Stromsteuerbefreiung für kleine dezentrale Anlagen neben KWK- und EEG-Förderung möglich?
Wer Strom in kleinen Anlagen für sich selbst oder direkt für den Letztverbraucher im räumlichen Zusammenhang erzeugt, ist zumeist von der Stromsteuer befreit. Seit dem 1.8.2013 ist aber eine Vorschrift in Kraft, die insoweit manches in Frage stellt. Es geht um den neuen § 12b Abs. 4 StromStV. Ziel der Neuregelung war wohl das Nebeneinander von Stromsteuerbefreiung und KWK- bzw. EEG-Förderung – jedenfalls für viele wesentliche Konstellationen – per Verordnung festzuschreiben. Klar ist damit, dass sie sich insbesondere auf diejenigen Anlagen auswirkt, die neben der Steuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG eine Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) bzw. Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) nutzen. Allerdings wird aus dem Wortlaut einer Regelung nicht immer das verfolgte Ziel eindeutig.
Wie ist die neue Vorschrift genau formuliert? Die Neuregelung in § 12b Abs. 4 StromStV lautet (Hervorhebung nur hier):
„Eine Leistung von Strom an Letztverbraucher durch denjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt (§ 9 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe b des Gesetzes), liegt nur dann vor, wenn an den Leistungsbeziehungen über den in der Anlage erzeugten Strom keine weiteren als die in § 9 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe b des Gesetzes genannten Personen beteiligt sind. Wird der erzeugte Strom zunächst an einen Netzbetreiber geleistet und sogleich zurückerworben, ist dies für die Steuerbefreiung unschädlich, soweit die Leistung an den Netzbetreiber ausschließlich erfolgt, um Folgendes zu erhalten:
1. die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2074), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2730) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung oder
2. den Zuschlag nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 19. März 2002 (BGBl. I S. 1092), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. Juli 2012 (BGBl. I S. 1494) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.“
Ist das neu? Eigentlich nicht, da bisher die Hauptzollämter üblicherweise die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. b StromStG auch für solche kleinen dezentralen Anlagen gewährten, für deren Strom der Zuschlag nach dem KWKG oder die Förderung nach dem EEG beansprucht worden ist. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits 2004 festgestellt, dass eine solche „Doppelförderung“ grundsätzlich im Einklang mit dem Stromsteuergesetz (StromStG) stehe. In einem diesem BFH-Urteil nachfolgenden Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ebenfalls aus dem Jahr 2004 wurde zudem die vereinfachte Zuordnung des erzeugten Stroms an Kunden im räumlichen Zusammenhang zur Anlage für zulässig erklärt; ein Nachweis des konkreten Stromflusses war (und ist) folglich nicht erforderlich.
Was bedeutet daher die neue Vorschrift? Zunächst ergänzt sie in Satz 1, dass im Rahmen der Leistungsbeziehung bezüglich des in der Anlage erzeugten Stroms kein Dritter beteiligt sein darf. Soweit der erzeugte Strom also zunächst an einen Dritten abgegeben bzw. veräußert wird, bevor er an Letztverbraucher (Kunden) im räumlichen Zusammenhang geleistet wird, dürfte somit die Stromsteuerbefreiung regelmäßig entfallen. Dies kann zukünftig insbesondere für EEG-Stromerzeuger relevant werden, die etwa das Marktprämienmodell oder das Grünstromprivileg unter Einbeziehung eines Dritten (sog. Direktvermarkters) nutzen.
Satz 2 schreibt für KWK-Strom die bisherige Praxis fest. Die Stromsteuerbefreiung ist daher grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Strom an den Netzbetreiber im Bereich des KWKG gekauft und wieder von diesem zurückgekauft wird – wobei zu berücksichtigen ist, dass es für den KWK-Zuschlag ohnehin nicht nötig ist, den Strom an den Netzbetreiber zu verkaufen (§ 4 Abs. 3a KWKG). Was den EEG-Strom betrifft, ist eine gewisse Schieflage zwischen bisheriger Praxis und dem Ziel der Neuregelung auf der einen und dem Wortlaut auf der anderen Seite. Denn nach dem EEG ist es nach einer Abgabe des Stroms an den Netzbetreiber zum Erhalt der EEG-Einspeisevergütung nicht möglich, diesen sofort vom Netzbetreiber zurückzukaufen, da dieser vielmehr an den vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber weitergegeben werden muss (§ 34 EEG). In Betracht käme daher nur, bspw. mit dem Vorlieferanten vertraglich zu vereinbaren, dass die erzeugte Menge zeitgleich bilanziell ausgeglichen wird. Ob dies ausreicht, um den Anforderungen des § 12b Abs. 4 Satz 2 StromStV zu genügen, ist derzeit allerdings noch offen. Finanzverwaltung und BMF haben noch nicht signalisiert, wie sie damit umgehen wollen, so dass hier eine Rechtsunsicherheit besteht, wie die Neuregelung in der Praxis umzusetzen ist.
Was ist also zu tun? Bestehende Erzeugungsmodelle, bei denen bisher die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG gewährt wurde, sollten auch für zurückliegende Besteuerungszeiträume genau überprüft werden. Möglicherweise werden zukünftig ergänzende Nachweise gefordert, zumal ein ebenfalls neu eingefügter § 4 Abs. 6 StromStV den Versorger dazu verpflichtet, auch diejenigen Strommengen anzumelden, die steuerfrei nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. b StromStG entnommen worden sind.
Betreiber von entsprechenden Anlagen sollten zunächst die Erzeugungs- und Vermarktungsstruktur dahingehend untersuchen, ob die Stromsteuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG jetzt sowohl für zurückliegende Zeiträume als auch für die Zeit ab dem 1.8.2013 gefährdet sein könnte.
Nach derzeitigem Stand dürfte als rechtssicherster Weg jedes Modell angesehen werden, das keine Dritten in die Stromleistung bzw. die Vermarktung des Stroms einbezieht. Im Rahmen der Direktvermarktung von EEG-Strom ist dies gegeben, wenn der Letztverbrauchers im räumlichen Zusammenhang durch den Anlagenbetreiber selbst beliefert wird.
Beim Erhalt des KWK-Zuschlags ist zu prüfen, ob die dargestellten gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten (Rückerwerb bzw. kein Verkauf) genutzt werden können, um den neuen Vorgaben in jedem Fall gerecht zu werden. Für alle anderen Modelle sollte im Einzelfall geprüft werden, ob eine Umstellung der bestehenden Modelle oder eine Ergänzung vertraglicher Regelungen erforderlich und möglich ist, um die Stromsteuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG auch weiterhin zu sichern.
Ansprechpartner: Daniel Schiebold/Andreas Große/Niko Liebheit