auf dieser Grundlage bald die nationalen Umsetzungsvorschriften und Leitfäden aktualisieren. Der praktische Vollzug wird nämlich unmittelbare Auswirkungen haben. Allerdings bleiben trotz der raschen Überarbeitung der MVO noch viele Fragen offen, die der europäische Gesetzgeber aber bereits als Prüfungsauftrag an die Kommission gegeben hatte. Dies betrifft insbesondere die Bilanzierung von Emissionen aus erneuerbaren Brenn- und Kraftstoffen nicht-biogenen Ursprungs sowie aus wiederverwerteten kohlenstoffhaltigen Brennstoffen, die Bewertung von nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen und anderen Formen von CCU/CCS sowie die Berücksichtigung negativer Emissionen aus der Abscheidung von biogenem CO2. Für das Reduktionsziel für 2030, das sich die Europäische Union mit dem Fit-for-55-Gesetzespaket gesetzt hatte, und für die dafür notwendigen erheblichen Investitionen auch der Privatwirtschaft ist jedoch unverzichtbar, schnell eine sichere Rechtslage zu schaffen.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Valentine Zheng

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