Netznutzungsentgelte: Finanzbehörden strapazieren das Gewerbesteuergesetz

Dass Netzbetreiber auf ihre Erträge aus vereinnahmten Netzentgelten für Strom und Gas Gewerbesteuer zahlen müssen, wird niemanden überraschen. In welcher Beziehung genau die Entgelte für die Netznutzung zur Gewerbesteuer stehen, liegt aber – prima vista – nicht auf der Hand. Und wie die Finanzbehörden damit in der Praxis umgehen, überrascht den sachkundigen Beobachter auch auf den zweiten Blick.

Schwierigkeiten entstehen vor allem dann, wenn eine Vertriebsgesellschaft in ein „fremdes Konzessionsgebiet“ Energie liefert. Nach Auffassung der Finanzbehörden müssen die Entgelte, die sie für die Netznutzung zahlt, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages gemäß § 8 Nr. 1 GewStG hinzugerechnet werden. Gleiches gilt auch für die Belieferung von Industriekunden, die gleichfalls in einem „fremden Konzessionsgebiet“ ansässig sind, und die i. d. R. gewerbesteuerpflichtig sind, und mit denen, neben dem Entgelt für den Bezug von Energie, ein individuelles Netzentgelt vereinbart wurde. Auf diesen Standpunkt haben sich die Finanzbehörden in diversen Betriebsprüfungen gestellt.

Damit würde sowohl der Ertrag des Netzbetreibers mit Gewerbesteuer belastet als auch die damit korrespondierenden Aufwendungen beim Leistungsempfänger, dem Energie-Vertrieb bzw. dem Industriekunden. Dies führt zu einer echten (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung. Diese ist einerseits vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache „Eurowings“ bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu akzeptieren, andererseits bei inländischen Sachverhalten vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips verfassungsrechtlich nicht unumstritten.

Die Finanzverwaltung hat (offenbar als Ergebnis der Beratungen einer sog. Bund-Länder-Arbeitsgruppe) diese gewerbesteuerliche Hinzurechnung, die abschließend in § 8 GewStG geregelt ist, auf Nr. 1 Buchst. f gestützt: Danach werden „Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten (insbesondere Konzessionen und Lizenzen …)“ dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet, wenn und soweit diese bei der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigt, d. h. abgesetzt worden sind.

Tatsächlich ist diese Rechtsgrundlage aber mehr als wackelig: Der Netzbetreiber räumt dem „fremden Vertrieb“, der in das Konzessionsgebiet liefert, kein Recht ein und vergibt auch keine Konzession oder Unterkonzession, sondern übernimmt vielmehr den Transport von Energie an den Endkunden. Der Vertrieb, der die Energie in das fremde Konzessionsgebiet verkauft, erhält keine Verfügungsmacht über das – vom Netzbetreiber bewirtschaftete – Netz, diese verbleibt uneingeschränkt beim Netzbetreiber, der die Energie transportiert.

Somit kann von einer Überlassung von Rechten, wie sie § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG verlangt, keine Rede sein. Auch ein Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hat gleichfalls zu unterbleiben, da zwischen dem Netzbetreiber und dem Vertrieb, der die verkaufte Energie zum Endkunden durchleiten lässt, auch keine Miet- oder Pachtverhältnis besteht, da der Netzbetreiber die Verfügungsbefugnis uneingeschränkt innehat und der Anspruch auf Durchleitung sich aus dem EnWG ergibt, also eine gesetzliche und keine vertragliche Grundlage hat.

Ansprechpartner: Rudolf Böck/Oliver Eifertinger

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