Preisanpassung in der Grundversorgung: Kläger wollen per Verfassungsbeschwerde den Streit erneut nach Luxemburg tragen

Fletsche Liebe Hand Streit Beschwerde
© BBH

Im Oktober hatte die Saga um das Recht der Grundversorger, ihre Preise nachträglich anzupassen, eine (aus Sicht der Versorger) erfreuliche Wendung genommen: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte entschieden, dass Grundversorger ein solches Preisanpassungsrecht im Wege ergänzender Vertragsauslegung haben (wir berichteten). Doch die Saga ist noch nicht zu Ende. Jetzt könnte diese Problematik erneut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg landen, der 2014 die Preisanpassungsregelung in § 4 AVBGasV für intransparent und daher unvereinbar mit den Anforderungen der Gasbinnenmarktrichtlinie (GasRL – RL 2003/55/EG) erklärt hatte (wir berichteten). Der Weg nach Luxemburg könnte über Karlsruhe führen: Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist jetzt eine Verfassungsbeschwerde anhängig, mit der die Kläger den BGH zwingen wollen, den Fall nochmals in Luxemburg vorzulegen.

Was die Verfassungsbeschwerde bezweckt

Der BGH hatte nach dem EuGH-Urteil von 2014 entschieden, dass die Regelung zur Preisanpassung zwar unwirksam ist, die Verträge jedoch ergänzend ausgelegt werden können, um die eingetretene Regelungslücke zu schließen. Der Ansatz des BGH wäre auf die Preisanpassungsregelungen der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) und Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) in der bis zum 29.10.2014 geltenden Fassung übertragbar.

Die Verfassungsbeschwerde wird damit begründet, dass der BGH zuvor dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung hätte vorlegen müssen, ob diese Lösung den europarechtlichen Transparenzvorgaben genügt. In den bisherigen Vorlagen habe der BGH nicht zu erkennen gegeben, dass er eine „ergänzende Vertragsauslegung“ beabsichtige, weshalb sich der EuGH hierzu nicht äußern konnte. Dadurch sei der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt.

Nimmt das BVerfG die Beschwerde an, hätte es allein diese Frage zu bewerten. Eine inhaltliche Stellungnahme, ob die ergänzenden Vertragsauslegung europarechtlich zulässig ist, ist nicht zu erwarten. Die Verfassungsbeschwerde dient den Beschwerdeführern damit lediglich als Zwischenschritt, um den BGH zu einer nochmaligen Vorlage zum EuGH zu zwingen. Die eigentliche inhaltliche Entscheidung träfe dann der EuGH.

Soweit das BVerfG also der Verfassungsbeschwerde stattgibt, hebt es das Urteil des BGH auf und verweist die Sache an den BGH zurück. Dieser hätte unter Beachtung der Entscheidung des BVerfG erneut in der Sache zu entscheiden und die Sache dem EuGH vorzulegen.

Wie sich die Verfassungsbeschwerde auswirkt

Die Verfassungsbeschwerde hat zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die vom BGH geschaffene „versorgerfreundliche“ Rechtslage. Insbesondere ergeben sich keine Auswirkungen auf die Verjährung potentieller Rückforderungsansprüche.

Die Entscheidungen des BGH sind von den unterinstanzlichen Gerichten in Verfahren über mögliche Rückforderungsansprüche von tarif- oder grundversorgten Kunden solange zu beachten, bis sie vom BVerfG ausdrücklich aufgehoben werden und laufende Verfahren können von den Gerichten nicht ausgesetzt werden, um die Entscheidung des BVerfG abzuwarten.

Wie geht es weiter?

Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde sind als gering einzuschätzen. Dem BVerfG kommt zunächst ein weiter Ermessensspielraum zu, ob es das Verfahren überhaupt annehmen möchte. Im Falle der Annahme müsste das BVerfG zum Ergebnis kommen, der BGH habe mit der Entscheidung über eine Nichtvorlage beim EuGH seinen Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise verletzt. Sollte das BVerfG das aber tatsächlich tun, wäre der Ausgang einer weiteren Entscheidung des EuGH offen.

Bis sich die Lage endgültig klärt, werden allerdings voraussichtlich die meisten Ansprüche aus Zeiträumen vor dem 30.10.2014 verjährt sein. Viele gerichtliche Schritte sind nötig, und Verfahren vor den höchsten Gerichten dauern erfahrungsgemäß lange. Damit wird sich wohl selbst im Extremfall der Schaden für die Versorger in engen Grenzen halten.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis

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