Wann ist Bescherung im Emissionshandel?

(c) BBH
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Wer im Emissionshandel seit Beginn dabei ist, erinnert sich: Damals konnte die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) den Anlagenbetreibern gerade noch rechtzeitig vor dem Start der ersten Handelsperiode zum 1.1.2005 im Dezember 2004 die Zuteilungsbescheide unter den Weihnachtsbaum legen. Und heute? Nun ja, heute ist der Weihnachtsmann – um im Bild zu bleiben – noch am Korvatunturi und putzt seine Stiefel. Mussten die Anlagenbetreiber schon ohne Zuteilung in die dritte Handelsperiode starten, stellt sich angesichts des heranrückenden Jahresendes die Frage, ob auch 2013 die Bescherung ausfällt.

Zugegeben: Dass das Zuteilungsverfahren diesmal länger dauern würde, war absehbar, seitdem sich Europa ein einheitliches, in der Sache aber anspruchsvolles Regelwerk für die übergangsweise kostenlose Zuteilung von CO2-Zertifikaten für die Handelsperiode 2013 bis 2020 gegeben hat. Die Mitgliedstaaten mussten die eingereichten Zuteilungsanträge prüfen und die vorläufigen Zuteilungsmengen nach Brüssel melden. Die Europäische Kommission wiederum hatte zum einen zu klären, ob die Mitgliedstaaten die europäischen Zuteilungsregeln richtig angewandt haben. Zum anderen hatte sie den so genannten sektorübergreifenden Korrekturfaktor zu berechnen (wir berichteten). Schon in diesem Verfahren gab es zahlreiche Rückfragen der Kommission. Der Kommissionsbeschluss vom 5.9.2013 hätte aber der vorläufige Schlusspunkt sein können. Die Zuteilungsbehörden in den Mitgliedstaaten hätten dann nur noch – quasi auf Knopfdruck – die Zuteilungsbescheide auswerfen müssen, und jeder Anlagenbetreiber hätte gewusst, mit welcher Menge an kostenlosen Zertifikaten er für die dritte Handelsperiode rechnen kann.

Hätte, hätte, Schmerztablette. Tatsächlich hat die Kommission fast alle eingereichten Zuteilungslisten – nach den schon im Verfahren vorgenommenen Korrekturen – genehmigt. Nur zwei Ländern hat sie am Ende ins Stammbuch geschrieben, die europäischen Zuteilungsregeln falsch angewandt zu haben. Darunter Deutschland. Beanstandet wurde unter anderem die deutsche Härtefallregelung. Die sollte ja unverhältnismäßige Belastungen für Unternehmen verhindern, die mit ihrem Produkt durch das Raster der europäischen Benchmarks fallen – so differenziert dieses auch ist. Die Kommission meint, dies untergrabe das einheitliche Zuteilungskonzept und drohe den Wettbewerb zu verzerren. Auch über Benchmarkdefinitionen (Stichwort: Roheisen) und über den Anwendungsbereich des Emissionshandels ist man in Berlin und Brüssel weiterhin verschiedener Meinung: Während die Europäische Kommission Polymerisationsanlagen für emissionshandelspflichtig hält, glaubt man im Bundesumweltministerium (BMU) das Gegenteil. Wie man hört, will es die Kommission hier notfalls auf ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ankommen lassen. Aber man hört ja dieser Tage so einiges ….

Gleichzeitig steht zu erwarten, dass die Anlagenbetreiber, die Deutschland mit einer Härtefallzuteilung hätte bedenken wollen, gegen den Kommissionsbeschluss Nichtigkeitsklage einlegen werden. Wie die Bundesregierung auf den Beschluss reagiert, ist derzeit noch offen. Theoretisch kann auch sie gegen den Kommissionsbeschluss klagen. Eine solche Klage hätte aber keine aufschiebende Wirkung, das heißt Deutschland müsste sich vorerst an die Auflagen aus Brüssel halten. Wie auch immer die Reaktion auf den Beschluss aussieht: es ist jedenfalls wenig wahrscheinlich, dass Deutschland – angesichts der Vorgeschichte – die endgültigen Zuteilungsmengen festsetzt, ohne sich diese vorab nochmals von Brüssel freizeichnen zu lassen.

Was dies alles für den Zeitplan für die Zuteilung bedeutet, darauf will sich derzeit niemand so recht festlegen … Die DEHSt hatte es gleich nach dem Kommissionsbeschluss eilig mit der Bitte an Anlagenbetreiber, von Anfragen zu den endgültigen Zuteilungsmengen abzusehen und den Erhalt der Zuteilungsbescheide abzuwarten. So einfach liegen die Dinge nun aber nicht: Schließlich ist die Zuteilung kein verzichtbares Goodie, sondern in den emissionshandelspflichtigen Branchen zum festen Bestandteil der Unternehmenskalkulation geworden, von Preisklauseln, Wirtschaftlichkeitsberechnungen etc. Auch bei der Erstellung des Jahresabschlusses droht zusätzliches Kopfzerbrechen, wenn die endgültige Zuteilungsmenge zum Bilanzstichtag (erneut) nicht feststeht. Bloßes Abwarten ist also keine Option.

Denn eines dürfte sicher sein: Mit einem Dispens von der Abgabepflicht können die Anlagenbetreiber nicht rechnen. Sie müssen sich also darauf einrichten, gegebenenfalls auch dann zum 30.4.2014 Zertifikate entsprechend den Emissionen im Jahr 2013 abgeben zu müssen, wenn – was hoffentlich nicht eintritt – auch dann noch keine Zuteilungsbescheide vorliegen. Wer sich nicht darauf verlassen möchte, dass sich der Zertifikatepreis auch dann noch auf dem heutigen Niveau befindet, sollte darüber nachdenken, bereits jetzt für eine entsprechende Deckung zu sorgen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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