Die Kreislaufwirtschaft in der Gesellschaft verankern

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Wie sollte die Zukunft der europäischen Kreislaufwirtschaft aussehen? Diese Frage versuchte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in einer aktuell im Amtsblatt veröffentlichten Stellungnahme vom 31.10.2019 zu beantworten. Sie macht klar, dass es nur gelingen kann, Akzeptanz für mehr Aufwand in der Abfallvermeidung und -entsorgung zu schaffen, wenn man den Bürger*innen, der Wirtschaft und den Behörden von Anfang an auf Augenhöhe begegnet und die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten stärkt.

Aus der Vielfalt von Akteuren und Maßnahmen schöpfen

Der EWSA ist als Vertretung der organisierten Zivilgesellschaft ein Nebenorgan der Europäischen Union und kommentiert die Vorschläge der EU-Kommission zu verschiedenen Rechtsakten. Unter Umständen ist sogar eine Anhörung des EWSA als notwendiger Arbeitsschritt im Gesetzgebungsprozess vorgesehen.

In seiner Stellungnahme bespricht der Ausschuss den Bericht der Kommission vom 4.3.2019, der die Umsetzung des Aktionsplanes für die Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2015 darlegt. Konkret geht es um die Frage, mit welchem Effekt und welchen Mitteln die Kreislaufwirtschaft in Europa gestärkt und weiter ausgeformt werden kann. Der damalige Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans zog seinerzeit eine positive Bilanz, stellte aber gleichzeitig fest, dass es weiterer Maßnahmen bedürfe, um den Ressourcenschutz in Europa auch in Zukunft voranzutreiben.

Der EWSA legt diesen Gedanken in seiner Stellungnahme zugrunde und schlägt verschiedene Methoden vor, um die Kreislaufwirtschaft gerade in der Zivilgesellschaft stärker zu verankern. Ausdrücklich lobt der Ausschuss hierbei noch einmal das Vorhaben der neuen Kommissionpräsidentin von der Leyen, einen European Green Deal (wir berichteten) zu schaffen und einen branchenspezifischen Aktionsplan für die Textilwirtschaft und das Bauwesen zu verfolgen.

Im Zentrum der Stellungnahme steht jedoch, Interessensträger und Zivilgesellschaft verstärkt einzubeziehen. So geht der EWSA davon aus, die Kreislaufwirtschaft könne an Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen, indem sie sich zunehmend an die jeweilige regionale, nationale oder lokale Ebene anpasst. Hierfür solle das Verhalten der Bürger*innen dokumentiert und sukzessive in ein sozial stimmiges Konzept überführt werden. Es gelte, die wichtigsten Akteure wie Behörden, lokale KMUs und Verbraucher*innen bzw. Verbraucherorganisationen in konkrete Veranstaltungen einzubinden. Das soll die lokale Abfallwirtschaft stärker in die Position bringen, über ihre Arbeit zu informieren und aktiv unter Beteiligung der Bürger*innen und der Industrie intelligente Strukturansätze zu erarbeiten. Eine Finanzierung durch lokale Kreditinstitute könne hierbei eine zusätzliche Verankerung darstellen.

Auf nationaler bzw. EU-weiter Ebene kommen nach Ansicht des Ausschusses ebenfalls verschiedene Maßnahmen in Betracht. Der Ausschuss bringt ins Gespräch, das öffentliche Beschaffungswesen dahingehend anzupassen, dass die Vergabe von Aufträgen sowohl innerhalb als auch außerhalb der abfallwirtschaftlichen Betätigung kreislaufwirtschaftliche Belange beachten sollte. Gleichzeitig ist es nach Auffassung des EWSA ratsam, die Mehrwertsteuer anzupassen, um eine längere Nutzung von Gegenständen zu erreichen. Er schlägt vor, die Steuerlast für den Verkauf von Gebrauchtwaren und für Reparaturdienstleistungen zu senken, um so einen Anreiz für die Wiederverwendung zu setzen. Ein weiteres mögliches Mittel sei es, die Garantie auf fünf Jahre anzupassen.

Letztlich rät der EWSA auch an, die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft (ECESP) stärker als Koordinierungs- und Informationsstelle einzusetzen. Seiner Ansicht nach habe sich die Plattform als Wissenspool für Stakeholder auf europäischer Ebene etabliert und biete so einen starken Ansatzpunkt, um die beschriebenen Maßnahmen durch ein Wissensforum zu flankieren.

Kein Weg vorbei an der Abfallwirtschaft

Unabhängig davon, ob die Überlegungen des EWSA in Form von konkreter Gesetzgebung Anwendung finden werden, zeigt sich, dass die Kreislaufwirtschaft nicht mehr das Schmuddelkind der öffentlichen Daseinsvorsorge sein soll. Wer sich in Zukunft mit Belangen des Umweltschutzes auseinandersetzt, muss stets auch ein Auge auf die Abfallwirtschaft haben. Das bedeutet für die Branche sowohl Verantwortung als auch Chance.

Wenn Recycling nicht nur „cool“ wird, sondern auch auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene Anklang findet, dann wird man auch der Arbeit der Akteure in der Kreislaufwirtschaft auf gesamtwirtschaftlicher Ebene mehr Raum geben müssen. Andererseits zeigen die Erwägungen des EWSA, der ja gerade die europäische Zivilgesellschaft repräsentiert, dass die Entsorgung nicht mehr im Schatten stattfinden kann. Das Interesse aller „Kunden“ wird nur steigen und somit die Notwendigkeit zusätzlicher und innovativer Öffentlichkeitsarbeit unterstreichen. Und auch die Behörden könnten, gerade im Hinblick auf die Vergabe von öffentlichen Leistungen, größeres Augenmerk auf die Akteure in der Kreislaufwirtschaft legen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Axel Kafka/Dr. Tigran Heymann

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