Weiter, weiter Anlagenbegriff des BGH: Erst die Gesamtheit der Photovoltaik-Module macht die Anlage

(c) BBH
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Kurz vor Jahresende überrascht der Bundesgerichtshof (BGH) insbesondere die Photovoltaik-Branche mit einem heute veröffentlichten Urteil (4.11.2015, Az. VIII ZR 244/14). Darin äußert er sich erstmals eingehend zum Anlagenbegriff des EEG 2009 bei Photovoltaik (PV)-Anlagen. Die Kernaussage: Nur die Gesamtheit aller PV-Module bildet die Anlage „Solarkraftwerk“, nicht das einzelne PV-Modul.

Mit dem Urteil stellt sich der BGH klar gegen die in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der Clearingstelle EEG und der Literatur bislang allgemein anerkannte Sichtweise, nach welcher jedes einzelne unter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2009 (EEG 2009) in Betrieb genommene PV-Modul eine „Anlage“ im Sinne des EEG 2009 sein soll. Das Gericht kommt stattdessen bei Anwendung des „weiten Anlagenbegriffs“ zu dem Ergebnis: Über die technisch-baulichen Mindestvoraussetzungen kommt es für die Einstufung als eine Anlage darauf an, ob die Einrichtungen „aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Person eines vernünftigen Anlagenbetreibers nach dessen Konzept als eine Gesamtheit funktional zusammenwirken und sich damit nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch als eine Anlage darstellen“.

Zur Begründung knüpft der BGH an seine Rechtsprechung (Urt. v. 23.10.2013, Az. VIII ZR 262/12) zu Biogasanlagen an, in der er mehrere Blockheizkraftwerke und einen unmittelbar benachbarten Fermenter als eine Anlage behandelt (wir berichteten). Dort aber waren die Fermenter als gemeinsam genutzte Einrichtungen der Stromerzeugung vorgelagert. Bei den PV-Modulen sollen jedoch auch „Befestigungs- oder Montageeinrichtungen“ ohne Funktion für die Stromerzeugung genügen, damit alles zusammen als eine Anlage gilt. Damit geht der BGH über das bisherige Verständnis vom weiten Anlagenbegriff deutlich hinaus. Infrastruktureinrichtungen, unter anderem der Wechselrichter, sollen hingegen nicht zur Anlage im Sinne des EEG 2009 zählen.

Im konkreten Fall fasst der BGH auf diese Weise 20.000 PV-Module zu einer einzigen Anlage im Sinne des EEG 2009 zusammen. Die Inbetriebnahme dieser Anlage hatte aus Sicht des BGH nicht schon bei einem „Glühlampentest“ stattgefunden, der für die einzelnen PV-Module in einer Lagerhalle durchgeführt worden war. Denn dort waren, so das Gericht, die einzelnen PV-Module noch keine Anlage (obwohl sie Strom aus Sonnenlicht erzeugt hatten). Zu den Anforderungen an die Inbetriebnahme und den Nachweis der Inbetriebnahme durch „Glühlampentest“ äußert sich der BGH hingegen nicht.

Die praktischen Auswirkungen des Urteils dürften nicht zu unterschätzen sein. Wenn erst mit Fertigstellung der (Gesamt-)Anlage nach einem „Gesamtkonzept“ dieselbe nach dem EEG 2009 als in Betrieb genommen gilt, schrumpft infolge der Degression der Vergütungssätze die Einspeisevergütung gegebenenfalls deutlich. Dies macht der vom BGH entschiedene Fall exemplarisch deutlich.

Im ersten Türchen des Adventskalenders hätten Anlagen- und Netzbetreiber gerne etwas anderes gefunden. Das BGH-Urteil wird in den kommenden Wochen für intensive Diskussionen sorgen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Andreas Große/Dr. Wieland Lehnert

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