Geplante Änderungen im BImSchG: Klimaziele schneller erreichen
Am 19.4.2023 wurde vom Bundeskabinett der Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, die Potenziale zur Erreichung der Klimaziele, die sich aus dem immissionsschutzrechtlichen Instrumentarium und aus den dynamisch angelegten Betreiberpflichten ergeben, effektiver zu nutzen.
Aus Sicht des Bundesumweltministeriums stellen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen „einen geeigneten Regelungsort für ordnungsrechtliche Vorgaben an Anlagen und den Verkehr zum Schutz des Klimas dar“. Der Gesetzesentwurf zielt daher hauptsächlich darauf ab, die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, da gerade im Hinblick auf Erneuerbare-Energie-Anlagen mehr Geschwindigkeit erforderlich ist, um die Klimaneutralität zu erreichen. Zudem setzt der Gesetzesentwurf in weiten Teilen die bereits im Koalitionsvertrag festgelegten Ansätze zur Beschleunigung von Verwaltungsverfahren um. Weiterhin sollen Vorgaben aus EU-Richtlinien umgesetzt werden.
Schutzgut und Verfahrensregeln
Um die Vorgaben aus dem Klimaschutzgesetz zu erreichen, wird in dem Gesetzesentwurf das Klima als eigenständiges Schutzgut ausdrücklich in das BImSchG aufgenommen. Damit soll eine sichere Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass auch die auf Grundlage des BImSchG erlassenen Verordnungen Regelungen zum Klimaschutz enthalten können.
Weiterhin sollen durch Anpassungen der Verfahrensregelungen im BImSchG und in der 9. BImSchV immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren verkürzt und vereinfacht werden. Dies betrifft vor allem die zeitliche Straffung der Behördenbeteiligung. Der Entwurf sieht u. a. vor, dass Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden dem Antragsteller unverzüglich weiterzuleiten sind und diesem die Möglichkeit einer direkten Stellungnahme zu geben ist, sollte die Behörde eine gesetzlich erforderliche Zustimmung nicht erteilen wollen. Von diesem unmittelbaren Austausch erhofft sich die Bundesregierung laut der Begründung des Gesetzesentwurfs eine beschleunigte und frühzeitige Beseitigung von Unklarheiten im Vorfeld, ohne dass die Entscheidungen der Fachbehörden dadurch selbst justiziabel gemacht werden. Die bislang nur für Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehene Fiktion, dass eine zu beteiligende Behörde keine Einwände gegen das Vorhaben hat, wenn sie sich nicht innerhalb eines Monats geäußert hat, soll auf Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff erweitert werden. Gibt eine zu beteiligende Behörde ihre Stellungnahme nicht fristgerecht ab, soll es möglich sein, zu ihren Lasten ein Sachverständigengutachten zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einzuholen. Fristüberschreitungen sollen stets an die Aufsichtsbehörden zu melden sein, was zusätzlich disziplinierend wirken soll.
Die Möglichkeit, die Frist, innerhalb derer die Genehmigungsbehörde über den Antrag entscheiden soll, um drei Monate zu verlängern, soll auf einmal beschränkt werden, sofern der/die Antragsteller/in nicht einer weiteren Verlängerung zustimmt.
Ein neuer § 2b in der 9. BImSchV schafft die Grundlage dafür, dass bei einem entsprechenden Antrag oder Einverständnis der Vorhabenträger die Einschaltung eines/r Projektmanagers/in zum Regelfall wird. Dieser kann erheblich zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens beitragen, indem er im Auftrag der Behörde wesentliche Verfahrensschritte – wie z. B. die Koordinierung von erforderlichen Sachverständigengutachten, die erste Auswertung von Stellungnahmen und die organisatorische Vorbereitung des Erörterungstermins – vorbereitet oder durchführt. Hierdurch wird die Genehmigungsbehörde entlastet, ohne dass dabei deren Entscheidung vorgegriffen wird.
Eine weitere Vereinfachung ist für die Modernisierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Repowering) vorgesehen. Beim Repowering erfolgt unter bestimmten Voraussetzungen – dies betrifft insbesondere den Zeitraum, in dem nach dem Rückbau der Bestandsanlage die neue Anlage zu errichten ist, und wie groß der Abstand zwischen dem Standort der Bestandsanlage und dem der neuen Anlage sein darf – nur eine sogenannte Deltaprüfung, das heißt es werden grundsätzlich nur die Umweltauswirkungen geprüft, die im Vergleich zur Bestandsanlage zusätzlich auftreten. Die Errichtungsfrist soll nun von 24 auf 48 Monate und der räumliche Abstand vom Zweifachen auf das Fünffache der Gesamthöhe der neuen Anlage erweitert und an die schon jetzt geltenden Maßgaben für die artenschutzrechtliche Prüfung angeglichen werden. Damit wäre klargestellt, dass sich die Deltaprüfung unter diesen erleichterten Voraussetzungen grundsätzlich auf alle öffentlichen Belange bezieht. Einschränkungen sieht der Gesetzesentwurf nur für das Baurecht, die Belange des Arbeitsschutzes und das Recht der Natura 2000-Gebiete vor.
Grundsätzlich verzichtet werden soll in Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land und Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff auf die Durchführung eines Erörterungstermins.
Um auch die Rechtsbehelfsverfahren gegen Windenergieanlagen zu beschleunigen, soll zudem in § 63 BImSchG eine Frist zur Begründung des Widerspruchs von einem Monat aufgenommen werden. Wird der Widerspruch nicht fristgerecht begründet, soll die Behörde den Widerspruch zurückweisen. Eine neue Frist ist auch für den Eilrechtsschutz vorgesehen: Wer die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zulassung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern beantragen will, muss diesen Antrag nach dem Gesetzesentwurf binnen eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbescheides stellen und auch begründen.
Umsetzung von EU-Recht
Darüber hinaus sollen durch Konkretisierung des einschlägigen Fachrechts einzelne Vorgaben der Industrieemissions-Richtlinie (2010/75/EU) umgesetzt werden. Werden Industrieanlagen so geändert oder erweitert, dass die Schwellenwerte nach der Industrieemissions-Richtlinie überschritten werden, wird zukünftig im Genehmigungsverfahren stets die Öffentlichkeit beteiligt. Anlagen sollen bei ernsthaften umweltbezogenen Unfällen und Vorfällen sowie bei Verstößen der Anlagenbetreiber gegen die Vorschriften so schnell wie möglich überprüft werden. Dies soll unabhängig davon gelten, wann die Genehmigung für die Anlage erteilt wurde oder wann die Genehmigung erneuert bzw. aktualisiert wurde. Diese Regelungen dienen im Wesentlichen (nur) der Klarstellung, dass die europarechtlichen Vorgaben korrekt umgesetzt werden. Entsprechendes gilt für die vorgesehene Änderung von § 22a Abs. 4 der Deponieverordnung (DepV): Hier soll im Zusammenhang mit dem Betrieb von Deponien ebenfalls klargestellt werden, dass bei Beschwerden wegen ernsthafter Umweltbeeinträchtigungen, bei Ereignissen mit erheblichen Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit und bei Verstößen gegen Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes eine Überprüfung unverzüglich zu erfolgen hat.
Schließlich sollen im Rahmen der Umsetzung der überarbeiteten Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm zu den Fristen zur Erstellung von Lärmaktionsplänen durch eine Änderung des § 47d Absatz 5 BImSchG Überprüfungen und Überarbeitungen der Lärmaktionspläne verschoben werden. Die Verschiebung soll laut der Gesetzesbegründung zugleich auch mehr Zeit für die Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglichen.
Weitere Neuregelungen und wie es weitergeht
Weitere geplante Neuregelungen betreffen u. a. die Gebührenerhebung im Zusammenhang mit der Bescheinigung von Treibhausgasminderungen durch den Einsatz von E-Fahrzeugen, die Zuweisung der Aufgabe der Errichtung und Führung einer Energieverbrauchsdatei für Kraftfahrzeuge an das Kraftfahrt-Bundesamt sowie redaktionelle Änderungen.
Am 5.5.2023 wurde der Entwurf an den Bundesrat zur Stellungnahme übermittelt. Der Vorschlag der Bundesregierung steht nun auf Tagesordnungspunkt 12 der Sitzung des Bundesrats am 16.6.2023. Sofern von diesem keine Einwände erhoben werden, soll das Gesetz zügig beschlossen werden und am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Dies wäre dann ein weiterer Baustein der Genehmigungsbeschleunigung, dem aber noch weitere folgen müssen.
Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Nelly Arnold