Beihilfen, Bürgschaften, Bagatellen – die neue De-minimis-Verordnung für Daseinsvorsorgeleistungen

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Seit dem 29. April 2012 ist das europäische Beihilferecht um ein Gesetzeswerk zu den Bagatellgrenzen reicher. An diesem Tag ist die neue De-minimis-Verordnung für Beihilfen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (VO (EU) Nr. 360/2012) in Kraft getreten. Dort wird für öffentliche Zuwendungen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) erbringen, also im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind, eine neue Geringfügigkeitsgrenze festgelegt. Unterhalb dieser Schwelle ist im Bereich der DAWI das Beihilfenverbot aus Artikel 107 Abs. 1 AEUV nicht anwendbar.

Ausgleichsleistungen, die in einem Dreijahreszeitraum maximal 500.000 Euro Barwertvorteil je Unternehmen umfassen, gelten danach als Bagatellfälle, weil sie zu gering sind, um Handel oder Wettbewerb im EU-Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Die neue Befreiung gilt zwar nur für solche Unternehmen, die tatsächlich auch DAWI-Leistungen erbringen – davon profitieren aber im Ergebnis weite Bereiche der öffentlichen Wirtschaftstätigkeit.

Anwendbar ist die neue De-minimis-Ausnahme für die komplette Bandbreite kommunaler Daseinsvorsorgeangebote, ob Energie- und Wasserversorgung, Auf- und Ausbau von alternativen Energien, ÖPNV, Bäder, Sportstätten und Kultur bis hin zum sozialen Bereich wie Altenpflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten, soweit diese potentiell im Wettbewerb stehen.

Beihilfen – Ausnahme für DAWI gemäß dem neuen Almunia Paket

Die Verordnung (EU) Nr. 360/2012 ist der letzte Bestandteil des neuen „Almunia“-Beihilfenpakets (benannt nach dem aktuellen Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia). Dieses Paket, das seinen Vorgänger, das so genannte „Monti-Paket“ von 2005, vollständig ablöst, regelt, wie unter anderem die kommunale Daseinsvorsorge beihilferechtskonform finanziert werden kann. Die Hauptteile dieses Pakets sind bereits am 31. Januar 2012 in Kraft getreten (siehe dazu unseren Blog-Beitrag vom 10. Januar 2012).

Die neue Verordnung ist am 26. April 2012 im EU-Amtsblatt L 114/8 veröffentlicht worden und bleibt bis zum 31. Dezember 2018 in Kraft.

Wichtig auch: Die DAWI-spezifische De-minimis-Verordnung wird neben der allgemeinen De-minimis-Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 anwendbar sein. Der beihilfenrechtskonforme Förderungshöchstbetrag ist dort allerdings höher als der für allgemeine De-minimis-Bagatellfälle nach der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 (nur 200.000 Euro Höchstausgleich pro Unternehmen innerhalb von drei Jahren). Insofern erleichtert die  neue Verordnung die unbürokratische Finanzierung von DAWI-Dienstleistern mit überschaubarem Ausgleichsbedarf.

Bürgschaften – deutliche Verbesserungen in der neuen VO gegenüber den Entwurfsfassungen

Im Vergleich zu den Entwurfsfassungen aus September 2011 sowie aus Januar 2012 finden sich in der Endfassung der Verordnung deutliche Verbesserungen. Insbesondere wurden die unflexiblen Kriterien zum maximal zulässigen Umsatz des Dienstleisters und zur maximal zulässigen Größe der Bewilligungsbehörde vollständig fallengelassen, so dass die aktuell Gesetz gewordene Version als einzige Voraussetzung nur noch den Beihilfenbetrag von 500.000 Euro innerhalb von drei Jahren enthält.

Der Betrag von 500.000 Euro war in der Entwurfsfassung strikt auf den Barwert des Ausgleichs begrenzt, auch wenn es sich nicht um einen direkten Zuschuss, sondern um ein Darlehen oder eine Bürgschaft handelt. In der Endfassung der Verordnung ist in jedem Fall allein das Bruttosubventionsäquivalent maßgeblich – also der Barwertvorteil berechnet anhand des Zinsvorteils gegenüber dem tatsächlichen Marktpreis für die Ausreichung von marktüblichen Darlehen und Bürgschaften.

Bei Darlehen darf der Barwertvorteil jetzt sogar ausdrücklich anhand der offiziellen EU-Referenzzinssätze in Verbindung mit der EU-Referenzzinssatzfeststellungsmethode (vgl. ABl. EU Nr. C 14 vom 19.1.2008, S. 6) berechnet werden, so dass aufwendige Markterhebungen entfallen.

Besteht die staatliche Begünstigung in einer Kommunalbürgschaft, die auf der Grundlage einer Garantieregelung gewährt wird, können nach neuem Recht deutlich höhere Darlehensvolumina als früher abgesichert werden, ohne mit dem Beihilfenrecht in Konflikt zu geraten. Kommunalbürgschaften für Darlehen bis zu 3.750.000 Euro – statt lediglich 1.500.000 Euro nach der allgemeinen De-minimis-Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 – gelten im DAWI-Bereich stets als transparente De-Minimis-Beihilfe.  Dieser Betrag kann sogar noch überschritten werden, wenn das Bruttosubventionsäquivalent der Bürgschaft anhand einer von der Kommission genehmigten Methode berechnet wird. Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es solche Methoden z. B. gemäß der Kommissionsentscheidung N 197/2007 vom 25. September 2007 (ABl. EU 2007 Nr. C 24/3).

Bagatellen – mehr Spielraum für eine unbürokratische Finanzierung von DAWI

Auch wenn ein deutlich höherer Bagatellfreibetrag sicherlich wünschenswert gewesen wäre, wird die neue De-minimis-Verordnung (EU) Nr. 360/2012 im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge es der öffentlichen Hand leichter machen, potentiell marktnahe Dienstleistungen und Infrastrukturen praxisgerecht zu finanzieren. Insbesondere die Klarstellung bezüglich der zulässigen Methoden für die Berechung des Beihilfenwerts von Darlehen ist ein echter Fortschritt.

Die Texte des neuen DAWI-Pakets sind allesamt hier zu finden.

Ansprechpartner: Dr. Christian Jung/Dr. Sascha Michaels

 

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