Auf der Klimakonferenz in Sharm el-Sheikh geht es nicht nur (aber auch) ums Geld
Wenn in Sharm el-Sheikh in den kommenden Tagen die Staatengemeinschaft darüber verhandelt, wie der Klimaschutz und seine Schadensfolgen zu finanzieren sind, so geht es nur vordergründig um Geldfragen. Im Kern geht es um ein Bekenntnis der Industriestaaten zu ihrer Verantwortung für die Erderwärmung. Ob dies in der aktuellen wirtschaftspolitischen Lage realistisch ist, bleibt abzuwarten. In jedem Fall werden es – wie so oft in der Geschichte der Klimakonferenzen – zähe Verhandlungen.
Hintergrund
Die Staatengemeinschaft bemüht sich nun schon seit dreißig Jahren darum, die Erderwärmung zu begrenzen. Bereits 1992 trat das Klimaschutzrahmenabkommen der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) in Kraft. Seitdem treffen sich die Vertragsstaaten des Abkommens alljährlich auf der Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties (COP)), um über Fragen des Klimaschutzes zu verhandeln. Mit der COP 27 vom 6. bis 18. November 2022 in Sharm el-Sheikh steht nun die 27. Verhandlungsrunde an.
Wie bei den Verhandlungen der Vergangenheit, so ist auch in Sharm el-Sheikh die Haftungs- und Schuldfrage diejenige, die die Entwicklung des Klimaschutzes prägt. Aus der Reihe der bisherigen Verhandlungsrunden ist vor allem die Konferenz 1997 in Kyoto, Japan, hervorzuheben. Hier nahmen die Industriestaaten ihre Verantwortung insoweit an, als sie sich im Kyoto-Protokoll erstmals zur Minderung von Treibhausgasen verpflichteten und die Grundlagen für einen zwischenstaatlichen Emissionshandel legten. Eine Folge war auch die Einführung des Europäischen Emissionshandels im Jahr 2005. Während die Industriestaaten sich gleichsam „von oben“ der Pflicht zur Treibhaussenkung unterwarfen (Top-Down-Ansatz), war es den sog. Schwellen- und Entwicklungsländern freigestellt, sich daran zu beteiligen. Denn das internationale Klimaschutzrecht folgt dem Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung (common but differentiated responsibilities).
In den anschließenden Konferenzrunden wurde jedoch immer deutlicher, dass das Problem der Erderwärmung ein globales ist. Wenn man es mit seiner Bekämpfung ernst meint, dann muss ein Abkommen mit gemeinsamen Pflichten her. Doch es bedurfte erst einer zumindest grundsätzlichen Einigung auf der COP 19 in Warschau zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen, dass sich Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer anschließend im Übereinkommen von Paris von 2015 (COP 21) auf ein gemeinsames Ziel verständigten. In Paris legte man sich darauf fest, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die Architektur des internationalen Klimaschutzes wurde zu einen Bottom-Up-Ansatz geändert. Nunmehr oblag es den Staaten selbst zu bestimmen, wie sie in ihrem Land Treibhausgasemissionen senken wollen und dadurch zu dem gemeinsamen Temperaturziel beitragen können. Diese nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions (NDC)) melden Staaten an das Klimasekretariat der Vereinten Nationen.
Auf der letzten COP 26 in Glasgow konkretisierten die Staaten im Klimapakt von Glasgow das Pariser Übereinkommen weiter. Sie legten genaue Zeiträume fest, innerhalb derer sie den Vereinten Nationen berichten müssen, ob und wie sie die angekündigten Klimaschutzmaßnahmen senken und wie hoch ihre Emissionseinsparungen sind. In Glasgow wurde auch ein Rahmen für die Umsetzung markt-basierter Maßnahmen vereinbart. Diese „internationalen Marktmechanismen“ sollen Anrechnungen von Emissionssenkungen zwischen den Staaten ermöglichen.
Was steht auf dem Programm in Sharm el-Sheikh?
Die COP 27 knüpft an den Punkten an, die weiterer Abstimmung und Konkretisierung nach der COP 26 in Glasgow bedürfen. Angesichts des desaströsen Stands der Minderungsanstrengungen, die der „Emissions-Gap“-Bericht der Vereinten Nationen aufgezeigt hat, steht an erster Stelle jedoch der Appell an die Staaten, ihre nationalen Klimaschutzbeiträge nachzuschärfen, indem sie sich zu mehr und vor allem schnellerer Emissionssenkung in den nächsten acht Jahren (bis 2030) verpflichten. Andernfalls, so jedenfalls der Bericht der Vereinten Nationen, wird das Temperaturziel einer maximalen Erderwärmung von 2 Grad Celsius bis 2050 nicht erreicht. Ausgehend von den bisher zugesagten Emissionsminderungen der Staaten werden die Emissionen im Jahr 2030 schätzungsweise lediglich um 5 bis 10 Prozent im Vergleich zum Emissionsniveau gesenkt, das heutige Klimaschutzprogramme vorsehen. Benötigt werden jedoch Senkungen in einem Umfang von 30 bis 45 Prozent.
Diese Reduktionslücke rückt auch die Anpassung an den Klimawandel verstärkt in den Fokus. Deshalb wird vor allem die Anpassungsfinanzierung einen großen Raum in den Verhandlungen einnehmen. Denn die vereinbarte Anpassungsfinanzierung von jährlich 100 Milliarden Dollar ist bislang nicht in dem erforderlichen Maße erfolgt.
Wesentlicher Streitpunkt wird voraussichtlich die Finanzierung von Verlusten und Schäden sein – sofern sie denn als Tagesordnungspunkt von allen Staaten angenommen wird. Zurzeit steht sie noch auf der vorläufigen Agenda. Bereits im Vorfeld der Konferenz entzündete sich an der Frage der Verlust- und Schadensfinanzierung der eigentliche klimaschutzpolitische Schuld- und Haftungskonflikt zwischen Schwellen- und Entwicklungsländern und den Industriestaaten erneut. Sollte das Thema „Verlust und Schaden“ auf der Tagesordnung bleiben, werden die Verhandlungen von der Klima-Sonderbeauftragten Deutschlands Jennifer Morgan zusammen mit der chilenischen Umweltministerin Maisa Rojas geleitet.
Um Finanzen wird es schließlich auch gehen, wenn über ein gemeinsames Verständnis zur „Begrünung“ der globalen Finanzströme diskutiert wird. Die EU setzt dies durch die Taxonomie-Verordnung bereits um.
Was ist zu erwarten?
Da die COP 27 vor einer wirtschaftspolitisch schwierigen Kulisse stattfindet, überrascht es wenig, dass Finanzierungsfragen zu den Top-Themen gehören. In der EU sind wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine alle Augen auf die Abfederung und Stabilisierung der Energiepreise gerichtet, die USA transformieren ihre eigene Wirtschaft mit einem staatlichen Investitionsprogramm in einem bislang beispiellosen Ausmaß. Zugleich erfährt die Welt mit Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen die Folgen des Klimawandels zunehmend und direkt. Es sind deshalb zähe Verhandlungen zu erwarten. Deren Ergebnisse werden jedoch die finanz- und wirtschaftspolitische Entwicklung der nächsten Jahre entscheidend beeinflussen.
Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Vera Grebe