Neugestaltung des nationalen Regulierungsrahmens: Eckpunktepapier der BNetzA

Am 29.12.2023 ist das novellierte Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Kraft getreten, mit dem das nationale Regulierungssystem die weitreichendste Änderung seit der Einführung der Entgeltregulierung im Jahr 2005 erfahren wird. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat am 18.1.2024 ein Eckpunktepapier veröffentlicht, in dem erste Überlegungen zur Weiterentwicklung der Kosten- und Anreizregulierung im Strom- und Gasbereich als „Impuls für einen Diskussionsprozess“ vorgestellt werden.

Die Novelle

Das „Gesetz zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ setzt die Vorgaben des EuGH-Urteils vom 2.9.2021 (C-718/18) um. An die Stelle der bisherigen Verordnungsermächtigungen treten damit umfassende Festlegungskompetenzen der BNetzA. Die bisher im Bereich der Netzentgeltregulierung geltenden Verordnungen – insbesondere die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) sowie die Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen (Strom-/GasNEV) – treten mit Ablauf der 4. Regulierungsperiode (Gas: 31.12.2027; Strom: 31.12.2028) außer Kraft und werden durch bundesweit einheitliche Festlegungen der BNetzA ersetzt.

Wesentlicher Inhalt des Eckpunktepapiers

Mit dem Eckpunktepapier bringt die BNetzA ihr zentrales Anliegen zum Ausdruck: Die Entgeltregulierung soll „schneller und einfacher und vor allem weniger bürokratisch“ werden. Nach einer Standortbestimmung zum bisherigen Erfolg der Regulierung der Energienetze stellt die Behörde insgesamt 15 Thesen auf und benennt jeweils Fragen an die Branche hierzu.

Unter der Annahme, dass sich das Regulierungsmodell der Anreizregulierung mit einer Kostenprüfung und der darauf aufsetzenden Festlegung von Erlösobergrenzen für die Dauer einer Regulierungsperiode grundsätzlich bewährt hat, schlägt die BNetzA eine Verkürzung der Regulierungsperioden von fünf auf drei Jahre vor. Gleichwohl sollen jährliche Anpassungsinstrumente – wie etwa der Kapitalkostenaufschlag – weiterhin bestehen bleiben.

Da kürzere Regulierungsperioden zugleich eine beschleunigte Prüfung der Regulierungsbehörden erfordern, spricht sich die BNetzA in dem Eckpunktepapier für eine vereinfachte Kostenprüfung aus, die grundsätzlich eher von Durchschnittswerten ausgeht. Zudem kündigt die Behörde an, die Umstellung von einer Bestimmung der Kapitalkosten im Einzelfall auf eine pauschalisierte Kapitalkostenbestimmung mittels eines sogenannten WACC-Ansatzes prüfen zu wollen.

Im Übrigen beabsichtigt die BNetzA, den im Strom- und Gasbereich gegenläufigen energiewirtschaftlichen Entwicklungen künftig regulatorisch Rechnung zu tragen. So zeigt sich die Behörde offen für die Frage, inwieweit ein Effizienzvergleich von Gasnetzbetreibern zumindest ab der 5. Regulierungsperiode angesichts der anstehenden Dekarbonisierung noch sinnvoll ist. Um eine vollständige Refinanzierbarkeit von Investitionen in die Gasversorgungsnetze zu gewährleisten und um sprunghafte Entgelterhöhungen für die Netzkunden in der Transformationsphase zu vermeiden, schlägt die BNetzA zudem vor, die Nutzungsdauern zu verkürzen und auf eine degressive Abschreibungsmethode umzustellen. Auch sollen Rückbau- und Stilllegungskosten (einschließlich der Kosten für die Bildung von Rückstellungen) im Zuge der Kostenprüfung künftig regulatorisch anerkannt werden.

Bewertung und weiteres Vorgehen

Sowohl der Präsident der BNetzA, Klaus Müller, als auch die Vizepräsidentin, Barbie Kornelia Haller, haben in einer ersten Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers mehrfach darauf hingewiesen, einen „dialogischen und ergebnisoffenen Diskussionsprozess“ führen zu wollen. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Behörde bereits kurz nach Inkrafttreten der EnWG-Novelle, die ihr deutlich mehr Kompetenzen zur Ausgestaltung des Regulierungssystems verschafft hat, einen Prozess anstößt, der neben verschiedenen Interessengruppen auch die betroffenen Netzbetreiber von Anfang an in den Dialog einbezieht.

Zum Start dieses Prozesses wird die BNetzA am 2.2.2024 in einer Auftaktveranstaltung ihr Eckpunktepapier vorstellen. Bis zum 16.2.2024 können die Verbände ihre Stellungnahmen einreichen und sich zu den Thesen aus dem Eckpunktepapier äußern. Wegen der kurzen Frist kann es zunächst nur um eine Orientierung gehen, welche Themen intensiver zu beleuchten und letztlich einer Änderung zugeführt werden sollen. Zudem sind Fragen der Netzentgeltbildung im engeren Sinne etwa nicht Gegenstand des Eckpunktepapiers, sondern sollen in einem gesonderten Prozess ab dem Jahr 2025 erörtert werden.

Das Eckpunktepapier enthält sicher einige interessante Ansätze zur Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens, letztlich wird es jedoch darauf ankommen, welche konkreten Regeln die BNetzA tatsächlich umsetzen wird, wenn sie – wie von ihr angekündigt – im Laufe der Jahre 2024 und 2025 die wesentlichen Bestandteile und Inhalte des neuen Regulierungssystems durch den Erlass von Rahmen- und Methodenbeschlüssen festlegt. Das kommende Jahr wird daher (nicht nur) für Netzbetreiber spannend. Wir werden Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten.

Ansprechpartner*innen: Stefan Missling/Axel Kafka/Sabine Gauggel/Kathleen Philipp

PS: Interessieren Sie sich für die „Neugestaltung des nationalen Regulierungsrahmens durch die Bundesnetzagentur“? Es wird eines der zentralen Themen unseres Parlamentarischen Abends „Alles für die Netze“ sein.

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