Die neuen Leitlinien für Energie und Umwelt – Ante Portas … Teil 1: Der Rahmen zur künftigen Förderung Erneuerbarer Energien

(c) BBH
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Bereits seit 2012 arbeitet die Kommission an neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen. Nun ist es endlich soweit: Nach drei Konsultationsverfahren und einer Vielzahl zäher Verhandlungen, hat die Europäische Kommission die Leitlinien am 9.4.2014 verabschiedet. Bereits am 1.7.2014 sollen sie in Kraft treten.

Die Leitlinien sind dabei vor allem in den vergangenen Monaten zum Politikum geworden. Allein bei der letzten, im Dezember gestarteten Konsultation gingen dem Vernehmen nach über 3.000 Stellungnahmen aus dem Kreis der Mitgliedsstaaten, der Anlagenbetreiber, der Industrie und der Verbändevertreter in Brüssel ein und führten bereits zu ersten Korrekturen des Leitlinienentwurfs (wir berichteten). Im Anschluss reiste Bundesminister Gabriel noch mehrfach nach Brüssel, um mit Kommissar Almùnia insbesondere zum Thema der Industrieentlastungen (dazu berichten wir hier morgen) zu verhandeln. Die Interviews des ausgelaugten Wirtschaftsministers zum zwischenzeitlichen Verhandlungsstand sind allen sicherlich in lebhafter Erinnerung.

Sobald die Leitlinien im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht sind, müssen die Mitgliedstaaten binnen zwei Monaten ihre ausdrückliche und unbedingte Zustimmung geben (Rz. 252). Andernfalls würde die Kommission davon ausgehen, dass sie nicht zustimmen. Dies würde dann für den Mitgliedsstaat bedeuten, dass Beihilfen im Bereich Energie und Umwelt dann insgesamt nur als Einzelanmeldungen außerhalb des Rahmens der Leitlinien möglich wären, was länger dauern würde und erheblich schwieriger wäre.

Im Ergebnis spiegeln die Leitlinien also das wider, was die Europäische Kommission für beihilferechtskonform hält. Sie sind somit für die anstehende EEG-Novelle (wir berichteten) von großer Bedeutung. Doch was steht eigentlich in den viel diskutierten Vorgaben drin?

Marktgerechter, wettbewerbsfähiger, bezahlbarer

Ziel der neuen Leitlinien ist es vor allem, die Förderung Erneuerbarer Energien auf dem Weg zur Realisierung der 20/20/20-Ziele schrittweise dem Marktgeschehen anzupassen, um Steuerzahler zu entlasten und übermäßige Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Dadurch sollen die Erneuerbarer Energien wettbewerbsfähiger und die Energie für die europäischen Bürger und Unternehmen bezahlbarer werden.

Dabei hat die Kommission nun – für ein nachrangiges „Soft-law“-Dokument ohne originäre Rechtsqualität äußerst ungewöhnlich – deutlich gemacht, auf welche Weise sie erneuerbare Energien am liebsten gefördert sehen will. Ihr Champion ist dabei ein Instrument, das bislang überhaupt nicht nennenswert in der EU genutzt wird: das Ausschreibungsverfahren. Dabei sollen die Mitgliedstaaten als eine Art „opt-out“ ausnahmsweise und in begründeten Fällen nationale Gegebenheiten flexibel berücksichtigen können. So sollen in einer Übergangsphase in den Jahren 2015 bis 2016 mindestens 5 Prozent der Subventionen zugunsten Erneuerbarer Energien über öffentliche Ausschreibungen gewährt werden.

Ab 2017 sollen Beihilfen dann stets über ein offenes, transparentes und nicht-diskriminierendes – technologieneutrales – Ausschreibungsverfahren vergeben werden, sofern der betreffende Mitgliedstaat nicht nachweisen kann, dass es nur ein Projekt oder eine sehr beschränkte Anzahl von Projekten gibt, die für die Ausschreibung in Betracht kämen, dass eine Ausschreibung zu höheren Fördersätzen führen würde oder dass im Falle einer Ausschreibung nur wenige Projekte realisiert würden (Rz. 127). Allerdings sind Anlagen mit einer Leistung von weniger als 1 MW, Demonstrationsprojekte und Windkraftanlagen mit einer Leistung von bis zu 6 MW oder 6 Erzeugungsanlagen von dem Ausschreibungserfordernis ausgeschlossen (Rz. 128). Darüber hinaus können Ausschreibungsverfahren auf bestimmte Technologien begrenzt werden, wenn ein technologieübergreifendes Verfahren zu „suboptimalen“ Ergebnissen führen würde, die im Rahmen des Verfahrens nicht korrigiert werden können. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen es um das Langzeit-Potential einer neuen und innovativen Technologie, um Technologiediversifizierung, um Netzsicherheit, um die Kosten für die Netzintegration oder um mögliche Beeinträchtigungen des Rohstoffmarktes durch die Förderung von Biomasse geht (Rz. 127). In letztgenanntem Fall darf Biomasse dann konsequenterweise auch keine anderen Förderleistungen erhalten (Fn. 68).

Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus, wie die Leitlinien die Fördermechanismen zugunsten Erneuerbarer Energien regelt (Ziff. 3.3.1.). Danach sollen Einspeisetarife schrittweise durch Marktprämien ersetzt werden, die zusätzlich zu dem bei der Direktvermarktung erzielten Marktpreis gewährt werden. So sollen Erneuerbare Energien zunehmend Marktsignalen ausgesetzt werden. Allerdings werden kleinere Anlagen mit weniger als 500 MW weiterhin durch Einspeisetarife oder gleichwertige Förderung unterstützt werden können. Gleiches gilt für Demonstrationsprojekte und Windkraftanlagen mit einer Leistung von bis zu 3 MW oder drei Erzeugungsanlagen (Rz. 126). Darüber hinaus sehen die Leitlinien eine Standardbilanzkreisverantwortung des Beihilfeempfängers vor, soweit es wettbewerbliche Intraday-Märkte für Regel- und Ausgleichsenergie gibt (Rz. 125). Auf bestehende Regelungen, die auf der Grundlage der bisherigen Leitlinien genehmigt wurden, haben die neuen Leitlinien demgegenüber keinen Einfluss.

Zu beachten ist außerdem, dass die Kommission Fördermechanismen nur für eine Dauer von höchstens zehn Jahren zulassen wird. Sollte der Mechanismus darüber hinaus beibehalten werden, muss er nach Ablauf dieser Frist neu notifiziert werden (Rz. 121).

Der Abschied vom Einspeisetarifsystem und andere Schwierigkeiten

Das Einspeisetarifsystem war (sofern gut) der bisher wohl größte Erfolgsfaktor für eine dezentrale Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen und hatte auch von der Kommission in ihren vergangenen Berichten über den Ausbau der Erneuerbaren immer gute Noten in Sachen Effizienz bekommen. Dieses System beseitigen die Leitlinien mit einem Handstreich. Das Wort „feed-in“ taucht nun mal gerade ein einziges Mal im englischen Text in Rahmen von Definitionen auf. Stattdessen soll es künftig nur noch Marktprämiensysteme geben. Außerdem – und hier gab es erhebliche Auseinandersetzungen in den vergangenen Wochen – sollen die Beihilfeempfänger auch für das Balancing Verantwortung übernehmen, es sei denn, ein Intra-Day Markt existiert nicht und es sollen Maßnahmen ergriffen werden, dass es keinen Anreiz für die Produzenten gibt, Strom zu negativen Preisen zu generieren. Wie das letztere denn eigentlich mit der angestrebten Markt- Zielsetzung zu vereinbaren ist, wird nicht ausgeführt. Ebenso wenig erläutern die Leitlinien, wie die Kriterien für das Balancing aussehen, so dass diese Verantwortung unter Umständen dann „nur“ die Produzenten aus Erneuerbaren Energien treffen könnte und damit wiederum eine Diskriminierung erzeugt (Rz. 125).

Es gab heftigen Streit, ob die Kommission das Ausschreibungsverfahren und das Marktprämiensystem so kategorisch bevorzugen sollte und damit womöglich den Bogen für Leitlinien überspannt hat, so dass man hier von einem „Excess of Power“ ausgehen müsste, da diese Einengung die Wahlfreiheit der Förderpolitiken, wie sie die Richtlinien 2009/28/28/EG ausdrücklich zulässt, konterkariert.

Somit kann es durchaus sein, dass insbesondere der dezentrale Versorgungsbereich wie Stadtwerke, dass Verbände und nicht zuletzt Mitgliedstaaten die Sache durch das Europäische Gericht klären lassen werden. Die Latte dafür ist hoch, denn Leitlinien sind im Grunde gerade keine Rechtssätze und binden eigentlich Dritte nicht. Sie haben aber dennoch oft derart gestaltende Auswirkungen, dass es Präzedenzfälle dafür gibt, auch Leitlinien im Rahmen von Nichtigkeitsklagen zu prüfen, allerdings bislang in „homöopathischen Dosen“. Andererseits hat der gerade der Europäische Vertrag von Lissabon dem Grundsatz, dass wesentliche Bewertungen als Rechtsakte erfolgen sollten, einen hohen Stellenwert eingeräumt.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Prof. Dr. Ines Zenke

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