Beihilfen für Breitbandausbau: EU-Kommission novelliert ihre Leitlinien – schneller, breiter, besser?

Die EU-Kommission hat ihre Leitlinien zum Ausbau schneller Breitbandnetze überarbeitet. Anlass dafür ist die Digitale Agenda für Europa aus dem Jahre 2010. Deren Kernaussage ist, dass Breitbandanschlüsse von strategischer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum und Innovationen in allen Wirtschaftszweigen sowie für den territorialen und sozialen Zusammenhalt in der EU sind.

Breitbandausbau ist von strategischer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Europas

Um die Herausforderung zu meistern, überall in Europa flächendeckende und erschwingliche Breitbandanschlüsse zu hochleistungsfähiger Infrastrukturen und Dienstleistungen bereitzustellen und zu finanzieren, sind allerdings staatliche Beihilfen erforderlich. Das erkennt auch die Europäische Kommission. Mit ihrer neuen Leitlinie fasst die Kommission deshalb diejenigen Grundsätze und Ausnahmen zusammen, die den Einsatz staatlicher Beihilfen für den Ausbau von Breitbandnetzen erlauben. Die neuen Leitlinien bauen auf den Leitlinien von 2009 und der bisherigen Erfahrung und Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission auf.

Auf deren Grundlage sind in Deutschland bereits mehrere Förderinstrumente für den Breitbandausbau notifiziert, das heißt bei der Kommission angemeldet und von dieser genehmigt worden.

Dazu gehören insbesondere die sog. Bundesrahmenregelung Leerrohre vom 12.7.2010, die jedoch nur Sachzuwendungen, wie die Zurverfügungstellung von Erdarbeiten und Leerrohrkapazitäten, regelt. Mit Wirkung zum 20.11.2012 hat ferner der Freistaat Bayern ein neues Hochgeschwindigkeitsbreitband-Förderprogramm aufgelegt. Das bayerische Förderprogramm entspricht in vielen, wenn auch nicht allen inhaltlichen Voraussetzungen den Vorgaben der Bundesrahmenregelung, lässt anders als die Bundesrahmenreglung finanzielle Zuwendungen als Ausgleich der Wirtschaftlichkeitslücke der jeweiligen Breitband-Unternehmen zu.

Was sind die wesentlichen Neuerungen im Vergleich zu der Leitlinie aus 2009?

Die geographische Aufteilung in weiße (im Wesentlichen nicht versorgte), graue (immer noch unterversorgte) und schwarze (im Regelfall bereits gut versorgte) Regionen, wird beibehalten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in (a)-Regionen (das heißt Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) Pro Kopf 75 Prozent unter dem Durchschnitt in der EU liegt) und (c)-Gebieten (solchen, die gegenüber dem nationalen Durchschnitt erheblich benachteiligt sind) Beihilfen für den Breitbandausbau auch auf die Regionalleitlinien gestützt werden können, dann aber zusätzlich deren Kriterien erfüllen müssen. Welche Technologieplattformen sie wählen, um darauf hochleistungsfähige Netze der nächsten Generation (NGA-Netze) zu errichten, steht den Mitgliedsstaaten ausdrücklich frei; in diese Entscheidung mischt sich die Kommission grundsätzlich nicht ein.

Als Schwerpunkt der neuen Leitlinien hebt die Kommission darüber hinaus insbesondere die folgenden Prioritäten und Grundsätze hervor:

  • Ultraschnelle Breitbandnetze: Die Digitale Agenda formuliert das Ziel, bis 2020 für die Hälfte aller europäischen Haushalte hochleistungsfähige Internetanschlüsse (von mehr als 100 Mbit/s) bereitzustellen. Daher werden nach den überarbeiteten Leitlinien auch für Stadt- und Ballungsgebiete öffentliche Zuwendungen zulässig sein. Allerdings gelten hierfür sehr strenge Auflagen, um zu gewährleisten, dass dies wettbewerbskonform geschieht.
  • Wesentliche Verbesserung der Breitbandanbindung: Um private Investoren zu schützen, schreiben die Leitlinien vor, dass öffentliche Investitionen in Netzinfrastruktur nur zulässig sind, wenn sich dadurch die Breitbandanbindung auf Endnutzerseite wesentlich und nicht nur leicht verbessert.
  • Stärkung der Zugangsoffenheit: Wenn ein Netz mit Steuergeldern ausgebaut wird, sollte es selbstverständlich sein, dass Verbrauchern ein wirklich offenes Netz zur Verfügung gestellt wird, in dem Wettbewerb gewährleistet ist.
  • Transparenz: Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, nationale Karten bzw. zentralisierte Datenbanken zu bestehenden Infrastrukturen zu erstellen und zu den wesentlichsten Projekten die Öffentlichkeit zu konsultieren, um zu garantieren, dass keine wettbewerbsverzerrenden Projekte staatlicherseits geplant sind. Dies soll für mehr Planungssicherheit bei den privaten Investoren sorgen und gleichzeitig der Ermittlung weißer, grauer und schwarzer Flecken dienen.

Welche bereits etablierten Kriterien bleiben?

Die grundsätzlichen Kriterien für die Vereinbarkeit – Marktversagen, Eignung des Instrumentes der staatlichen Beihilfe, Anreizeffekt und Beschränkung auf das erforderliche Minimum, begrenzte negative Auswirkungen sowie Transparenz der Beihilfe – sind nicht neu. Die Kommission  kündigt allerdings an, auch in Städten und Ballungsräumen Beihilfen dann wohlwollend beurteilen zu wollen, wenn sie den Ausbau von ultraschnellen NGA-Netzen ermöglichen oder beschleunigen sollen,  nach denen ein ausdrücklicher Bedarf nachgewiesen werden kann, sofern anhand der Marktentwicklung  nicht damit zu rechnen ist, dass private Investoren in absehbarer Zeit sich dieser Aufgabe annehmen würden.

Sofern Mitgliedstaaten den Ausbau dieser Netze als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) definieren, müssen entweder die so genannten  „Altmark-Trans“-Kriterien erfüllt sein, um Beihilfen objektiv auszuschließen, oder die Finanzierung muss als Beihilfe strikt unter Einhaltung der Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses Nr. 2012/21/EU gewährt werden. Danach  muss jeweils klar definiert sein, mit welchen Aufgaben das begünstigte Unternehmen betraut wird. Die Vergütung muss entweder durch eine öffentliche Ausschreibung oder nach der Formel „Kosten, die in einem (fiktiven) durchschnittlichen gut geführten Unternehmen entstünden, plus angemessener Gewinn“ festgelegt werden. Alternativ ist auf der Grundlage des Freistellungsbeschlusses sogar ein Vollkostenausgleich möglich. Ferner ist grundsätzlich offener Zugang auf Vorleistungsebene zu gewähren. Wegen der erfolgreichen Liberalisierung der Kommunikationsdienste auf dem Endkundenmarkt sind Endkundendienste von der Förderung  auf Basis von DAWI ausgeschlossen.

Datenbank über vorhandene und geplante Netze

Die Mitgliedsstaaten  sind verpflichtet, der Kommission zweijährlich Bericht zu erstatten und zu melden, wann die Netze in Betrieb gehen, welche Vorleistungsprodukte, wie viele  Zugangsinteressenten und Dienstanbieter im Netz und wie viele potenziell an das Netz anzubindende Anschlüsse es gibt.

Die Kommission verfolgt mit den detaillierteren Berichtspflichten die begrüßenswerte Absicht, eine europaweite Datenbank über vorhandene und noch geplante NGA-Netze aufzubauen. Allerdings bedeutet das auch, dass die Kommission damit wohl bereits den nächsten Schritt, nämlich den zukünftigen Betreiberwettbewerb um das Breitbandnetz, vorbereitet.

Fazit

Die neuen Leitlinien sind ein klares Bekenntnis der Kommission zur staatlichen Förderung des Ausbaus von Breitbandnetzen und fassen die Voraussetzung und Grundsätze für die staatliche Förderung zusammen. Sie ermöglichen damit eine größere Flexibilität bei der Entscheidung, wie staatliche Beihilfen für den Breitbandausbau rechtssicher gestaltet werden können. Die etablierten Ausnahmen und bereits vorhandenen Förderinstrumente des Bundes und der Länder gelten davon unbeschadet weiter. Wem diese Förderinstrumente zu unflexibel sind, der kann jetzt auf Basis der neuen Leitlinien Beihilfeprojekte anmelden, die auf Basis der Vorgängerleitlinie so noch nicht möglich waren.

Insofern sind die neuen Leitlinien tatsächlich ein echter Fortschritt im Sinne von „schneller, breiter, besser“!

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Axel Kafka/Dr. Christian Jung

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