Elefanten-Ehe zwischen E.ON und RWE? Endstation Standesamt!

EU-Energiekommissar Günther Oettinger ist ein Mann mit Visionen. Einer, der in großen Zusammenhängen denkt (und dies ob seinen Amtes auch tun muss). Manchmal wünscht man sich dann aber doch ein bisschen mehr Blick für Details. Zum Beispiel dann, wenn man das Interview mit der Rheinischen Post liest, das diese Woche erschien. Angesprochen auf den geplanten Stellenabbau bei den Energiekonzernen E.ON und RWE, bringt Oettinger darin überraschend eine Fusion der beiden größten deutschen Energieversorger ins Spiel und tritt damit eine heftige Debatte los.

Oettingers Idee: Fusion zwischen E.ON und RWE

Im Interview nimmt Oettinger zur Rolle deutscher Energiekonzerne im Weltmaßstab Stellung. Er schätzt ein, dass die deutschen Energiekonzerne E.ON und RWE im Weltvergleich „nur Regionalliga“ seien. Wolle Deutschland aber „in der Weltliga“ der Energiegiganten Exxon, Chevron oder Gazprom mitspielen, bedürfte es eines „nationalen Players von entsprechender Größe“. „Wenn man einmal von etwaigen wettbewerbsrechtlichen Problemen in Europa absieht, die es zu bewerten und gegebenenfalls zu lösen gälte“, so Oettinger, könne auch eine Fusion „ein Schritt sein, der das Gewicht der deutschen Energiewirtschaft im weltweiten Wettbewerb stärken würde“.

Der Blick in die Geschichte: Die Wiedergeburt der Idee der „nationalen Champions“

Die Wortwahl Oettingers in dem genannten Interview ähnelt stark derjenigen des früheren Wirtschaftsministers Werner Müller und weckt Erinnerungen:

Müller hatte im Jahre 2002 als damaliger Wirtschaftsminister gegen das sehr klare anderslautende Votum des Bundeskartellamts die Fusion zwischen E.ON und Ruhrgas im Wege einer Ministererlaubnis nach § 42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ermöglicht. Weil er selbst sich als früherer Manager der VEBA, eines Vorgängerunternehmens von E.ON, für befangen erklärte, wies Müller seinen damaligen Staatssekretär Alfred Tacke an, eine Sondererlaubnis für den geplanten Zusammenschluss zu erteilen. Die Message seinerzeit: Das Spielfeld der Strom- und Gasversorgung solle „nationalen Champions“ überlassen werden.

Mit den Folgen jener Wettbewerbspolitik haben die deutschen Energiemärkte bekanntlich noch heute zu kämpfen. Nach wie vor besteht in den (damals betroffenen) wesentlichen Segmenten der Energieversorgung – insbesondere in der Gas- und Stromerzeugung – kein funktionsfähiger Wettbewerb. Würde der Vorschlag Oettingers Realität, droht also ein Déja-vu mit der deutschen Geschichte, diesmal allerdings auf der europäischen Leinwand.

Der Blick dahinter: Was bezweckt Oettinger?

Der jetzige Vorstoß Oettingers wirft Fragen nach dem „Warum“ auf. Allen voran die nach dem Zweck: Hat Oettinger bei seiner Vision den Geldbeutel des deutschen Haushaltskunden im Blick? Oder treibt ihn doch eher der (europäische) Wunsch nach einem Bollwerk gegen das russische Schwergewicht Gazprom und dessen Expansionsdrang um? Oder ist es etwas ganz anderes?

Am unverfänglichsten ist zwar die Annahme, Oettinger habe seine Meinung lediglich als deutscher Privatmann geäußert. Als solcher würde er sich von einer Fusion zum Beispiel erhoffen, dass damit der deutsche (Energie-)Wirtschaftsstandort gestärkt und aufgrund möglicher Synergieeffekte zugleich die Energiepreise gesenkt oder zumindest gleich gehalten würden. Ob diese Hoffnung berechtigt wäre, darf bereits angezweifelt werden.

Unabhängig hiervon ist jedoch eine solche Deutung von Oettingers Aussagen nicht gerade naheliegend, wenn man sich den Kontext vor Augen führt. In seiner Funktion als Energiekommissar hat Oettinger das große Ganze im Blick – also nicht weniger als die Zukunft des Europäischen Energiemarktes. Darauf deutet insbesondere der Vergleich mit der Weltliga der internationalen Energiegiganten hin. Problematisch wäre ein so verstandener (womöglich unabgestimmter) Vorstoß Oettingers aber wiederum deswegen, weil er bei den Europäischen Wettbewerbshütern auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte.

Der Ausblick: Spätestens beim Standesamt wäre Schluss

Welche Motivation auch immer Oettinger bei seinem Vorstoß getrieben haben könnte, ein kleines aber feines Detail wird in seiner Äußerung leicht übersehen: die von Oettinger zitierten „etwaigen wettbewerbsrechtlichen Probleme in Europa“ durch ein mögliches Zusammengehen von E.ON und RWE. Was hat es damit auf sich?

Fusionen dieser Größenordnung unterliegen der Kontrolle durch die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission (GD Wettbewerb), dem europäischen Standesamt für Unternehmenszusammenschlüsse. Nach der Fusionskontrollverordnung (FKVO) sind Fusionen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn durch sie keine erhebliche Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs („significant impediment to effective competition“, sog. „SIEC“-Test) zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich unter anderem nach der Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, der durch eine Fusion entstehenden Marktzutrittsschranken, den Nachfrage- und Angebotsentwicklungen sowie den Auswirkungen auf potentiellen und tatsächlichen Wettbewerb. Gemessen an diesen wettbewerbsrechtlichen Kriterien kann die Antwort der Standesbeamten bei der GD Wettbewerb zu noch mehr Größe nur ein klares „Nein“ sein. Aber vielleicht wollen Oettingers Wunschkandidaten auch einfach nur Single bleiben und der Segen der GD Wettbewerb wird nie abgefragt.

Sie interessieren sich für die kartellrechtliche Seite der E.ON/Ruhrgas-Fusion? Dann schauen Sie bitte hier.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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