Die Digitale Transformation der Energiewirtschaft (Teil 2): Verschläft die Energiewirtschaft den richtigen Zeitpunkt für das Angebot einer digitalen Kundenschnittstelle?

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Bereits in unserer Digitalisierungsstudie 2017 haben wir das Thema Plattformen als eine der fünf Säulen der Digitalisierung bezeichnet. Zwei Jahre später sind Plattformen und digitale Kundenportale ein zentraler Baustein für das Energieversorgungsunternehmen (EVU) der Zukunft. Denn um den Kunden den Kontakt mit dem Unternehmen so reibungslos und angenehm wie möglich zu machen, ist nicht nur eine hübsche Website wichtig, sondern mindestens ebenso  ein benutzerfreundliches und an das Design der Website angepasstes Kundenportal.

Die Energiewirtschaft und EVU befinden sich im Wandel. Insbesondere der Vertrieb sieht sich mit einer Reihe von neuen Herausforderungen konfrontiert, um den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Aus anderen Branchen sind wir eine Vielzahl digitaler Angebote gewohnt, etwa Erreichbarkeit rund um die Uhr. Die papierlose Rechnung, die via E-Mail zugesendet oder online abrufbar ist sowie individuelle digitale Vertragsangebote mit online Vertragsabschluss sind mittlerweile oftmals Standard. In der Energiewirtschaft gehören solche Serviceleistungen eher zu den Ausnahmen. Über ein Kundenportal könnten sie gebündelt und dem Kunden angeboten werden.

Aber damit nicht genug. Warum nicht zum Beispiel über das Kundenportal die Möglichkeit anbieten, Zählerstände online zu erfassen? So ließen sich auch die Prozesskosten für die Übertragung der Zählerstände von der Ablesekarte ins IT-System reduzieren. Zusätzlich können die Kunden online Verträge abschließen, ihre Kundendaten einsehen, ändern oder vervollständigen. Durch eine Schnittstelle in das stammdatenführende IT-System werden die Änderungen an den Kundenstammdaten automatisiert übernommen. Fehler durch manuelle Eingaben oder nicht übernommene Änderungen gehören der Vergangenheit an. Häufig vorkommende Abschlagsanpassungen könnten durch die Mitarbeiter von Energieversorgungsunternehmen ebenfalls zukünftig über das Kundenportal an den Kunden kommuniziert und angepasst werden.

Eine in der Praxis häufige Schwachstelle ist das Fehlen einer zentralen Kundenschnittstelle (Single Point of Contact). Denn derzeit ist eine Vielzahl von unterschiedlichen Kundenportalen an unterschiedlichen Stellen für unterschiedliche Funktionen im Einsatz. Neben dem „Kundenportal“ gibt es noch das „Kundenservice-Portal“, ein „Netzanschluss-Portal“, das „Großkunden-Portal“, ein Portal für Anlagenbetreiber, Portale für Drittanbieter wie „Verivox“, um nur einige aufzuzählen. Wie sollen sich also die Kunden – und oftmals auch die eigenen Mitarbeiter – bei dieser Vielzahl von Portalen zurechtfinden? Ziel muss es sein, alles aus einer Hand anzubieten, um den Kunden nicht zu verwirren und den optimalen Kundenservice an einer Stelle zu bündeln.

In Zukunft könnten auch noch weitere Bereiche wie ÖPNV, der Bäderbetrieb oder kommunale Veranstaltungen über das Kundenportal oder die daraus entstehende und durch das Stadtwerk betriebene Plattform beworben werden. Der Kunde erhält dadurch eine zentrale Anlaufstelle für alle kommunalen Themen, und das Stadtwerk kann eine zentrale Rolle im Alltag des Kunden einnehmen.

Für den beginnenden Smart-Meter-Rollout, dem sicherlich weitere regulatorische Anforderungen mit Auswirkungen auf den Endkunden folgen werden, stellen digitale Kundenportale ebenfalls eine optimale Informationsplattform dar. Kunden können über den Sinn und Zweck der intelligenten Messtechnik, eventuelle Mehrwertdienste und die Kosten von Smart-Metern informiert werden.

Größeren Kunden, die ein intelligentes Messsystem erhalten, können über ein Kundenportal umfangreiche Analyse- und Reporting-Möglichkeiten ihres Energieverbrauchs zur Verfügung gestellt werden, was die Kundenbindung weiter erhöht. Ein weiteres Angebot auf der Stadtwerke-Plattform für Großkunden könnte ein digitaler Markplatz für überschüssige Energie sein.

Die Möglichkeiten eines Kundenportals oder einer Stadtwerke-Plattform gehen weit über die hier beschriebenen hinaus und bringen Stadtwerke in die Position, als zentrale Anlaufstelle rund um alle kommunalen Themengebiete wahrgenommen zu werden, optimalen Kundenservice zu bieten und intern die Prozesskosten zu reduzieren.

Die Energiewirtschaft sollte und darf den richtigen Zeitpunkt für das Angebot einer solchen digitalen Kundenschnittstelle nicht verpassen. Die Gefahr, dass hoch digitalisierte und effiziente Startups oder etablierte Plattformunternehmen den Markt aufrollen, wird stetig steigen. Dazu kommt, dass die Kunden durch die Möglichkeit, Angebote innerhalb kürzester Zeit im Internet vergleichen zu können, immer preissensibler werden. Dies zwingt Energieversorgungsunternehmen dazu, sich durch andere Angebote wie ein umfangreiches und einfach zu bedienendes Kundenportal von anderen Marktteilnehmern zu differenzieren.

Ansprechpartner BBHC: Dr. Andreas Lied/Stefan Brühl/Hannes Sauter
Ansprechpartner BBH: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege

PS: Wenn Sie mehr dazu erfahren möchten, dass schauen Sie gern hier.

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