ProgRess II: Bundeskabinett beschließt Deutsches Ressourceneffizienzprogramm

(c) BBH
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Wie kann Deutschland seine natürlichen Ressourcen effizienter und nachhaltiger nutzen? Um diese Frage zu beantworten, hat die Bundesregierung Anfang 2012 ein Programm unter dem Titel ProgRess I gestartet, das als Bestandsaufnahme erstmals Leitideen und Handlungsansätze formulierte. Um den Stand und die Entwicklung zu überwachen und das Ressourceneffizienzprogramm mit Hilfe der dabei gewonnenen Erkenntnisse fortzuentwickeln, sollte alle vier Jahre ein Bericht veröffentlicht werden. Jetzt ist es soweit: Der Bericht wurde jüngst vom Bundeskabinett verabschiedet und entwickelt das Ressourceneffizienzprogramm weiter (ProgRess II).

Worum geht es?

Damit Deutschland – als eine der weltgrößten Industrienationen – sich weiter wirtschaftlich entwickeln kann und wettbewerbsfähig bleibt, sind viele natürliche abiotische und biotische Ressourcen notwendig, die hierzulande teils nicht vorkommen, in jedem Falle aber nur begrenzt verfügbar sind. Vor diesem Hintergrund verschrieb sich ProgRess von Anfang an dem Ziel, Ressourcen entlang der gesamten Wertschöpfungskette besser zu nutzen (Materialeffizienz). Ausgeblendet blieben dabei bislang die damit eng verflochtenen Gesichtspunkte der Energieeffizienz. Das ändert sich jetzt.

ProgRess I implantierte zunächst vier Leitideen, die als Programmsätze die weitere Kultur einer effizienten Ressourcennutzung in Deutschland prägen sollen, nämlich:

  • die ökologischen Notwendigkeiten mit ökonomischen Chancen, Innovationsorientierung und sozialer Verantwortung zu verbinden,
  • die globale Verantwortung als zentrale Orientierung unserer nationalen Ressourcenpolitik zu sehen,
  • die Wirtschafts- und Produktionsweisen in Deutschland schrittweise von Primärrohstoffen unabhängiger zu machen, die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln und auszubauen und schließlich
  • eine nachhaltige Ressourcennutzung durch gesellschaftliche Orientierung auf qualitatives Wachstum langfristig zu sichern.

Wie ist der Entwicklungsstand?

Weil ProgRess I – wie erwähnt – das Thema Energieeffizienz noch ausgeblendet hatte, wurden im Bericht zu ProgRess II Energie- und Materialströme in stärkerem Maße gemeinsam betrachtet. Wie schon bei ProgRess I wurden auch bei der Erstellung von ProgRess II die Länder sowie zahlreiche Verbände und Institutionen beteiligt und konnten ihre Beiträge zur Ressourceneffizienz darlegen. Zudem fand im Rahmen von ProgRess II ein Bürgerdialog statt, dessen Ergebnisse sich im Anhang zum Bericht finden.

In der Sache schildert ProgRess II Stand und Entwicklungsperspektiven des Rohstoffeinsatzes in Deutschland. Schon im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hatte es sich Deutschland 2002 zum Ziel gesetzt, die Rohstoffproduktivität gegenüber dem Jahr 1994 bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln. Untersuchungen im Rahmen von ProgRess II ergaben, dass die Rohstoffproduktivität zwar von 1994 bis 2014 um 48 Prozent gestiegen ist, bei dem bislang verzeichneten Produktivitätsanstieg die angestrebte Verdoppelung aber nicht erreicht werden könne.

Insgesamt positiv, wenn auch weiter ausbaufähig, bewertet der Bericht, dass durch die Gewinnung von Sekundärrohstoffen in erheblichem Umfang Primärrohstoffe eingespart werden können. So werden vom gesamtdeutschen Abfallaufkommen rund 78 Prozent stofflich oder energetisch verwertet.

Weiter beleuchtet ProgRess II, wie weit das Ressourceneffizienzprogramm umgesetzt ist. Beim Thema Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung reflektiert der Bericht unterschiedliche Initiativen verschiedener Institutionen wie zum Beispiel die Bewertung der Lagerstätteneffizienz, die Erhöhung der Transparenz bei der Rohstoffgewinnung und Programme für eine nachhaltige Rohstoffgewinnung, insbesondere durch Ausbau der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Fazit: In diesem Bereich wurde einiges getan und es ist eine insgesamt positive Entwicklung zu verzeichnen.

Zum Ziel der Steigerung der Ressourceneffizienz in der Produktion hebt der Bericht die Bemühungen zu einer verstärkten Effizienzberatung und die Förderung von Projekten hervor, die material- und energieeffiziente Produktions- und Verarbeitungsprozesse weiterentwickeln. Als wichtiger Schritt zur Effizienzsteigerung wird dabei auch die Normung und Standardisierung der Ressourceneffizienz von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen genannt.

Als ein zentrales Handlungsfeld identifiziert ProgRess II, den Konsum ressourceneffizienter Produkte zu fördern. Neben verschiedenen Maßnahmen zur Stärkung des Produktabsatzes auf der Angebotsseite im Zusammenhang mit der Ökodesign-Richtlinie empfiehlt der Bericht, mehr mit den Verbrauchern zu kommunizieren und ihre Wahrnehmung von ressourceneffizienten Produkten zu schärfen. Abseits von § 45 KrWG, der bereits umfassende Prüfpflichten der öffentlichen Hand zum Einsatz ressourceneffizienter Produkte enthält, sollen Nachhaltigkeitskriterien bei der privaten und öffentlichen Beschaffung stärker im Fokus stehen.

In puncto Kreislaufwirtschaft wurde ein umfassendes Abfallvermeidungsprogramm ins Leben gerufen, das auf die Durchsetzung verlängerter Produktnutzungsdauern sowie die Vermeidung von industriellen und von Lebensmittelabfällen abzielt. Dabei spielen auch die Ausweitung der Rücknahme-, Verwertungs- und Finanzierungspflichten für Verpackungen, Altfahrzeuge, Altöl, Altbatterien sowie Elektro- und Elektronikaltgeräte und die bundesweite Einführung einer Wertstofftonne eine entscheidende Rolle. Genauso wichtig ist auch die Optimierung des Recyclings ressourcenrelevanter Mengenabfälle, in Bezug auf die verschiedene Gesetzgebungsvorhaben (etwa die Novelle der Klärschlammverordnung (AbfKlärV), der Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) und der Ersatzbaustoffverordnung) auf den Weg gebracht wurden.

Obendrein erweitert ProgRess II den Fokus über die Materialeffizienz hinaus auch auf die Energieeffizienz. Sie verfolgt das Ziel, die Anstrengungen zur Energie- und zur Materialeinsparung noch besser zu verzahnen, sodass sie sich gegenseitig unterstützen können. Dies erfordert genauere Analysen bei Prozessen, bei denen sich Material- und Energieeinsatz gegenläufig entwickeln, und deren Gesamtnutzen unter Berücksichtigung des gesamten Lebensweges beurteilt werden muss. Beispiel dafür ist die energieintensive Herstellung von Produkten, die erst in der Nutzungsphase eine höhere Ressourceneffizienz ermöglichen.

Wie geht es weiter?

Um Schnittstellen mit anderen komplementären Bereichen der Ressourceneffizienz besser identifizieren und nutzen zu können, verpflichtet sich die Bundesregierung, bei der Fortschreibung von ProgRess – im Dialog mit den Bürgern – auch andere Ressourcen wie Wasser, Luft, Boden, Fläche und lebende Organismen stärker in den Blick zu nehmen. Zudem soll auf eine nachhaltige Bioökonomie hingewirkt werden, in deren Rahmen qualitativ hochwertige Nahrungsmittel hergestellt und Biomasse zur Energiegewinnung und als nachwachsende Rohstoffe benutzt werden.

Was die Fortentwicklung betrifft, so bekräftigt ProgRess II die ursprünglichen Ziele des Effizienzprogramms und konkretisiert Indikatoren für den Rohstoffeinsatz und die Kreislaufwirtschaft. Bei letzterem steht dabei die weitere Steigerung der Recyclingrate bei Abfällen und die Ersetzung von Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe im Mittelpunkt.

Für die Jahre 2016 bis 2019 strebt ProgRess II Verbesserungen in allen vorgenannten Bereichen an und definiert dabei die wichtigsten Handlungsfelder.

Zunächst sollen Maßnahmen, die eine nachhaltige Rohstoffversorgung sichern, ausgeweitet bzw. fortentwickelt werden. Dies umfasst unter anderem die umweltfreundlichere Gewinnung mineralischer und fossiler Rohstoffe, die Stärkung internationaler Umwelt-, Sozial- und Transparenzstandards im Rohstoffsektor und die Senkung der Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen durch Substitute.

Darüber hinaus soll mit Hilfe von zum Beispiel verbesserter Effizienzberatung und stärkeren Anreizen zur Nutzung von Umwelt- und Energiemanagementsystemen die Ressourceneffizienz in der Produktion gesteigert werden. Weitere Handlungsfelder betreffen die Förderung des Konsums ressourceneffizienter Produkte, den Ausbau einer effizienten Kreislaufwirtschaft, die Verbesserung der Nachhaltigkeit beim Bau und in der Stadtentwicklung, die Erhöhung der Ressourceneffizienz im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik und nicht zuletzt die Nutzung übergreifender Instrumente wie unter anderem zentraler Datenpools und die Verankerung des Themas Ressourcen im Bildungssystem.

Allgemeine politische Forderungen von ProgRess II sind schließlich darauf gerichtet, Schnittstellen zu anderen Politikfeldern zu identifizieren und Zielkonflikte abzubauen sowie die Ressourceneffizienzpolitik auf regionaler, kommunaler, europäischer und internationaler Ebene zu stärken.

Fazit?

Alles in allem bündelt ProgRess II zahlreiche Vorhaben zur Erschließung und Nutzung natürlicher Ressourcen und beleuchtet sie ganzheitlich in ihrem Stand und ihrer Entwicklung. Positiv bei der Fortentwicklung des Programms ist insbesondere, dass die Bundesregierung neben der Materialeffizienz auch Bereiche der Energieeffizienz stärker in den Blick genommen hat. Ob sich allerdings der Grundgedanke einer gesamtheitlichen Betrachtung des Ressourceneinsatzes in der politischen Realität konsequent durchsetzen lässt, bleibt abzuwarten. Die Erfahrung zeigt schließlich, dass solch hehre Ziele leider allzu oft der ökonomischen Realität und den sozial- und industriepolitischen Notwendigkeiten weichen müssen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Axel Kafka/Dr. Tigran Heymann

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